Ich führe seit mehreren Jahren sehr erfolgreich eine offene und teils auch polyamore Beziehung. Und ich kann dir eines bestätigen: das klappt nur dann, wenn alle Beteiligten einvernehmlich darin sind, dass sie dieses Beziehungsmodell so wollen, und alle auch mit den Konsequenzen klar kommen.
Da auch bei uns dieser Wunsch überwiegend von mir kam, kann ich dir sagen, was wir getan haben, um an einen Punkt zu gelangen, an dem sie mir diese Freiheiten zugestehen konnte:
• wichtig war ihr, zu verstehen, WARUM ich diesen Wunsch habe. Und zwar nicht nur mal gesagt bekommen, sondern eben wirklich verstehen. Das ist langwierig und erfordert gnadenlos offene Kommunikation - aber ohne das zu beherrschen, klappt das Vorhaben ohne hin nicht. Kann man also gleich mal üben.
• Ich musste andererseits verstehen, wo genau ihre Probleme bei der Vorstellung sind, ich könnte mit einer anderen Frau intim werden. Verlustangst? Angst vor Krankheiten? Ekel bei der Vorstellung?
• Nach dem wir da auf einem Stand waren, war es wichtig, Lösungen zu finden - und zwar gemeinsam. Ich habe ihr zugesichert, dass manche Dinge exklusiv unserer Beziehung vorenthalten bleiben. Wir sind zusammen gezogen - mein "Zuhause" ist also bei ihr. Auch das gab ihr Sicherheit, nicht einfach so "ersetzt" zu werden. Wir lassen uns beide regelmäßig auf Sexuell übertragbare Krankheiten checken, und haben vereinbart, das auch von Sexpartnern zu verlangen. Und wir haben uns ganz fest versprochen, dass wir jederzeit miteinander über jegliches emotionale Problem sprechen können, dass sich ergibt.
Gerade der letzte Satz des letzten Punktes hat sich dabei als essentiell erwiesen. Denn selbst bei einer generelle Bereitschaft, zu versuchen, die eigene Eifersucht (wir sind beide im Übrigen davon überzeugt, das hinter Eifersucht immer Verlustangst steckt - und Ängste kann man kontrollieren lernen) im Zaum zu halten, glaubt keiner von uns an "Eifersuchtsfreiheit". Wenn man jemanden liebt, hat man immer Angst, die Person nicht mehr im eigenen Leben zu haben - und Sexualverkehr oder sogar ganz allgemein jegliches Treffen zu zweit mit potentiell anderen Partnern/Partnerinnen birgt eben das Risiko, jemand könnte irgendjemanden Neues "Besser" und "toller" finden und "wechseln". Daher muss man hier offen miteinander sprechen können, und auch lernen, so zu kommunizieren, dass auch das ankommt, was man meint. Und dabei gleichzeitig schonungslos ehrlich wie auch behutsam und achtsam miteinander sein.
Ganz wichtig hier: Jedes Gefühl ist "valide". Es gibt keine "unfairen Gefühle", oder gar "lächerliche". Emotionen sind nichts, dass irgendjemand absichtlich hat - das zu akzeptieren war für uns ein großer Schritt und erspart viele Schuldzuweisungen.