Mein naturwissenschaftlicher Erkenntnisstand erlaubt es mir nicht, eine Erklärung für den unterstellten Einfluss der Sternkonstellation während der Geburt auf die spätere Psyche zu entdecken. Sollen minimale Gravitationsunterschiede, kosmische Strahlung oder Energiefelder den Hormonhaushalt während der jahrelangen Entwicklung des Gehirns beeinflussen? Und dabei alle anderen Einflussfaktoren dominant überlagern, so dass daraus später eine Klumpung bestimmter Charaktereigenschaften sichtbar würde?
Aber meine wissenschaftlich logisch geprägte Herangehensweise warnt mich auch: Bloß weil ich es nicht verstehe, muß es nicht falsch sein
Wenn es eine tatsächliche Häufung gibt, dann kann man die statistisch erkennen - auch ohne Erklärung können. "Statistisch" abgesichert bedeutet aber nicht "meine Kollegin ist auch Waage und deren Freund ist Widder" !!!!!! Sondern, dass es bei einer sehr großen Menge eindeutige Tendenzen gibt.
Die dänische Universität Aarhus hat 2006 15.000 Menschen zu diesem Zusammenhang befragt (was unter Statistikern als "sehr gut abgesichert" gilt) und zwei Ergebnisse gefunden. 1. Es lässt sich kein Zusammenhang zwischen Sternzeichen und Charaktereigenschaften nachweisen - außer 2. wenn man nur die Menschen betrachtet, die an einen Zusammenhang glauben.
Mögliche Erklärung: Die "Gläubigen" richten sich in ihrem Verhalten nach der Prognose.
Und damit bin ich bei meinem Problem: Ich bin davon überzeugt, dass die Psyche des Menschen lebenslang veränderlich ist. Sie wird in der Kindheit durch frühe Erfahrung entscheidend geprägt, z. B. führen traumatische Enttäuschungen zu Vertrauensverlust; regelmäßige Unterstützung hingegen stärkt das Selbstvertrauen. Im weiteren Lebenslauf kann diese Grunddisposition durch weitere Erfahrung bestätigt und verstärkt werden - oder aber durch gegenläufige Erfahrung verändert werden.
Wer extrem misstrauisch ist und ständig ängstlich nach Gründen für eine Enttäuschung sucht, wird diese vermutlich auch finden. Und darüber leicht vergessen, welche Beiträge er leisten könnte, diese selbsterfüllende Prophezeiung nicht wirksam werden zu lassen, indem er/sie zb rechtzeitig das offene Gespräch mit seinem Partner sucht.
Der Glaube an Vorbestimmung in jeglicher Form ist danach ein Hindernis in der lebenslangen Entwicklung eines Menschen. Er bremst den Mut, die Gründe für eigene Eigenschaften zu entdecken. Bin ich als im August geborener "eine pingelige Jungfrau" oder nur deswegen, weil meine Mutter mich mich bei jeder Nachlässigkeit getriezt hat? Bin ich ein "rebellischer Widder" oder protestiere ich auch noch als Erwachsener unbewusst und etwas hilflos gegen meinen strengen Vater und seine nie zu erfüllenden Erwartungen?
Er wertet das Potential meiner Entwicklungsmöglichkeiten ab: Warum und wie soll ich meine sexuelle Untreue oder berufliche Nachlässigkeit denn in den Griff kriegen, wenn es mir doch von den Sternen quasi in die Wiege gelegt wurde?
Und er bringt die Gefahr mit, dass ich mein charakterlich komplexes Gegenüber vorschnell kategorisiere und mit selektiver Wahrnehmung nach jenen Eigenschaften scanne, die in einer Tabelle meiner Frauenzeitschrift vorhergesaqt wurden.
Ich selbst vertraue lieber meinen Sinnen, bleibe aufmerksam für eigene Fehleinschätzungen, bin bereit zu akzeptieren, dass der andere nicht "nach Schema F tickt" und dass er im Wechselspiel mit mir sich auch verändert.
Der feste Glaube an den Charakter prägenden Einfluss der Sterne ist für mich eine teilweise Weigerung, die Verantwortung für mein Denken und Handeln selbst zu übernehmen.
Starke religiöse Gläubigkeit und blindes Vertrauen in den heutigen Stand der Wissenschaft fallen in die gleiche Kategorie