Der Richtige im Falschen
Mir ist, bei vielem schon Richtigen, was hier zu lesen ist, von zuvielen Vermeidungsstrategien die Rede, wobei es ja eigentlich nur zwei an der Zahl gibt: Kontrolle oder Verzicht.
Ich möchte garnicht wider dieser Strategien reden: Gebranntes Kind scheut Feuer, und Vermeidung kann eine - zunächst - ebenso gesunde Reaktion, wie die Flucht.
Ich finde nur, dass es, auf Dauer und bei Licht betrachtet, bessere Möglichkeiten gibt, auf die Tatsache zu reagieren, dass man immer den Falschen oder die Falsche anzieht.
Der erste Schritt besteht in der Erkenntnis, die von einigen Schreibern ja schon nahegelegt wurde, sofern man Erkenntnisse nahe legen kann:
Nämlich, dass der Falsche garnicht der Falsche ist. Er (ich bleibe jetzt mal bei der Thread-Eröffnerin) ist schon faktisch nicht nur der Falsche, sondern der Richtige: denn sonst gäbe es nicht etwas in einem dass diesen jemand anzieht. Dass heisst: dass etwas in mir nach diesem hungert.
Es ist ja dieses verfängliche Paradox: Die Eigenschaft, über die ich mich am bittersten beklage, ist zugleich die Eigenschaft, von der ich unweigerlich angezogen werde. Ja, verflixt noch mal, wie kommt das denn bloß?
Eine Antwort findet man - wohlmöglich wenn man sich zwei Fragen stellt.
Die erste Frage wäre: Was ist das Richtige an dem Falschen? Wovon entlastet er mich, möglicherweise von Ängsten, die mir garnicht bewusst sind, aber die im Spiegel der Eigenschaften des Falschen eigentlich doch riesengroß zu erkennen sind, dass mir schon schlecht wird, wenn ich darin hineinschaue?
In Jo´s Fall haben ja viele schon die Vermutung angestellt: Der falsche "Schlaffi" entlastet von der Angst vor Kontrollverlust - was in der Tat eine Möglichkeit ist, vielleicht aber gibt es andere Angst. Im jeden Fall gilt aber: im Spiegel des Falschen entdecke ich eine Schwäche in mir, die dafür sorgt, dass solange ich diese habe, mein Unbewusstes immer nach diesem Typ mit eben dieser für mich scheinbar so hassenswerten Eigenschaft verlangen wird. Da kann mein Bewusstsein sich noch so sehr wappnen, wie es möchte, gegen die Macht des Bedürfnis hat es keine Chance. Die reine Erkenntnis über das Muster hilft so wenig, wie ein Ratgeber zur ausgewogenen Ernährung bei einem ausgehungerten Magen vor einem Buffett. Auch die Seele hungert, und wenn sie hungert, ernährt sie sich. Und wenn die Seele vor einem Buffet steht, wo gesunde und nahrhafte Speise und Fastfood steht, wird die Seele nach dem greifen, was ihr erstmal eine Füllegefühl gibt. Und sie wird immer zum Burger greifen, nicht trotz der ungesunden Konservierungsstoffe, sondern wegen der ungesunden Konservierungsstoffe, wenn sie ihrer bedarf. Weil die Vollwertkost ihr dies eben nicht bieten kann.
Ich würde dennoch weder zur Askese, noch zum Treibenlassen raten, denn es gibt ja noch die andere Seite. Offensichtlich tut einem diese Kost nicht gut, sonnst würde man ja nicht leiden, und wenn man nicht leiden müsste, dann gäbe es ja auch keine Schwäche, die man in sich beheben müsste. Wenn es passte, wäre ja alles Butter, aber das ist es ja nicht. Was mich da heilt, macht mich zur gleichen Zeit `krank`.
Die weiterführende Frage ist: Was macht den Falschen zum Falschen? Eine Frage, die zweifelsohne leichter zu beantworten ist, aber man sollte sehen, welches Gebiet diese Frage berührt, bzw. wohin der Spiegel sich richtet. Sie berührt nämlich die Frage, was wir uns wirklich wünschen - aber eben nicht in erster Linie vom anderem, sondern vor allem von uns selbst. Denn wir wünschen uns ja einen Partner, an dessen Seite wir uns glücklich und zufrieden fühlen können. Die Frage berührt also das eigene Selbstbild - oder noch verschwommener, dafür präziser gesagt: das eigene Selbstgefühl.
Und so spiegelt unsere Partnerwahl, mit der wir unzufrieden sind, eben zwei Seiten von uns: Wer wir wirklich sind, worin möglicherweise unsere Schwäche liegt (die man angehen kann - Therapie ist eine wertvolle Möglichkeit), und wer wir zu sein wünschen. Wichtig ist: zu erkennen, dass es immer um einen selbst geht.
Und das, so finde ich, sind doch höchst wertvolle Erkenntnisse über sich selbst, die man nicht durch strategische Vermeidung einfach umgehen sollte. Die immer-falsche Partnerwahl ist somit etwas höchst Wertvolles, weil sie etwas über uns selbst aussagt. Diesen Schatz muss man nur zu heben wissen. Zumal dann, wenn wir herausfinden, was im Argen mit uns ist - ein Weg, der sicherlich schmerzhafte Momente hat, aber der einzige Weg ist ist, um stark genug - für uns selbst zu werden, aber damit auch berreit für den Partner, den wir uns für uns selber wünschen. Was natürlich auch "Arbeit an sich selbst" bedeutete - auch wenn ich diesen teutonischen Ausdruck hasse.
Man kann natürlich immer "einen großen Bogen" machen. Aber dann macht man eben auch einen großen Bogen um sich selbst.