Das ist ironiefrei sehr konstruktiv. Danke Dir, Zoukergy!
Insbesondere der Absatz mit der Auto-Selbstfindung ist sehr interessant gedacht. So habe ich das noch nicht betrachtet, aber es kann einen Teil meiner Abneigung erklären: dass die geleitete "Selbstfindung" einen (vom Leitenden und seiner Auffassung) vorherbestimmten Verlauf und ein vorherbestimmtes Ziel finden soll.
Ebenso erklärt es die Unflexibilität des Lehrers im Fall des Klappradfahrers, und das passiv-aggressive Verhalten, wenn etwas davon nicht angenommen wird: da verweigert sich jemand der Schiene, die der Anleitende bereits im Kopf angelegt hat. Ein guter Denkanstoß!
Wenn Du, Zoukergy, in einen Tantrakurs gehen möchtest (und gut, dass Du auch bei den Zweifeln so aufgeschlossen bist!), dann gebe ich Dir meinen persönlichen Rat - sag einfach, wenn ich eventuell offene Türen einrenne:
• geh sofort rückwärts wieder raus, wenn Dir eine/r der Lehrenden unsympathisch ist. In dem Fall wird a) unter keinen Umständen erotische Stimmung aufkommen. b) wird die Sympathie und erotische/aphrodisierende/angenehme/beruhigende Wirkung des/der Leitenden als "Frame" vorausgesetzt. Wenn Du dann auf ihn/sie mit Abneigung reagierst, verletzt Du die Erwartungen der Gruppe und verhältst Dich im Rahmen des Frame "absurd". (Siehe Klapprads Erlebnis.) In dem Fall wird Dir sehr wahrscheinlich die Schuld zugeschoben - Du habest Blockaden, Du wertschätztest die Anwesenden nicht, Du seist nicht achtsam, störtest die Harmonie der Gruppe, und ähnliche Unterstellungen.
• Nimm keine Rücksicht. Hört sich blöd an, aber wenn Dir etwas nicht gefällt, nenn es beim Namen. Lass Dir nicht von einem Lehrer an den Rücken packen, wenn Du es nicht magst, ertrage das nicht einfach, denk Dir keine stromlinienförmige Entschuldigung aus, nur um die "Gruppenharmonie nicht zu stören". Sag klar, aber höflich: sorry, Du bist mir unsympathisch, ich möchte mich von Dir nicht anfassen lassen. Sorry, ich mag mir gerade nicht auf die Füße klopfen, das finde ich albern. Bitte nimm die Duftkerze weg, mir wird davon übel. Ansonsten summieren sich nach und nach die Dinge, die Dir Energie und Wohlbefinden ankratzen, und irgendwann später am Abend platzt es monströs alles auf einmal. Oder Du hast am nächsten Tag die Migräne des Todes wegen all der schlechten Energie, die Du ohne Reaktion in Dich aufgenommen hast. (Been there.)
• Halte die anderen im Kurs auf Armlänge, wenn Du keine Sympathie für sie empfindest. Tantra ist ein unglaublicher Libidokiller, wenn Du irgendwelche Vertrauens- oder Zuneigungsspielchen mit jemandem machen sollst, dem Du nicht vertrauen kannst und zu dem Du keine Zuneigung hast. Es ist normal, nicht jeden zu mögen. Es ist abnormal, jeden zwangsweise mögen zu sollen.
• Manche Teilnehmer in Tantrakursen (nicht unbedingt die Lehrer) sind schwarze Löcher. Hungrige Menschen, die von Dir oder Deiner Partnerin zehren wollen, um irgendeine Leere in sich selbst zu stopfen. Wenn Du selber in Dir ruhst und Kraft hast UND gleichzeitig für andere offen bist (durch Mitgefühl, Anteilnahme, freudige Erwartung an den Kurs), bist Du ein ungesundes Leuchtfeuer und bevorzugtes Ziel für sie.
Tantrakurse ziehen (auch) solche leeren Leute an, weil sie eine erfüllte Sexualität versprechen, die diese Menschen nicht haben (können). Wenn Du solche Leute auf Anhieb erkennen kannst, meide sie, mache niemals irgendwelche Spiele mit ihnen. Wenn nicht, halte Dich vorerst an Deine Partnerin. Lass Dich nicht durch den Zwang zur "Wertschätzung" dazu verleiten, Menschen an Dich heranzulassen, die Dir schaden.
• Wenn Du merkst, dass Du anders empfindest als Deine Partnerin, brich ab. Es kann sein, dass sie das Ganze positiv empfindet und in einem echten Lustflow ist, Du hingegen unangenehme Untertöne im Raum oder bei den anderen Teilnehmern spürst, die Dich rausbringen. Oder umgekehrt. In dem Fall
bist hinterher in ihrer Wahrnehmung Du für sie (bzw. in Deiner Wahrnehmung sie für Dich)
der Grund, warum das Erlebnis scheiße war. Und das nur, weil Du eventuell eine schärfere, feinere (oder einfach andere) Wahrnehmung hattest. Man kann sich über sowas schlimm verstreiten.
• In dem Zusammenhang wird derjenige Partner sehr, sehr gerne
gegen den negativer fühlenden Partner instrumentalisiert. Wenn Du die Tantrastunde genießt, Deine Partnerin sich aber unwohl fühlt, lass Dich nicht benutzen, um ihr ein schlechtes Gewissen zu machen. Stehe vorbehaltlos zu ihr, auch und gerade dann, wenn Du ihr negatives Gefühl nicht nachvollziehen kannst. Und gerade richtig genervt bist, weil sie Dich aus dem Flow gezogen hat.
Kläre vorher, vor dem Kurs, bilateral ab: sobald einer von beiden ein schlechtes Gefühl hat, ist das ernstzunehmen und ihm/ihr beizustehen. Sobald Dein Partner gegen die Gruppe steht, stehst Du beim Partner, ohne Frage, ohne Vorbehalt. Erbitte dasselbe auch dringend von ihr.
In dem Moment, wo Deine Partnerin anders behandelt wird als Du, sollt ihr auseinandergebracht bzw. einer von euch gegen den anderen eingenommen werden. Häufig ist das ein Grund für die unterschiedliche Wahrnehmung. Wenn der Tantralehrer Deine Freundin attraktiv findet, Du ihm aber zu besitzergreifend, zu skeptisch, zu unsympathisch (oder was auch immer) bist, wird er sie besser behandeln als Dich. Folglich hat sie ein besseres Gefühl als Du im Kurs, und das kann (von ihm) gegen Dich eingesetzt werden. Wann Du spürst, dass sich sowas zusammenbraut, brich ab. Sofort. Je früher, desto besser.
• Prüfe alles, was Du an Energie in Dich reinlässt, ob es Dir guttut. Nimm keine Praxis ungeprüft an. Notfalls mach Dich sofort zum Stein und lass es an Dir abperlen, oder brich ab. Das hört sich ganz einfach an, ist es aber nicht, wenn man gerade in euphorischer und weit geöffneter Stimmung ist. Gerade dann ist man gegen Einflüsterungen und schädliche Effekte am verwundbarsten.
• Öffne Dich, wenn Du dazu bereit bist, und nicht, wenn jemand es Dir sagt. Zwanghafte Offenheit ist genauso schlimm wie verkrampftes Blockieren.
• In dem Moment, wo Du passiv-aggressive Sprüche oder Blicke wahrnimmst, wenn irgendwelche versteckten Vorwürfe aufkommen, ob Dir oder jemand anderem gegenüber, geh sofort. Erkläre nichts, geh einfach. Hoffe, dass Deine Partnerin es ebenso wahrgenommen hat, oder erkläre es ihr hinterher.
Hört sich jetzt furchtbar negativ an. Nicht alles davon, an sich gar nichts davon, muss Dir zwangsläufig im Tantrakurs begegnen. Eventuell ist der Kurs voll mit tollen Leuten, mit denen Du sofort Rapport hast. Und es gibt eine Menge Leute, die Tantra genießen und keine negativen Effekte haben. Aber im Sinne von LFMF: kenne die Gefahren und guck nach Quallen, bevor Du schwimmen gehst.