Autonomie und Partnerschaft
Ich lese seit ca. einem Jahr interessiert im Forum mit und freue mich immer wieder über Denkanstöße, die ich durch das Lesen mancher Beiträge erfahre. Jetzt würde ich mir gerne für mein Problem Hilfe holen.Letztes Jahr im September begegnete ich einer Internetbekanntschaft, mit der ich zuvor ca. 2-3 Monate einen tollen Mailaustausch über Gott, die Welt und die Liebe hatte, wir telefonierten auch öfters und verstanden uns gut, gleicher Humor und ähnliche Wahrnehmung. Wir schienen irgendwie auf einer Wellenlänge zu sein. Nach dem ersten Treffen entwickelte sich unsere Bekanntschaft sukzessive zu einer fernen Liebesbeziehung. Uns trennen circa 350 km, wir sind allerdings beide relativ flexibel und mobil, sodass wir uns - wenn wir wollen - nahezu jedes Wochenende treffen könnten.
Da wir ziemlich lebendig und neugierig unterwegs sind, waren wir von Anfang an auch offen für Begegnungen und Treffen mit anderen Menschen, seien es Männer oder Frauen, Bekannte, Freunde oder Fremde... wir flirten beide sehr gern. Es fühlte sich zu Beginn sehr gut an, wir freuten uns aneinander und achteten aufeinander, wenn wir gemeinsam unterwegs waren und andere Menschen trafen. Es schien wirklich gut zu passen. Nach einem sehr schönen Wochenende, an welchem wir u.a. einen feuchtfröhlichen Abend mit zwei Mädels tanzend und küssend in einem Club verbrachten, fuhr ich Montag in der Früh zufrieden und bereichert nach Hause.
Am gleichen Abend traf er sich mit einem der beiden Mädchen und vögelte sie.
Ich war aus verschiedenen Gründen wie vor den Kopf gestoßen, u.a. weil ich ihm in unseren Gesprächen gesagt hatte, dass für mich Alleingänge nicht vertrauensfördernd sind. Er wusste, dass ich traumatisierende Erlebnisse mit Männern hatte und in Bezug auf Vertrauen einen Schlag weg habe. Also eine Beziehung muss sich für mich entwickeln, ich wünsch mir, dass es sich tragfähig anfühlt, ich habe echte Schwächen mit Verbindlichkeitsgefühlen und dem Vertrauen zu Männern.
Er sagte in diesen Gesprächen, dass er an ONS noch nie interessiert gewesen sei und diese auch eigentlich so gut wie nie gehabt hätte, er hätte mehr Spaß daran, Frauen in sich verliebt zu machen und dass er eigentlich daran interessiert sei, mit mir gemeinsam erotische Begegnungen erleben zu können. Allerdings könne er sich auch nicht vorstellen 4 Wochen ohne Sex zu verbringen, nur weil ich ein Problem damit hätte ... Das Bett, in das er in dieser Nacht stieg, war aber noch warm von mir und ihm.
Er begründete die Aktion im Wesentlichen dann damit, dass er von seiner letzten Freundin vermittelt bekommen hätte, dass sich eh keine Frau für ihn interessiere und es deshalb für ihn Genugtuung gewesen sei, dass diese Frau ihn zu begehren schien, also diese Begegnung eine Bestätigung für sein -noch angekratztes- männliches Ego gewesen sei, was er ja eigentlich selbst blöd und beschränkt fände, aber es hätte ihm gut getan und mit mir hätte es gar nichts zu tun. Mir war das zwar nicht ganz verständlich, aber ok, er zeigte sich offen und reflektiert und sah SEIN Problem. Wir ließen die Sache auf sich beruhen und hatten schöne Zeiten ...
Über Weihnachten - welches wir beide bei unserer jeweiligen Familie verbrachten - nahm ich wahr, dass er vor mir etwas verheimlichte, bzw. hatte ich das Gefühl, dass er bemüht war mir etwas vorzumachen. Als ich nach dem Fest zu ihm fuhr, nahm ich mir vor ihn darauf anzusprechen und ihn zu bitten mit mir ehrlich zu sein, mir nicht ein X für ein U zu verkaufen, weil ich in dieser Hinsicht sehr sensibel bin und mich das verunsichert (kann ich meinen Gefühlen trauen oder meinem Gegenüber?). Mein angeschlagenes Vertrauen wollte und will ich gerne festigen und ich bat ihn also, mir dabei mittels Aufrichtigkeit zu helfen. Das war er dann, aufrichtig, und ich erfuhr von Belastungen seinerseits, die er verborgen und im Zuge derer er mir eben etwas vorgemacht hatte. Wir fühlten uns in den folgenden gemeinsamen Tagen sehr nah und hatten eine wunderschöne Zeit miteinander, es fühlte sich sehr gut an.
Doch dies änderte sich innerhalb der nächsten Woche. Mir vermittelte er an einem Abend per SMS den Eindruck, dass er allein unterwegs in einem Club sei, in welchem wir auch gemeinsam waren, er richtete mir Grüße von Bekannten aus und schrieb, dass es schade sei, dass ich nicht dabei bin. Ich hatte wieder dieses Gefühl, dass er mir etwas vormachte und sprach ihn bei unserer nächsten Begegnung darauf an. Er hatte an dem Abend eine Frau gedatet und sie hatten mit einem der Bekannten aus dem Club Sex. Er sagte, er habe mich u.a. testen wollen, ob ich -wie ich behauptet hatte - tatsächlich wahrnehmen könne, wenn er mir was vormacht. Damit hatte er mich doppelt getroffen und es entzündete sich daran unser erster, richtig ätzender Streit...
Es haben sich weitere Geschichten zugetragen, schöne und weniger schöne. Er steht jetzt auf dem Standpunkt, meine Probleme seien meine Probleme, da habe er nichts damit zu tun, mit denen müsse ich alleine fertig werden. Er will "seinem Begehren" nachgehen, wie er gerade Lust und Laune hat und mir nichts erzählen müssen. RATIONAL gebe ich ihm recht, er ist nicht dafür verantwortlich, dass ich diesen Mangel an Vertrauen zu Männern habe und ich habe kein Recht, ihn in seinen Freiheiten zu beschneiden. Ich will auch nicht, dass er das Gefühl hat Rechenschaft ablegen müssen, wenn ich mir Aufrichtigkeit wünsche. Er glaubt aber, DAS alles sei mein Anliegen, das ist es aber nicht. Ich komme aufgrund meiner Dispositionen EMOTIONAL so einfach nicht mit!
Gerne hätte ich mit ihm dieses Gefühl von freier Verbundenheit entwickelt und empfunden. Aber auf dem jetzigen Weg entwickle ich keine echte Verbundenheit, mein Misstrauen wird getriggert, es rührt sich in mir die altbekannte Strategie "emotional dicht machen"... das will ich nicht. Ich fühle mich falsch interpretiert und nicht wahrgenommen. Er zeigt mir nicht, dass er mich nicht verletzen möchte und ich fühle mich nicht als die Frau, die ich bin, die Schwächen hat aber doch wachsen will, geliebt.
Für ihn stellt es sich umgekehrt da. Ich akzeptiere ihn nicht, wie er ist. Und das bräuchte er, er will die freie Verbundenheit spüren, jetzt und sofort. Wenn ich ihn lieben würde, würde ich ihn annehmen und mich für ihn freuen, wenn es ihm gutgeht und ihm das Gefühl vermitteln, alles erzählen zu können, aber nichts erzählen zu müssen (schöne Aussichten, dahin würde ich doch gerne kommen )
PATT
Jetzt lässt sich sagen, es passt halt nicht, klar.
Ich selbst glaube allerdings nicht an eine 100% Passung von Partnern, auch nicht an eine 95%. Viel eher ist es glaub ich so, dass eine Partnerschaft von beiden gemeinsam passend gestaltet werden kann.
Ich frage mich, wie viel Autonomie verträgt eine Partnerschaft?
Kann eine Partnerschaft ohne Rücksicht auf emotionale Schwierigkeiten des Partners, welche dummerweise auch noch durch das eigene autonome Verhalten getriggert werden, in ein Verbundenheitsgefühl führen?
Führen Abstriche in der autonomen Bewegung, um einen emotional geschwächten Partner zu stärken, wohl eher zu einem Verlust oder zu einem Gewinn für beide?
Ich will übrigens nicht gebauchpinselt werden und ich brauche auch keine Ohrfeigen, warum ich so blöd bin da mitzumachen. Und der Tipp, geh zum Psychologen und lass dein Trauma therapieren ist unnötig, da bin ich schon längst. Es muss hier auch keiner auf dem Mann rumhacken, das hilft auch nicht weiter. Konstruktive Beiträge von Menschen, die mir zu eine klareren Sicht auf diese vermeintliche? Pattsituation verhelfen oder auch Lösungsvorschläge wären dagegen schön.