UNVERHOFFTE SEHNSUCHT
Und wieder wachte ich mit geschwollenen Augen auf, weil ich mich, wie so oft, in den letzten Tagen, in den Schlaf geweint habe. Hatte ich doch gerade alles, was ich brauchte. Einen tollen Job, meine Freunde, meine Freiheit und einen sehr verständnisvollen, einfühlsamen und offenen Partner. Von meinem Mann habe ich mich vor gut fünf Jahren getrennt, was ich als sehr positiv empfand, da wir uns mit der Zeit auseinander gelebt hatten. Bei meinen Kindern hingegen fiel ich beim Auszug in ein tiefes Loch. Ich glaube jede Mutter weiß, wovon ich spreche.
Ich habe mich einfach immer mehr in meine Arbeit verkrochen und wollte auch keinen Mann kennenlernen. Hatte ich doch viel zu große Angst davor, verletzt zu werden. Obwohl, einen heimlichen Schwarm hatte ich doch. Jason arbeitete schon einige Monate bei uns in der Firma, aber nicht direkt in meiner Abteilung, deshalb lief ich ihm nur selten, flüchtig im Flur, über den Weg. Er fiel auf. Ein großer und muskulöser Mann, der so gut roch. Außerdem ist er immer gut gekleidet, hat ein tolles Lächeln und erst seine Augen. Wenn Ihr nur seine dunkelbraunen Augen sehen könntet, wie sie funkeln, wenn er an mir vorbei läuft. Ich kann es nicht erklären, aber er war der Typ Mann für mich, der mich schwach werden ließ.
Bis er mich eines Tages einfach ansprach. Das ist mittlerweile schon fast ein Jahr her. Jason fragte mich ganz spontan, ob ich mit ihm einen Kaffee trinken würde? Ich wäre ihm schon länger aufgefallen und weil ich ihm lediglich zurücklächeln würde, wollte er jetzt endlich mehr über mich erfahren. Nie hätte ich seine Einladung angenommen, aber ich war wie hypnotisiert von seinen Worten und sagte nur: „Ja“. Ich konnte nur noch an seine großen braunen Augen denken.
Wir unterhielten uns über Gott und die Welt, als würden wir uns schon ewig kennen. Die Zeit verging wie im Flug und deshalb beschlossen wir spontan noch etwas Essen zu gehen. Es war Freitag und ich hatte nichts geplant.
Nicht nur der Fisch und mein Wein waren lecker, sondern auch Jason. Obwohl er mir von Anfang an offen erzählt hat, dass er keine feste Beziehung möchte, hing ich wie hypnotisiert an seinen vollen und sinnlichen Lippen. Ich spürte in mir dieses Verlangen. Ich war bereit für mehr. Viel zu lange war es schon her, dass ich fremde Haut berührte, küsste und meinen Gefühlen freien Lauf ließ.
Und plötzlich hörte ich mich ihn fragen, ob er mit zu mir kommen würde? Ich war erschrocken und stammelte nur noch irgendetwas wie, „das war nicht so gemeint“ und „das läge bestimmt am Wein“. Doch er reagierte völlig entspannt und sagte zu mir: „Keine Sorge, ich wollte dich auch fragen, aber jetzt bist du mir zuvorgekommen“. Wir bezahlten und liefen zu mir. Zum Glück wohnte ich nicht weit weg. Er fragte mich auf dem Weg allerdings noch einmal, ob es wirklich in Ordnung für mich sei, dass er nicht auf der Suche nach einer Beziehung wäre. „Alles ok“, sagte ich zu ihm und wollte nur noch wissen, wie er sich anfühlt, wie er schmecken würde und was passieren wird.
Zu Hause angekommen, fing er an mich zu Küssen, meinen Rücken zu streicheln und mir zärtlich in den Nacken zu beißen. Wir liebten uns und ich verlor die Kontrolle über meinen Körper und genoss jede seiner Berührungen.
Viel zu lange war es her, als ich mich so fallen lassen konnte.
Am nächsten Morgen erwachte ich überglücklich in seinen Armen und kuschelte mich ganz fest an ihn und küsste seine Stirn. Er schlug seine Augen auf und da war es wieder, was mich so verzaubert hat. Sein Lächeln und das funkeln in seinen Augen. Wir küssten und berührten uns leidenschaftlich. Und dann liebten wir uns erneut.
Es war schon gegen 11 Uhr, als wir endlich aus dem Bett kamen. Wir gingen duschen und konnten unsere Hände einfach nicht voneinander lassen.
Danach machte ich Frühstück und als wir uns so gegenüber saßen, war ich schon fast verlegen und konnte noch gar nicht realisieren, was passiert war.
Nach dem Frühstück ging er mit den Worten: „Es waren wunderschöne Stunden mit dir und ich würde mich freuen, wenn wir uns wiedersehen“. Seitdem trafen wir uns regelmäßig. Ich hätte ihn schon gern öfter gesehen, aber so war der Deal.
Alles lief perfekt, ich konnte weiterhin alles machen, wie bisher und wenn wir uns trafen, genossen wir die gemeinsame Zeit. Aber nicht nur sexuell gesehen, nein, wir gingen spazieren, kochten gemeinsam und taten das, worauf wir gerade Lust hatten. Bis er mich eines Abends darauf ansprach, ob ich mit ihm in einen Club gehen würde. „In welchen Club“ fragte ich? Er erzählte mir von einer Plattform Namens Joy und dass er schon lange dort angemeldet sei und man sich dort mit anderen treffen könnte. Je nachdem, was man sucht. Joy hätte ihm ermöglicht, seine Sexualität mit anderen Mitgliedern neu zu entdecken. Auf eine offene und ehrliche Art und Weise. Es würde von vornherein zu sehen sein, was jeder dort sucht. Ob Treffen zu zweit, zu dritt oder zum Partnertausch. Manche suchten auch nach Mitgliedern, zum gemeinsamen Ausleben ihrer Vorlieben und Neigungen. Aber man könnte dort auch sehen, wo, wann und vor allem was für Swingerpartys stattfinden. Alles auf dieser Plattform ist möglich und alle können zu jeder Zeit entscheiden, wo die Reise hin geht und vor allem wie weit sie gehen soll.
Er hat dort schon viele Frauen und auch Paare kennengelernt und spielte schon lange mit dem Gedanken auf eine Party zu gehen, selbst zu erleben, wovon ihm schon so viele erzählt haben. Am Liebsten mit mir.
Ich hörte seine Worte und verschlang sie förmlich. Wir trafen uns mittlerweile seit 6 Monaten und ich vertraute ihm. War er ja immer offen und ehrlich zu mir gewesen. Und ganz unter uns, so mancher Bericht, der von Swingern handelte, hat mich schon länger interessiert, machte neugierig und ich würde gern mehr darüber erfahren. Also sagte ich zu. Wusste ja, dass Jason bei mir war.
Nur noch wenige Stunden. Ich platzte fast vor Neugier, obwohl ich auch Angst vor dem Unbekannten hatte.
Zu spät, Jason klingelte bereits an der Tür. Ein Mann mit schwarzer Hose und weißem Hemd ließ uns herein und alles schien so unwirklich. Wir zogen uns um und gingen in Richtung Bar, wurden aber schon davor ganz herzlich mit einem Glas Sekt begrüßt. Ein Stammgast zeigte uns gleich alle Räume und erklärte auch, welche Regeln einzuhalten seien. Dass ein NEIN auch ein NEIN bleibt und dass jeder selbst entscheiden könnte, worauf er Lust hat und vor allem mit wem er was tun möchte. An diesem Abend genossen wir aber nur zu zweit die Atmosphäre und das Ambiente. Für mehr war ich noch nicht bereit. Was sich aber noch ändern sollte. Denn in den darauffolgenden Monaten erlebte ich dort so einiges mehr. Was mich völlig veränderte. Aber nur zum Positiven.
Ich hatte Jason nicht für mich alleine, aber immer wenn er bei mir war, hatte ich das Gefühl, er wäre nie weg gewesen. Ich würde unsere Beziehung so beschreiben. Wir gehen zusammen Essen, ins Kino, zum Tanzen, fahren gemeinsam Rad, einfach alles, was andere Paare auch tun. Nur mit dem Unterschied, dass wir unsere Sexualität etwas anders ausleben. Heute würde man es „offene Beziehung“ nennen. Ich bin Jason so dankbar, dass er mit mir diesen Weg gegangen ist. Wir haben eine viel engere und gleichzeitig offenere Beziehung, als ich es mir je hätte vorstellen können. Wir genießen gemeinsam eine besondere Leidenschaft und das verbindet uns noch mehr. Eifersucht kennen wir nicht, teilen wir ja alles miteinander und sind uns der Liebe des anderen sicher.
Alles schien Perfekt! Und dann kam Corona und keiner wusste, was wirklich passiert ist. Plötzlich gab es Ausgangsbeschränkungen und niemand durfte sich mehr mit anderen treffen. Viele waren im Homeoffice. So wie ich auch. Seit sechs Tagen hatte ich die Wohnung nicht mehr verlassen und Jason schon über zwei Wochen nicht mehr gesehen. Er war schon einige Tage zuvor erkrankt, deshalb beschlossen wir auch, uns erst mal nicht zu sehen. Wir wollten auf Nummer sichergehen.
Mich macht diese Situation traurig und wütend zu gleich, machtlos und lässt mich langsam verzweifeln. Er fehlt mir so. Seine Hände, die mich nicht nur zärtlich streicheln, sondern auch von einem Orgasmus zum nächsten bringen konnten. Seine Ausdauer und seine Leidenschaft, der ich mich nur zu gern hingab.
Wir versuchen aber, einmal am Tag miteinander zu telefonieren, dann hauchen wir uns erotische Phantasien ins Handy oder wir erzählen uns von besonders heißen Erlebnissen. Wenn ich es dann nicht mehr aushalte, nehme ich meinen Magic Wand zur Hilfe und befriedige mich selbst. Er ist das einzige Vergnügen, was mir noch geblieben ist.
Zum Glück bin ich seit dieser Woche auch im Joy Club angemeldet und habe jetzt ein eigenes Profil. Dort gibt es viele verschiedene Gruppen, wo man eintreten und mit Gleichgesinnten schreiben kann. Wie zum Beispiel „Zwei Männer und eine Frau“, „Die zweite Frau“, „BDSM“, „Gruppensex“, aber auch Themen wie „Massagen“, „Bücherecke“, „Handwerker“, „Alleinerziehende“.... Eigentlich findet man dort für jeden was. Ich mag zum Beispiel das Forum besonders. Besteht es doch aus vielen verschiedenen aktuellen Themen und Beiträgen, die mich sehr interessieren. Manchmal kann man dort auch an Gewinnspielen oder Umfragen teilnehmen. Mit Joy Club und anderen Plattformen, kann man ab und zu aus der Einsamkeit entfliehen.
Aber spätestens, wenn ich schlafen gehe, kommt es. Das Verlangen nach Jason, aber auch nach fremder Haut und dann fließen meine Tränen. Bis ich mich in den Schlaf geweint habe. Schon viel zu lange ist es her, dass ich meine neu entdeckte Sexualität ausleben konnte.
Habe mich auch anders versucht abzulenken, es funktioniert nichts. Egal ob ich mich, in meine Arbeit stürze, meine Wohnung und meinen Garten auf den Kopf stelle oder viel mit Freunden schreibe und telefoniere, ich denke nur noch an Jason und an die Welt, die ich doch gerade erst neu entdeckt habe.
Wenn sich nicht bald etwas ändert, dreh ich wirklich durch. Ich frag mich nur, wie es die anderen schaffen?
Xenia M.