Ich stimme Herrn
@******els zu und wehre mich gegen die Aussage, man verhalte sich in der Phase des Kennenlernens und am Anfang der Beziehung anders als später. Wer genau hinschaut und -hört, sich selbst gut kennt, selbstehrlich ist und ein feines Gespür für andere hat, kann durchaus auch im Anfangsstadium feststellen und merken, was beim Gegenüber authentisches Verhalten ist und was nicht. Wer sich jedoch die dafür notwendige(!) Zeit nicht nimmt oder, wider besseres Wissen und/oder sein Bauchgefühl, dafür entscheidet, dieses zu übergehen, trägt mindestens ebenso sehr die Schuld am Scheitern der "Beziehung", die sich daraus dann entwickelt. Die Verantwortung für die zunehmende Schieflage bzw. die irgendwann stattfindende Trennung dann alleine oder hauptsächlich dem anderen Partner zuzuschieben, der ja ach so uneinsichtig, verschlossen, oder zu bequem oder was auch immer sei, ist in meinen Augen letztlich gleichermaßen unaufrichtig und dient in erster Linie dazu, sich selbst zu erhöhen und den anderen zu bashen und entbehrt mit seiner Verzerrung der Einflusskomponenten nicht einer gewissen Infamie mit Zügen einer narzisstischen Kränkung. Ein reifer, reflektierter Umgang unter reifen Erwachsenen sieht in meinen Augen anders aus.
Dazu gehört auch, dass man die Dinge im Anfangsstadium einer Bekanntschaft langsam angeht und tatsächlich reiflich überlegt, ob man sich auf die andere Person einlassen möchte oder eben nicht. Dazu gehört meiner Meinung nach auch die Beobachtung des beiderseitigen Verhaltens in Konfliktsituationen und da, wo man unterschiedliche Meinungen vertritt. Das, diese differenzierte Wahrnehmung des anderen und die Beobachtung der eigenen Reaktionen auf ihn /sie, kommt meines Erachtens im Zeitalter der vermeintlich unbegrenzten Möglichkeiten mittels technischer Kommunikationsmittel , die jedoch eine tiefere zwischenmenschliche Kommunikation tatsächlich oft drastisch verkürzen und beschneiden, häufig viel zu kurz. Das "Flattern von Blume zu Blume" ohne Verbindlichkeit und ohne echtes Engagement und Kenntnis des anderen, die Betrachtung von Sex als leicht zugänglicher und jederzeit verfügbarer Konsumartikel, dem man nicht mehr den Charakter der besonderen Innigkeit zwischen zwei Menschen beimisst, unterstützen eine solch oberflächliche Einstellung. Das ist eine selbst eingebrockte Suppe, die man dann halt auch selbst auslöffeln sollte. Dass sie mittlerweile versalzen und ungenießbar ist, hat man schließlich auch selbst mit zu verantworten.
Sich aus dieser Verantwortung zu stehlen und sich quasi einzureden, der /die andere hätte es eh nicht anders verdient, man selbst aber sehr wohl, und mit dieser Begründung dann die Beziehung unpersönlich einseitig zu beenden, drückt eine Haltung aus, die mit (gutem) Stil in meinen Augen nichts zu tun hat.
Dafür, dass sich über Stil und Geschmack trefflich streiten lässt und es jeweils ganz unterschiedliche subjektive Befindlichkeiten dabei gibt, die auch nicht auf einen gemeinsamen Nenner kommen (allerdings auch nicht kommen müssen, das ist das Schöne daran!), ist dieser Thread nur ein weiteres von unzähligen Beispielen.