Über die Liebe
Wenn du jahrelang mit einem Motorboot in einen klaren See hinaus fährst, der einen felsigen Grund hat, lernst du die Fahrrinne fast wie im Schlaf kennen, die dich vom Steg ab, an großen und kleinen Steinen unter der Oberfläche vorbei, in sicheres, tiefes Wasser führt. Dort beginnt das Vergnügen, dessentwegen du elend weit den schweren Benzinkanister geschleppt hast. Nach dem Spaß kommen aber wieder die Steine. Je länger du das machst, desto weniger real sind die Steine für dich, weil du sie ja immer umfährst. Genau wie die Liebe. Ich rede niemals über Liebe und ich leiste auch keine Liebesschwüre. Ich habe Momente, die von mir Feingefühl erfordern. Was ich über Liebe weiß, ist keinen Dreizeiler wert. Vor vielen Jahren habe ich mal von einem Mittelkreis aus ein Tor geschossen. Das war Glück. So wäre es heute auch zu werten, würde ich einen Vorstoß wagen und dabei etwas Gescheites über die vermeintlich tiefste Verbindung zwischen Ihm und Ihr oder Ihr und Ihr oder wem auch immer zu wem überhaupt formulieren und dabei der Wahrheit auch nur nahe kommen. Ich weiß etwas über das Körperliche. Doch das ist eigentlich zu banal, als dass es eines ernsten und tiefgehenden Gespräches wert wäre. Keine jemals so gewonnene Erkenntnis, über feuchte Triebe und gedankenbefreites Ficken, hätte etwas Bleibendes wie all die feingoldenen Wohlklangworte, mit denen andere ihre angeschrammten, solitär stehenden Gusswannen liebesvoll machen.
Letztere haben ihren Platz, das bestreite ich nicht. Nur empfinde ich sie, aus dem Augenwinkel betrachtet, fast immer zu Postulaten verkommen, wiederholt umgekleidet, billig verschenkt, wie damals die Jungfräulichkeit von Nancy im Keller an den, der den Abzählreim gewonnen hatte. Es berührte mich, hatte es doch mit ihr und mir zu tun. Doch flogen keine Abermillionen feinfühleriger Aurorafalter nektartrunken von Süßgraswiesen auf und einer glutberänderten Juliabendsonne entgegen. Nein, das tun sie nie, würden sie auch nicht, falls da jemand noch Sehnsucht empfindet.
Über die Liebe weiß ich wirklich nichts zu sagen ...
m.brody
© 2016/2020
I. pflegt immer zu sagen, "Mach dir keinen Kopf, ist eh nur Chemie".