Der Vorteil unserer eigenen Entwicklung ist natürlich auch der Lauf der Zeit und wie die Gesellschaft sich insgesamt verändert.
Wir haben die Chance, von allem
das Beste mitzunehmen. Dinge zu hinterfragen, Verhaltensweisen kritisch zu betrachten oder auch zu verändern.
Meine Eltern zB. waren in einem sehr strengen, eigens kreierten und auferlegten Korsett aus
das macht man nicht, das tut man nicht, was sollen denn die Leute denken zeitlebens gefangen. Meine Mutter, inzwischen kurz vor 80, kann selbst unter größten Anstrengungen nicht mehr aus ihrer Haut und ich bekomme täglich auf dem Silbertablett serviert, wie Menschen sich das Leben selber schwer machen können.
Dennoch habe ich von meinen Eltern viele Dinge geerbt, teilweise lache ich über sie (die kleinen Ticks), aber an manchen Stellen mache ich viel, um eben genau nicht so zu sein/werden wie meine Eltern
In unserer Familie zB. wurden die Frühstückseier seit je her geköpft. Mit dem Messer. Wenn man Glück hatte und Eidotter auch im
Kippchen (das obere Stück vom Ei) war, dann hat man das mit ausgelöffelt, wenn nur Eiweiß ohne Gelb drin war, wurde das Kippchen auch schon mal liegen gelassen, insbesondere dann, wenn das Eiweiß noch glibberig war. Jedoch immer: wenn das Ei ausgelöffelt war, wurde das Kippchen mit Schwung in das leere Unterteil gedonnert. Es gab keine freilaufenden, oberen Eierhälften auf unserem Frühstückstisch
Mein Vater kaufte immer besonders kross und somit etwas dunkler gebackene Brötchen in der Bäckerei, das mache ich auch heute und insgesamt hat er mir seine Begeisterung für gutes Essen und Lebensmittel vermacht.
Meine Mutter ist für meine ausgeprägte Ungeduld zuständig genau so wie eine sehr spezielle Art, mit Konfliktsituationen umzugehen. Ich arbeite viel daran, weil dieses Verhalten so nicht geht. Aber man hat es zu Hause so vorgelebt bekommen und das prägt nun mal.
Moral, speziell die Sexuelle, war Mitte der 70er, Anfang der 80er, mit Sicherheit in einer deutschen Mittelstandsfamilie etwas anders angelegt als das, was wir hier heute so frisch-fröhlich-frei ausvögeln
Das fiel mir extrem leicht, trotz fehlender elterlicher sexueller Aufklärung meine eigene Definition von sexueller Moral und Toleranz zu erschaffen. Da hat der JOYclub das bestehende Grundgerüst in den letzten Jahren sehr sinnvoll ergänzt, aber das ist eine andere Story.
So Vieles haben wir von unseren Eltern mitbekommen. Ob es uns lieb ist oder nicht. Es ist an uns, die guten Dinge zu kultivieren und fort zu führen und den weniger guten ein Schnippchen zu schlagen
https://www.zeit.de/2006/29/B-Logik-Interview