Eine neue Grundsatzfrage: Sind entsorgende Mütter "böse"?
So, ich möchte doch mal in dieser Diskussion, die seit einiger Zeit sehr erfreulich verläuft, mal eine neue Öffnung versuchen. Es ist ja von einigen Beiträgerinnen, die - gelinde gesagt - es doch sehr stört, dass Väter unbedingt ihre Kinder sehen wollen, der Vorwurf gemacht worden, mütterfeindlich zu sein oder Mütterhetze zu betreiben. Auch wenn diese Wahrnehmung zum Teil doch dem eigenen Unvermögen dieser Frauen geschuldet ist, doch mal von sich abzusehen, und zu erkennen, dass es nicht um sie, sondern um die Kinder geht, kann man die Frage doch mal aufgreifen: Was geht eigentlich in solchen Mütter vor?
Sicher handeln solche Mütter "böse" und sie mögen auch in vielen Fällen von Rachebedürfnisse getrieben sein. Aber man kann doch eigentlich auch voraussetzen, dass in ihnen doch eine gewisse Liebe zu ihren Kindern besteht. Wenn wir mal augustinisch annehmen, dass das Böse zwar existiert, aber das Böse nur die Abwesenheit des Guten ist, in dem Fall die Abwesenheit der Liebe zu ihren Kindern, könnte man doch mal fragen, was es eigentlich ist, was in diesen Fällen zu der Abwesenheit ihrer Liebe führt.
Abgesehen von den genannten Motiven habe ich schon mal einen Grund genannt: diese Mütter haben selbst ein eher negativ geprägte Vaterverhältnis. Deswegen ssind sie außerstande, in ihren verabscheuungswürdigen Ex-Partner "gute Väter" für ihre Kinder sehen zu können.
Über weitere Gründe gibt Helmuth Figdor in seinem Buch "Kinder aus geschiedenen Ehen", das ich hier schon mal über den Klee gelobt habe, weitere Auskünfte, und ich möchte mir erlauben, daraus auszugsweise zu zitieren, weil ich glaube, dass dies der Diskussion noch etwas mehr Substanz geben kann:
Figdor nennt als eine Ursache die
Fortdauer aggressiver Gefühle gegenüber dem Ex-Partner. Darüber haben wir uns ja schon ausgelassen. Aber dieser Grund ist interessant: Mütter neigen dazu, sich besonders als verantwortliche Übermutter zu gerieren, um eigene Schuldgefühle zu kompensieren, als Mutter versagt zu haben.
"Als Frau hat sie versagt und/oder Unglück gehabt. Was ihr jedoch geblieben ist und wo sich auch weiterhin Chancen der Selbstbestätigung ergeben, ist ihre Rolle als Mutter (S.170)
Ein weiterer Grund: Die Angst, das Kind an den Ex-Partner zu verlieren:
"Die Liebe des Kindes zum geschiedenen Partner tut weh und macht Angst".
Agressionen gegenüber dem Ex-Partner und die Angst, das Kind an den Partner zu verlieren
verdichten sich in der Unfähigkeit, der fortgesetzten Liebe des Kindes zum anderen Elternteil ohne Gefühle der Kränkung, Eifersucht und Wut zu begegnen, geschweige denn, sie offen zu bejahen und zu fördern. Und sie bringen die Eltern dazu, um die Loyalität uund letzten Endes auch um die "Exclusivität" der Liebesgefühle der Kinder zu kämpfen. Dabei erscheint die gute und intensive Beziehung zum anderen Elternteil als beständige Gefahr, die daher ausgeschaltet und behindert werden muß" (...) Vor sich selbst vermögen (diese Elternteile) das Bild des kooperationswilligen, verantwortlichen Elternteil aufrechtzuerhalten, während alle Schuld am Fehlschlagen der Kooperation auf den anderen geschoben wird (S. 165)
Es war ja hier schon die Rede davon, dass diese entsorgenden Mütter sich selber schaden. Das bestätigt Figdor:
"Was diese Eltern freilich nicht wissen, ist, dass sie mit diesem Kampf die größten Feinde ihrer Interessen sind."
Und warum? Weil zum einem das Kind, das den anderen Elternteil nicht sieht, neigt, diesen zu idealisieren. Der böse Vater wird in der Vorstellung zum idealen und guten Vater. Und der vielleicht wichtiger Grund ist: dass zwar, wenn der unliebsame Elternteil ausgeschaltet ist, die Beziehung zwischen Mutter und Kind enger wird, aber eben auch "ambivalenter". Und
desto ambivalenter, desto aggressiver angereichert wir die Beziehung zu dem Elternteil, mit dem es lebt.
Dazu schreibt Figdor noch:
Relativ isolierte Beziehungen zwischen alleinerziehenden Müttern und ihren Kindern, vor allem wenn nur ein Kind da ist, haben häufig einen offen sado-masochistischen Charakter. Mutter und Kind fühlen sich existentiell aufeinander angewiesen und bekämpfen und quälen einander, wo und wann immer es geht". (S. 165)
Ich könnte noch seitenlang aus diesem wertvollen und klugen Buch zitieren, aber ich höre hier mal auf. Was aus den Auszügen aber vielleicht schon als Botschaft mitgenommen werden kann, ist:
Wie sinnlos es ist, diesen Kampf um das Kind als Kulturkampf zwischen Männern und Frauen zu führen. Es verfestigt die Fronten. Die Forderung an die Mütter bleibt bestehen: Sie müssen eine Bindungstoleranz erreichen, die es ihren Kinden ermöglicht, eine freie und offene Beziehung zu ihrem Vater leben zu können.
Diese Bindungstoleranz erreicht man aber weder mit moralischen Appellen noch moralischen Vorwürfen. Das "Böse" muss in der Therapie exorziert werden.
Womit ich wieder bei meiner "Lieblingsidee" einer Zwangstherapie bin, die, so viel ich weiß, auch Figdor zum ersten Mal offen vertreten hat - als letztes Mittel vor dem Entzug des Sorgerechts für die Mütter. Denn ohne diese Drohung gäbe es ja auch keinen Zwang