Mal mein Senf:
Daß HIV der Verursacher von AIDS ist, bestreitet kein ernstzunehmender Wissenschaftler mehr. Dies zu bezweifeln fällt in denselben Bereich wie die Evolution zu verneinen. Das ist dann eher eine weltanschaulich-philosophische Diskussion, die aber nichts mit Wissenschaft, wie wir sie heutzutage kennen und praktizieren, zu tun hat. Wenn man natürlich sämtliche wissenschaftlichen Methoden (ELISA, Blot, Elektronenmikroskopie, Verlaufsstudien) etc leugnet, bzw. einfach negiert, daß es Bilder und Nachweise gibt, dann kann man auch die Schwerkraft in Frage stellen.
Der Nobelpreisträger Kary Mullis ist zweifelsohne ein phantastischer Biochemiker. Er hat unter anderem die Grundlage für Tests geschaffen, mit denen man auch Viren nachweisen kann. Andererseits ist es ihm böse aufgestoßen, daß sein PCR-Test nie wirklich klinisch für den HIV-Nachweis angewendet wurde, weil es sich bei dem Virus um ein Retrovirus handelt und deshalb (das hab ich hier anderswo im Forum schon mal ausgeführt) Mullis` Test dafür eben nicht so toll ist. Zu teuer, zu aufwändig, etc. Er war wohl recht angepisst von den anderen HIV-AIDS-Forschern.
Jedenfalls ist er ein Aushängeschild der Leute, die einen Zusammenhang zwischen HIV und AIDS bestreiten. Im Grunde genommen haben sie nicht soooo Unrecht: Es ist nicht zweifelsfrei WISSENSCHAFTLICH bewiesen. Es finden sich so schlecht Probanden für eine wissenschaftlich korrekte prospektive Doppelblindstudie mit einer potentiell tödlichen Krankheit - aber wenn mir die Backe jedes Mal weh tut, wenn mir einer draufhaut und nicht weh tut, wenn keiner draufhaut, dann gehe ich sicher von einem Zusammenhang aus. Auch wenn ich keine Ahnung von Schmerzrezeptoren und Mediatoren habe .
Genauso wenig wissenschaftlich bewiesen ist übrigens der Nutzen von Fallschirmen: Es gab nie eine randomisierte Doppelblindstudie (die Kontrollgruppe, könnte ja mit Rucksäcken springen). Es gibt Fälle, bei denen Leute einen mehrere hundert Meter tiefen Sturz überlebt haben. Es gibt Fälle, in denen Leute trotz Fallschirm starben... trotzdem ist der Nutzen von Fallschirmen anerkannt. Aber WISSENSCHAFTLICH nachgewiesen ist er genauso wenig wie der HIV-AIDS-Zusammenhang.
Und soweit ich weiß, bestreitet Prof. Mullis auch den Zusammenhang nicht - er kritisiert nur, daß es noch nicht einwandfrei bewiesen wurde. Er wird halt von den AIDS-Kritikern immer wieder gerne vor den Karren gespannt.
Die Kritiker ziehen ja auch immer die Bangui-Definition als Beweis heran, dass AIDS eine „erfundene Krankheit“ ist und die Symptomatik nicht durch das HI-Virus, sondern durch andere Faktoren entsteht. Da HIV-Tests in weiten Teilen Afrikas einfach nicht zur Verfügung stehen, versucht man sich zu helfen, indem man bei Symptomen wie Husten, rasantem Gewichtsverlust, Krankheitsneigung etc von einer AIDS-Erkrankung ausgeht. Dabei unterstellt man den Patienten nicht, wie die Leugner behaupten, dass sie HIV-positiv sind und AIDS haben, sondern man „tut als ob“. Die Bangui-Definition ist einfach eine Vereinbarung, daß bei Patienten mit bestimmten Symptomen eine AIDS-Erkrankung angenommen werden kann. Es ist keine Definition für AIDS oder gar das Zusammenklauben schon lange bestehender Symptome zu einer „neuen Krankheit“. Durch die Bangui-Definition werden diese Patienten dann wenn möglich zusätzlich zur (ohnehin meist nur möglichen) symptomatischen Therapie auch ohne aufwändig teuren ELISA-Test auf HIV behandelt – allerdings stehen sowieso oft keine entsprechenden Medikamente zur Verfügung. Letztlich macht es so meist keinen Unterschied, was genau für die Symptomatik ursächlich ist. Durch die Bangui-Definition wird bei vielen vielen Menschen in Afrika eben auch AIDS als Todesursache angegeben. Was nun wirklich die Ursache war ist höchstens von zynischem Interesse. Aber genau das nutzen die AIDS-Leugner und verdrehen, die WHO habe per definitionem ein neues Krankheitssyndrom erfunden. Ich finde es zynisch diese "Definition aus Hilflosigkeit" mißzuinterpretieren und als Argument umzukehren für abstruse Ideen. Die Bangui-Definition wird entsprechend auch weit mehr von den Kritikern mißbraucht, als von den Helfern gebraucht! Es ist bezeichnend, daß nahezu alle Informationen hierüber auf Seiten wie "rethinkingaids", "weltverschwoerung", "virusmyth", "aids-kritik" etc veröffentlicht werden, oder nicht?