Wie findet ihr für euch heraus, wo die Grenze zwischen angenehm-luststeigerndem und unangenehm-abtörnendem Schmerz verläuft?
Mich hat schon sehr früh in meinen Fantasien gereizt, geschlagen zu werden. Sex sollte für mich immer vielseitig sein - von sanft bis hart. Ich habe mich allerdings nicht als masochistisch eingeschätzt.
Am Beginn meines Wegs im BDSM stand zuerst das gefesselt und ausgeliefert sein in Verbindung mit ein paar "Klapsen" mit der Hand, härterem Zufassen am Körper und in den Haaren. Nach und nach haben wir ausprobiert, was uns spannend erschien: Klammern, Wachs, diverse Schlaginstrumente, E-Stim.
Mein Schmerzempfinden ist tagesform-abhängig, körperlich und geistig. Kann ich mich geistig voll auf das Setting einlassen, können wir vorher und am Beginn der Session eine "Welt" kreieren, in die ich ganz eintauchen kann, kann ich mich ganz dem Schmerz hingeben. Falls in der Session alle "Rahmenbedingungen" passen, die Geräusche, die verbale und nonverbale Kommunikation, der Rhythmus der Schläge, kann ich durch den Schmerz in eine tiefe Meditation kommen. Ob der Schmerz dabei dunkel (Paddel, Flogger) oder hell (Gerte, Peitsche, Rohrstock) ist, ist unerheblich.
Für mich gibt es keinen abtörnenden Schmerz, ich unterscheide in sexuell direkt stimulierenden Schmerz, meditativen Schmerz und Schmerz, den ich für ihn in unserem Machtgefälle aushalte, weil es ihm Spaß macht und ich ihm damit eine Freude mache. Der Meditations- und der Aushalte-Schmerz haben zwar keinen Wirkung auf meine Erregung, bringen mir aber meine "Kopf-Orgasmen". Ich bin hinterher genauso zufrieden wie nach beglückendem Sex. Ich weiß heute, dass ich masochistisch bin.
Im Endeffekt haben wir das durch Versuch und Irrtum herausgefunden und tun das jedesmal aufs Neue. Keine Session gleich der anderen. Und das Instrument, das mich gestern zum Fliegen brachte, bringt mich heute vielleicht nur zum Fluchen.
Wie sieht bei euch die gemeinsame körperliche und emotionale Nachsorge aus?
Ich brauche hinterher Ruhe und Geborgenheit. Wir liegen zusammen und kuscheln, küssen uns, sind sehr zärtlich miteinander, geben uns Nähe und Wärme. "Manöverkritik" kommt oft erst nach Tagen, wenn der Rausch der Hormone abgebaut ist und ich vernünftig darüber nachdenken konnte. Ich schreibe dann auf, was mich bewegt, und lasse es ihn lesen. Das Schreiben hat für mich den Nebeneffekt, dass ich mich rational damit befassen muss und nicht nur emotional alles aus mir "heraussprudelt". So lerne ich mich besser kennen und er weiß mich besser einzuschätzen.
Und wie geht ihr mit ungewollten Verletzungen um?
Außer ein paar offenen Striemen und ein paar länger andauernden Blutergüssen hatte ich noch keine Verletzungen. Wir reden darüber und haken es als Unfall ab. "Wo gehobelt wird, fallen Späne." Dieses Risiko besteht immer.
Schlimmer fand ich ein oder zwei Situationen, die nicht sehr schmerlastig, aber dafür für mich seelisch belastend waren. Diese haben uns lange beschäftigt und mehrere Gespräche erfordert.
Wichtig finde ich, dass ich in all meinen Gedanken ernst genommen werde, dass wir einander zuhören können und miteinander reden können. So können in meinen Augen ungewollte Verletzungen jeder Art heilen.