Alles andere als brav - Der Adventskalender
Es war 1 Uhr 41. Carolin lauschte dem regelmäßigen Atem von Frieder. Sie roch sein Duschgel. Wie vertraut einem nach acht Jahren Beziehung alles war. Was sie gleichermaßen schön und frustrierend fand. Eineinhalb Jahre war es her, dass Frieder seine Begeisterung für das Laufen von Marathons entdeckt hatte. Seitdem lagen sie im Bett nebeneinander wie zwei Geschwister auf Besuch bei den Eltern. Allein könnte sie jetzt hunderte von Orgasmen haben, doch wenn er neben ihr schlief, traute sie sich nicht sich anzufassen. Wie eine Zuschauerin in einem Film blickte Carolin auf die letzten Monate zurück. Frieder hatte sich eine Liste der Marathons ausgedruckt – Paris, Berlin, Salzburg – alle wollte er laufen. Um dies zu meistern hatte er einen Trainingsplan, einen Ernährungsplan und einen Urlaubsplan aufgestellt. Seine Abende verliefen nun nach einem festen Rhythmus: Büroklamotten aus, Sportkleidung an, einem ausgeklügelten Speiseplan folgend proteinhaltige Mahlzeit vor und nach dem Training zu sich nehmen, ein paar Dehnübungen, dazwischen ein bestimmtes Pensum rennen, heiß duschen, und dann ins Bett schlüpfen. Kaum berührte sein Kopf das Kissen schlief er sofort ein.
Sie hingegen wurde wachgehalten von einer nagenden Sehnsucht. Da lag ein topfitter, trainierter Mann neben ihr und wusste mit seinem Körper nichts anders mehr anzufangen als zu rennen. Sie hingegen sehnte sich nach hemmungslosem Sex, wie sie ihn in ihrer Anfangszeit hatten. Okay, es gab nicht nur atemberaubenden Sex, da verklärte sie die Vergangenheit. Bis sie sich besser kannten, erlebten auch sie verunsichernde Patzer und nicht zielfördernde Aktionen. Doch im Großen und Ganzen war ihr Sex völlig in Ordnung gewesen. Vielleicht war das das Problem, diese »völlig in Ordnung!« Frieder suchte Herausforderungen und diese fand er nicht im Bett. Wie sollte sie es anstellen, dass er die Leidenschaft, zu der er fähig war, wieder aus sie bezog? Es musste seine Art, Pläne zu machen, sich Ziele zu setzen und diese auch zu erreichen zu tun haben. Wie wäre es, wenn sie ihn jeden Tag vor eine Herausforderung stellte? War nicht bald die Zeit der Adventskalender? Sie könnte ein paar Geschenke verpacken und diese mit einer Aufgabe versehen, die entweder sie oder er am Abend einzulösen hätte. Dieser Gedanke ließ ihren Nacken kribbeln. Das war ein gutes Zeichen.
Vorsichtig stand sie auf, tapste ins Wohnzimmer, nahm ihr Notizheft und einen Stift, setzte sich aufs Sofa, kuschelte sich in die Strickdecke und begann im gedämmten Licht der Stehlampe eine Liste mit Geschenken, die unbedingt in dem Kalender sollten: ein Massageöl, eine Maske, ein Seil. Vielleicht ein Gutschein für einen Tantra-Kurs …
Am Ende standen da fünfzehn verschiedene Dinge, die sich mehr oder weniger aufregend lasen.
Dennoch würde sie Mut benötigen, denn die Geschenke verrieten einige Wünsche, die sie Frieder nie anvertraut hat. Der Gedanke an all die Möglichkeiten versetzte sie in einen Rausch.
Morgen mehr …
Was ist mit euch, was sollte unbedingt auf eure Liste?