„Ein Mensch der glaubt er sei dominant auf die Welt gekommen und alle Fähigkeiten wurden ihm in die Welt gelegt, dem fehlt meiner Meinung nach jede Selbstreflektion.
Ja, das stimmt, aber andererseits fehlt auch jenen die Selbstreflektion, die meinen, dass gar nichts angeboren ist und alles nur durch die Umwelt bestimmt wird.
Jeder Mensch kommt mit einem Satz an Charakterzügen, Fähigkeiten und Schwächen auf die Welt. Ein neuer Mensch ist kein leeres Gefäß in welches die Umwelt ungefiltert Inhalte schütten kann. Schon Neugeborene haben eingebaute Muster, Präferenzen und Algorithmen nach denen sie die von außen kommenden Informationen filtern, kategorisieren und speichern oder verwerfen.
Das heißt nicht, dass diese internen Mechanismen unveränderlich sind, später nicht doch die Umwelt einen viel stärkeren Einfluss haben kann oder diese Mechanismen derart unflexibel wären, dass sie keinen Spielraum für Entscheidungen und Dagegenhalten bieten würden. (Sonst hätten Süchtige keine Chance, jemals clean zu werden) Es bedeutet lediglich, dass es Menschen gibt, denen es von ihren Anlagen her leichter fällt, all diejenigen Dinge zuzulassen, auszubilden, wachsen zu lassen, die dazu führen, dass man gerne die Macht über andere Menschen hat. Dazu gehören sehr viele verschiedene Komponenten, obwohl bestimmt nicht alle in gleicher Intensität vorhanden sein müssen. Die wichtigste dieser Komponenten ist wohl, dass man weiß, wie man die Welt haben möchte und selbst davon überzeugt ist, dass man diesen Wunsch haben darf, umsetzen darf und umsetzen will. Man muss daran glauben können, dass das, was man möchte etwas ist, das wert ist, erfüllt zu werden und man muss die Stärke haben, sich zu trauen, dem Gegenüber zu sagen, dass man so denkt. Daneben gibt es natürlich noch viele andere Dinge, die dazu gehören, wie zum Beispiel, dass man sich daran erfreuen kann, es genießen kann, wenn etwas, was man in Auftrag gegeben hat, erfüllt wird, etc. Aber da könnte ich jetzt 10 Seiten schreiben, welche Voraussetzungen ich als nötig sehe und warum, das führt dann zu weit.
Was ich damit sagen will, ist: Man weiß nicht, welche von den im Geist und im Körper vorinstallierten Programmen dazu führen, dass man die Voraussetzungen für eine Vorliebe für eigene Dominanz entwickelt und man weiß auch nicht, welche Einflüsse von außen diese Entwicklung begünstigen. Man kann sich denken, dass gewisse Dinge einen eher daran hindern als andere, sowohl intern als auch von außen und genauso kann man sich denken, dass gewisse Veranlagungen und Erlebnisse höchstwahrscheinlich eher förderlich sind als andere.
Zu behaupten, die Fähigkeit zur Dominanz und der Wille, diese Fähigkeit auch zu nutzen, seien NUR angeboren oder NUR durch die Umwelt erschaffen, ist meiner Meinung nach aber in jedem Fall zu einfach gedacht.
Das wichtigste zum Schluss: das alles bezog sich erstmal nur ganz allgemein auf Dominanz. Im Bdsm geht es aber ja nicht um eine allgemeine Dominanz, sondern darum, dass das Ausüben von Dominanz sexuelle Befriedigung hervorruft. Und das ist etwas, was bei der Debatte um die Naturdominanz gerne unter den Tisch fallen gelassen wird. Es nutzt einem doch im Bdsm überhaupt nichts, naturdominant zu sein (was ich jetzt mal so interpretiere, dass man die von mir beschriebenen Voraussetzungen alle voll entwickelt hat und sich deshalb als machtausübendes Wesen in der Welt bewegt), wenn man keinerlei sexuelle Befriedigung daraus ziehen kann und will. Da nehme ich lieber vorlieb mit jemandem, der vielleicht nur einige der Voraussetzungen entwickelt hat oder zumindest nicht alle und nicht zu 100%, aber dafür (sexuelle!) Lust daran empfindet, was er mit mir tut und mich tun lässt.
Für einen Chef arbeite ich, einem Dom bereite ich Vergnügen, was mich befriedigt.