Interessantes Thema.
Ich habe die vielen Posts bis hier her verfolgt und erkenne in Vielen davon einzelne Phasen meines Lebens wieder. Zu Beginn, in meiner Jugend und den frühen "Erwachsenenjahren" die Erwartung an die einzige und bedingungslos treue wahre Liebe. Später dann die Erkenntnis, dass wir vom genetischen Code her nicht zur Monogamie geschaffen sind, jedoch durch Kultur und vor allem Religion zur Solchen erzogen werden. Ausnahmen gibt es natürlich von jeder Regel, ich spreche hier nur von evolutionstechnisch basierten wissenschaftlichen Erkenntnissen über die Wirkung von Hormonen (z.B. irrationales Verliebtsein, allmonatlich kurzzeitig wiederkehrendes Verlangen vieler Frauen nach einem verwegenen starken Draufgängertypen, während zuhause der kinderliebe treusorgende Vorzeige-Papi den Haushalt schmeißt. All denen, die hier nun die Nase rümpfen, möchte ich diesbezüglich wärmstens die Lektüre von Prof. Manfred Hassebrauck ans Herz legen).
Ich möchte behaupten, dass zu Beginn einer
Liebesbeziehung jeder Mensch monogam lebt. Ist auch völlig normal, die Gedanken drehen sich ausschließlich um die geliebte Person, Reize von ausserhalb finden einfach keinen Nährboden.
Anders sieht es oft aus, wenn die Beziehung viele Jahre besteht.
Erfahrungswerte kann ich nur von mir selbst einbringen. Es mag Menschen geben, die auch nach vielen Jahren exklusiver Fokussierung auf den eigenen Partner immernoch die gleiche sexuelle Anziehung empfinden wie anfangs. Sie behaupten es zumindest.
Ich kenne persönlich niemanden. Mich eingeschlossen. In meinen
Liebesbeziehungen war meistens nach 3, maximal nach 5 Jahren die sexuelle Anziehung so weit abgekühlt, dass ich für Reize von anderen empfänglich war. Damit war dann auch leider meistens der Startschuss zum Scheitern der Beziehung gefallen, denn lange durchgehalten habe ich diese Enthaltsamkeit nie. Ich habe den sexuellen "Fehltritt" im Anschluss gebeichtet und meistens nahm das Drama daraufhin seinen Lauf.
Heute lebe ich in einer Ehe, die von Beginn an sehr turbulent war. Ja, wir hatten guten Sex. Er war kein Kind von Traurigkeit, ich auch nicht. Wir hatten jeder ein halbes Dutzend "Leichen im Keller" und haben viele dieser Dinge erst nach dem Heiratsantrag offen besprochen. Er hat mir von Beginn an die Möglichkeit gegeben, meinen Wünschen nachzugehen. Aus der tiefen Überzeugung heraus, dass ich den Wert unserer Beziehung zu schätzen weiss und eigeninitiativ das schütze, was mir lieb ist.
Und das ist heute noch so. Unser Sexleben ist nicht mehr so wie früher, dennoch sind wir uns des Wertes unserer bedingungslosen Zuneigung bewusst. Wir erwarten vom anderen nicht die absolute sexuelle Treue, möchten aber auch nicht Teil des jeweiligen Abenteuers sein. Wir reden nicht darüber, wenn es passiert ist. Ganz einfach um der Person ausserhalb unseres Mikrokosmos kein "Gesicht" zu geben. Meines Erachtens nach gehört zum Gelingen eines solchen Beziehungsmodells tiefes Vertrauen zum Partner, das Bewusstsein über den Wert der Partnerschaft und eine positive Grundeinstellung:
Der Mann kommt nach Hause und bringt der Frau Blumen mit.
1. Sie denkt "er hat etwas ausgefressen, bestimmt will er sein Gewissen beruhigen! Da ist etwas im Busch!" Sie wird zermürbt von negativen Gefühlen und reagiert entsprechend.
2. Sie denkt "Oh wie wunderschön! Er liebt mich! Er hat auf dem Weg nach Hause an mich gedacht und möchte mir seine Zuneigung zeigen!" Ihr wird warm ums Herz und sie ist glücklich und zeigt es ihm.
Ein und die selbe Handlung, zwei gegensätzliche Outputs, einzig und allein abhängig von der vorab gegebenen inneren Einstellung. So ist es m.E. auch im oben genannten Thema. Wer den anderen um seinet / ihret Willen liebt und eine gefestigte positive Einstellung zu seiner / ihrer Liebe hat, fühlt sich nicht negativ berührt, wenn der Partner einem Grundbedürfnis nachkommt, welches die eigene Person in diesem Moment ausschließt.
Ob dieses Erlebnis dann im Anschluss in der Partnerschaft "analysiert" wird, ist Teil der Persönlichkeit der beiden. Für mich käme es nicht in Frage. Mein Mann ist für mich der, den ich kenne und liebe. Wenn er sich mit einer anderen Frau beim Pet-Play erfreut, möchte ich davon nichts wissen.
Jeder Mensch hat seine eigenen Facetten bezogen auf sein jeweiliges Umfeld. Ich gehe mit meiner Mutter anders um als mit meiner Freundin, als mit meinem Chef, meiner Oma, Schwiegermutter oder eben mit meinem Partner. Der einzige Mensch, der restlos alles von mir weiß, bin ich selbst. Und die Menschen, die heute noch gerne mit mir zusammen sind, sind die, die das schätzen, was wir gemeinsam haben.