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Aus dem Tagebuch eines Sanis

Aus dem Tagebuch eines Sanis
Sie sieht mich nicht, vielleicht nimmt sie auch einfach keinerlei Notiz von mir, als ich etwas abseits von ihr an der Zeltwand stehe und in kräftigen Zügen eine Selbstgedrehte aus starkem türkischen Tabak inhaliere, um meine Nerven zu beruhigen und alles um mich herum nach Möglichkeit zu vergessen.
Ich schaue ihr zu, wie sie ihre Habseligkeiten unter dem hellen Mond auf der staubigen Erde um sich schart und sich selbst in eine Decke aus buntem, jetzt in unterschiedlichen Grautönen schimmernden, Kattun wickelt und sich auf den nackten Boden irgendwie bettet, um etwas Schlaf zu finden - so wie sie es jede Nacht macht, jede Nacht irgendwo anders macht, seit man sie in die Fremde vertrieben hat.
Tatsächlich ruht sie in wenigen Augenblicken in tiefer Verbundenheit mit der Erde, ein Gefäß aus Schlaf, ihre schlanken Hände, die immer wieder leicht zittern, auf der Decke, ein zusammengerolltes Blatt, in dem sich das Mondlicht krümmt.
Ich will nicht wissen, was sie träumt: Ihre Gedanken vermutlich in der Heimat, noch im alten Leben, in den Zimmern des Hauses, dort wo Geborgenheit und Stille stets Gäste waren; Gedanken an das eigene Bett, das sie warm hielt; ein Bad mit fließendem Wasser - Gedanken aber auch an ihren Mann vermutlich, den sie irgendwo namenlos verscharrt hatten ...

Sie liegt da, allein unter Hunderten, vielleicht sogar mittlerweile Tausenden, nirgendwo Rauch von heimeligen Feuern, nirgendwo Gesänge von Behaglichkeit und Vertrautheit, nirgendwo der vermeintliche Abenteuerdunst von Grillaktivitäten in der Freizeit - Lagerfeuerromantik ist nur ein Luxus für Sesshaft im Frieden ... Hier wird gefroren, gehungert und gedürstet - nach allem.
Sie liegt da, wie verloren unter den Flüchtlingen, vor allem dem Gestrüpp fremder Männer, die schwer atmend mit der Brust auf dem Boden schlafen, als hätte man sie mit Gewalt aus einer Höhe hinabgestürzt und einfach liegen lassen.
Ihr Haar kann nicht mehr von Vorübergehenden zertreten werden, denn sie hatten es ihr zur Stigmatisierung kurz geschoren und die Reste hingen ihr in wilden Fransen vom Kopf - zum Bedecken wurde ihr freilich nichts gelassen.
Da liegt sie, eng auf eng mit unwirklich gewordenen Gliedern von anderen, abgeschlagenen Baumzweigen gleich, gefällten Bäumen gleich, alle verbunden in Träumen, wo ihre Seelen noch in den alten Stätten der Heimat weilen, während ihre Körper immer wieder hochschrecken, schon wieder auf der Flucht sind, immer weiter, immer weiter, keine Ahnung wohin ...

Zum Glück sieht sie mich nicht, denn würde sie mich sehen, wie ich sie unentwegt anstarre, hielte sie mich für einen von denen, die gekommen sind, ihr den Rest ihres Lebens zu vergiften ... in der Wärme eines geheizten Lazarettzeltes, mit allerlei Leckereien von Süßigkeiten bis Alkohol, ihr den letzten Rest Würde zu nehmen ...
Ich kann ihr nichts geben, selbst wenn ich wollte, ein Soldat bin ich, dem es vielleicht bestimmt ist, gerade hier zu sterben wie ihr vermutlich auch ... und dennoch immer noch besser dran ist sie.

Aber ich kann meine Augen nicht vor ihr verschließen. Ich sehe ihre geflickte Pluderhose, die entrückte, vornehme Blässe ihres Gesichts, ihre zarte, hohe Stirn, das Gewicht ihrer schweren Lippen, sehe ihren Mund, der, als wollte er zu mir sprechen, im Schlaf vibriert.
Ich sehe - ein peinlicher Gedanke trotz allem - ihre vollen Brüste, nach denen es mich verlangt - ihre Brüste, die hier dem Hunger und/oder der Verwesung geopfert werden; sehe ihre biegsame, schlanke Gestalt, die ich mit behutsamer, eingebildeter Liebe umschließe.
Ich sehe sie voller Inbrunst, wie sie selbst noch im Schlaf sich an ihr Bündel klammert, das sie mitnehmen möchte in ein anderes Leben. Noch immer gläubig, noch immer voller Hoffnung.

Noch immer gläubig, noch immer voller Hoffnung nehme ich ihr Bild mit mir hinein in das Zelt, unter die frohe Geschäftigkeit der Soldaten, die Gemeinschaft der Kameraden ... aber ich nehme ihr Bild sogar bis jetzt mit in meine westlichen - friedlichen - Tage, in die Arbeit, in den Alltag, in die Schönheit des Lebens und der Welt, trotz allem - weil ich mich weiter schuldig fühle, weil ich nichts ändern kann, weil ich nichts für sie und all die anderen tun kann ... was nutzt es da schon, wenn ich ihr Bild nie vergessen werde!? Wie billig ist dieses mein Gefühl!?
*******n69 Mann
6.729 Beiträge
Ein ergreifender Text eines fühlenden Menschen. Es ist ein ganz großes Problem. Es kommen zu viele auf einmal und die Aufklärung darüber geschieht zu wenig wie das zu schaffen ist.
********t_64 Frau
3.250 Beiträge
Genial...erstklassig...deine Geschichte hat mich tief berührt...es scheint sie basiert auf affin Erlebtes...
...lese gern von dir...meisterhaft.. *hutab*
*********leen Frau
288 Beiträge
In bewegenden Bildern und erschauernden messerscharfen Sätzen entfaltet Rainbow eine ganze Welt, eine den meisten wohl Unbekannte. Es ist seine kaum zu überbietende Sensibilität gepaart mit einem aussergewöhnlichen Sprachempfinden, welches uns ermöglicht, diese Momentaufnahme fast als nahgefühltes Erlebnis nachzuempfinden. Mitreissend, in der Tat.
******wen Frau
15.752 Beiträge
Sehr bewegend und emotional geschrieben. In Gedanken steht man selber im Zelt und blickt auf dieses Bündel Mensch herab, und das Herz verkrampft sich. Selten berühren mich Texte so wie dieser.
Nur ganz wenige von uns können wirklich nachempfinden, was diese Menschen durchleben.
Allzu leicht -aber auch menschlich verständlich- sind wir geneigt, wegzuschauen und diese fürchterlichen Bilder zu verdrängen. Aber sie existieren. Sie sind da, hier, mitten unter uns.

Die Betroffenen müssen damit leben, und sie können nicht vergessen. So wie Du, lieber @********nerd.

Jeder, der deine Zeilen liest, wird in sich gehen, nachdenken und sich wiederfinden in einer Welt des Schreckens und der bitteren Wahrheit.

Danke fürs Teilen dieser einzigartigen, erschütternden Eindrücke.

Tom (the Sun)
*****ssA Frau
2.331 Beiträge
Was für ein starker Text! Hat mich sehr berührt...danke!
C wie Chloroquin und Corona

Die Oase ist grün, mit saftigen Weiden für Schafe. Ausgelassene Kameraden braten unter Bäumen mit nackten Oberkörpern, aber immer noch umgeschnallten Famas, Lämmer. Ich lehne an einem Olivenbaum und beobachte das Licht durch das Gestrüpp der Blätter scheinen, sehe, wie es sich immer wieder im sachten Wind ändert, gleichsam spielt, tanzt. Seit dem kühlen Morgen streife ich in der hellen Sonne umher, der Himmel ist hoch und der Krieg fern.
Weiter weg, wo die Gegend ansteigt, liegt Aleppo, unser baldiges Ziel. Von dort soll es nach Hause gehen. Aber wo ist das? Wenn man nirgends dazugehört, weder durch empfangenes Blut, geschweige denn durch vergossenes ...
Voll der Hoffnung für ein kommendes Leben sind wir. Mit Freude verzeichnet jeder in seiner inneren Bilanz das Auftauchen eines jeden neuen Gegenstandes. Das plätschernde Wasser, Blumen, Früchte, den Regen. Grau-schwarze Wolken schieben sich beständig vor die Sonne, die es jedoch immer wieder schafft, durchzubrechen. Der Herbst fliegt uns über die Steppe aus Richtung Westen entgegen - wenn man so will, die grauen Haare Europas, das in Gleichgültigkeit und Wohlstand aufgedunsten und früh gealtert ist.

Die Bebauung reckt sich zuerst in den Farben der Wüste und des Sands auf, dann vor allem in weiß, die Fahrer drücken automatisch die Gaspedale stärker durch, bis wir den Flugplatz erreichen, der uns wieder mit der Welt verbindet.
Im Lager des Halbmonds, einer ehemaligen Schule, ist der Hof so sehr mit Flüchtlingen überwucherrt, dass sie drohen sich gegenseitig zu ersticken.
Wir wollen frisches Wasser im Brunnen schöpfen und holen als erstes die Leiche eines Babys aus der Tiefe des Schachts - wer und wie in der Wildnis der Menschen hier verschwindet, kümmert niemanden.

Bei Nacht gehe ich zum Quwaiq hinunter. In einer Mulde liegt ein Haufen übereinandergetürmter, bleicher Menschenskelette. Schädelknochen, an denen noch Haare kleben, der Brustkorb eines Kindes, wie eine Spange gebogen, zierlich, ein Becken.
Wieder überkommt mich dumpfe Verzweiflung und gnadenlose Wut, die mir Tränen in die Augen treiben - muss ich nicht besser alle Hoffnung aufgeben, alle Liebe vernichten, die mich jemals an das Leben und die Menschen gebunden haben?
Zauberhaft fließt aber der Fluss in seiner unbeeindruckten Einsamkeit - nur hie und da brechen von seinem Wasser unterspülte Erdschollen in ihn hinein, donnernd und grollend ... wie explodierende Granaten. Von allem verlassen, fühle ich mich wie der letzte Mensch.

Seuchen schleichen durch die Gassen mit den zerstörten Häusern. Zu allem Überfluß erkrankt Michel an Fleckfieber. Verflucht, wir haben kein Antibiotika mehr und aufzutreiben ist auch keines. Also bleibt nur noch Chloroquin.
Michel, der immer spottete "On va à mourir" und seine perlweißen Zähne bleckte; noch weiß ich nicht, ob er es schafft, denn ich erkranke auch daran.
Das Fieber steigt immer mehr, ich will nicht mehr daran zweifeln endlich zu sterben. Neugierig bin ich, was passieren wird und wie der Tod aussieht und ob's überhaupt weitergeht. Ich schreibe einen - letzten? - Brief an die Jungs, einen Abschiedsbrief, auch einen an die Geliebte in der Schweiz.
Das Fieber ist meine schönste Droge, ich spüre den großen Augenblick, der jedem früher oder später bevorsteht. So berauscht, ja, verzückt, bereite ich mich vor, mich mit dem All und allem wie in einer Hochzeit unauflöslich zu vermählen und zu vereinen ...

Wie also, frage ich, soll ich Leute in Corona-Zeiten achten, die Klopapier horten, oder zu Spenden für Swingerclubs aufrufen, um sich gleichsam über ihr Schicksal zu erheben?
Steppe. Vor dem Auge breitet sich ein Landstrich ohne einen einzigen Grashalm aus, ohne Bäume und Büsche, nirgends Vieh oder ein anderes Lebewesen, lediglich ein paar spärliche Wurzeln, wenig mickriges Kraut ... und vor allem: Ohne Menschen, die auch nur einen Schimmer Mitleid kennen.
Weite Ebenen sind grau, unfruchtbar und hart der Lehm dort auf vielen Quadratkilometern. Eine Einöde voll kahler Felsen und spitziger Steine. Dazu immer und überall die Glut einer unbarmherzigen Sonne - wie gesegnet im Vergleich dazu muss Sibieren sein!?
Im Herbst jedoch scheint der Regen nicht mehr aufhören zu wollen, die Folge: geschwollene Trockenflüsse mit gebrochenen Ufern.
Die Nächte wie der Winter kalt, frostig, eisig.
Wenige kleine Dörfer um Wasserlöcher mit Brunnen herum und rarem Grün, das kaum ausreicht eine Handvoll Hirten zu ernähren, die überdies jeden Fremden als Eindringling und willkommenes Freiwild betrachten.
Für diese Leute sollen wir den Frieden bringen und sind doch nur Okkupanten, Feinde, Ungläubige.

Hinter dem Paravent befindet sich ein Waschbecken. Da wäscht sich das Mädchen. Wenn ich will, kann sie die Trennwand wegstellen und ihr zugucken - das kostet aber extra?
• Danke, nein, heute nicht.
Ich genieße lieber noch ein paar Momente das weiche, hohe Bett mit dem raschelnden gestärkten Überzug, ziehe den betörenden Duft eines Sprays im Geschmack von blühenden Linden ein, verschränke meine Hände hinter dem Kopf, gebe mich der flüsternden Halbdunkelheit durch schmale Augenschlitze hin und träume vor mich hin.
Stattdessen stellen sich aber mit eiserner Unnachgiebigkeit die Erinnerungen ein - ist das etwa schon PTSD?

Wieder einmal befinde ich mich in dem schattenhaften Gewölbe unter der Erde. Es muss unter der Kirche sein, wo wir das Triptychon hinter dem Altar versteckt gefunden haben. Die Malerei war noch verstaubter als alles andere. Schutt, Glasscheiben, zertrümmertes Mobiliar, viele Papiere, vermutlich Dokumente mit arabischen Schriftzeichen, aber auch lateinische, zum Teil türkische, sogar slawische.
Vier bärtige Araber erheben sich gleichzeitig von einem Tisch und kommen auf mich zu. Ich kauere mit Kabelbindern gefesselt am Boden, Hände hinter dem Rücken, Fußknöchel überkreuz.
Aber sind es tatsächlich vier Männer? Oder ist es nicht ein einziges Ungeheuer mit acht Beinen, acht Armen, acht blitzenden Augen, 40 Fingern - das Grauen: Sie packen mich, stellen mich auf, stopfen mir einen ekelhaften, feuchten Knebel in den Mund und legen mich auf dem Bauch über den Tisch. Zwei Mann halten mich links und rechts an der Armen fest, die anderen zwei dreschen abwechselnd voller Wucht mit Viehgerten auf mich ein.

Im Training sagten sie, man soll bloß nicht den Helden spielen, sondern schon bei den ersten Schlägen brüllen, was man kann, damit die Peiniger von einem lassen.
Einer der Islamisten voller Hohn in gebrochenem Französisch zu mir: Hast du von deinem Vater nie eine Tracht Prügel bekommen!?
• Mein Vater und seine Geschichten. Einmal erzählte er mir, wie ein Mann durch einen morgenländischen Bazar ging. Die Werkstätten der Kupfer-, Gold- und Silberschmiede alle zur Straße hin offen. Der Mann hörte, wie das Kupfer unter den Schlägen der eiserenen Hämmer hell aufschrie. Die gleiche Klage beim Silber und beim Gold. Doch das wildeste und unerbittlichste Geschrei tobte in der Eisenschmiede. Da wollte der Mann wissen, warum ausgerechnet hier das Eisen am lautesten schrie? - Weil das Eisen sich selber schlägt, bekam er zur Antwort.
Ich brülle also auch unter den Schlägen, brülle und brülle und werde schnell ohnmächtig.

"Kurwa!" Entfährt es Janusz dem polnischen Aspirant, als ich zu mir komme und er grinst breit über sein ganzes Gesicht. Er kniet neben mir und hat mir eine Infusion gesetzt. Ich liege auf dem kalten Erdboden in einer Lache aus Schweiß, Blut, Tränen ... und Urin. Ich bin nackt.
"Dass du beschnitten bist, hat dir wahrscheinlich das Leben gerettet," behauptet er.

Die zunehmende Dunkelheit tanzt an der Decke, Schatten zittern im Schein der Kerzen. Das Rauschen und Plätschern am Waschbecken ist mittlerweile verebbt, ebenso der Redefluß des Mädchens, das wohl sowieso bloß das übliche Schwanz-Pussy-Geplapper war, um mich heiß zu machen.
Sie faltet jetzt den Paravent zusammen und stellt ihn in eine Nische zwischen Waschbecken und Fenster, dessen Holzläden schon geschlossen sind, seit ich in den Raum geführt worden bin. Während ich immer noch zur Decke starre, höre ich das verstohlene Rascheln von Halterlosen aus Seide, höre das leise Klatschen von Heels auf dem Boden - sonst unbekleidet tritt das Mädchen jetzt lächelnd an das Bett, bläst die Kerze auf dem Nachttischchen aus, die Decke hebt sich und die Federn des Betts stöhnen sacht auf.
Exakt solchen Sex brauche ich in diesem Moment: Die Rückkehr in den geschützten Bauch einer Mutter.
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