Wundersame Auswirkungen eines bestimmten Malt Whiskys (1)
Das Abendessen hat uns vorzüglich gemundet. Lucía ist nicht nur eine Meisterköchin, sondern weiß auch immer wieder aufs Neue, sich optisch sehr appetitlich in Szene zu setzen. Zu Tisch hatte sie sich umgezogen, trägt einen schwarzen, engen Stiftrock, dazu eine weiße Bluse. Ramón tupft sich mit der Stoffserviette schnöselhaft über die Lippen, schaut weder seine Frau noch mich an, wirkt arrogant und … erinnert mich an Leonardo di Caprio in „Django unchained“ auf Candyland. Ist es denn möglich? Und als Lucía gespielt erschrocken aufspringt, einen formvollendeten Knicks aufs Parkett legt und: „Ja, Big Daddy, sehr wohl Big Daddy!“, stammelt und Ramón mit der Geste eines Südstaatengroßgrundbesitzers mit dem Handrücken wedelt, um sie in die Küche zu entlassen, kann ich nur mit größter Mühe mich beherrschen, nicht vom Stuhl zu kippen.
Ramón jedoch wahrt die Contenance und ruft mit nasaler, leicht piepsender Stimme:
„Eil dich, Hildi!“
„Espresso für die Herren! Sehr wohl, Big Daddy!“
„Und reiche Gebäck dazu, mein Mädchen!“
Erneut ein Knicks von Lucía. Diesmal jedoch wirft sie mir einen Blick zu, wie er feuriger nicht sein kann. Kurz nur, dann blickt sie ihren Gatten wieder fragend an, wartet auf weitere Anweisungen.
„Was ist?“, knurrt der auch prompt, ergänzt dann aber großmütig: „Und koche dir auch einen Espresso, Kleines, die Nacht wird lang. Brav warst du heute, hast dir einen Espresso verdient. Und nun ab!“ Abermaliger Knicks, und als sei es ihm erst jetzt, justamente, eingefallen, ergänzt er: „Und ziehe deine schwarzen Overkneestiefel an, Hildi, wir wollen uns in Bälde noch an dir erfreuen.“
Wieder dieses arrogante Handwedeln in Richtung Ausgang. Erneutes Lippenbetupfen mit der Serviette. Lucía tritt ab. Schaut vorher aber noch einmal kurz zu mir hin, den Blick nun gar nicht mehr so keck und herausfordernd, Ramón hat einen Plan! Das hat auch sie nun realisiert.
Doch kaum ist sie durch die Esszimmertür verschwunden, prustet sie los, verhaltend zwar, denn Ramóns Nachsatz war nicht von schlechten Eltern, er zeigt Wirkung. Auch Ramón und ich können uns ein Grinsen nun nicht mehr länger verkneifen.
Kurz darauf steht er auf und holt drei feine Nosinggläser aus dem Schrank. Diese deckt er, immer noch schalkhaft lächelnd über das gelungene kleine Rollenspiel, auf dem flachen Couchtisch im Salon ein. Die Flasche Talisker, die er mir grinsend entgegen hält jedoch versteckt er unter einem Kissen. Dann bittet er mich, Platz zu nehmen.
Inzwischen können wir Lucía hören, wie sie an der Kaffeemaschine arbeitet. Eine Weile ist es ruhig geblieben, nun aber kann ich sehr deutlich ein lautes Klack-Klack-Klack auf dem Terrakottaboden vernehmen. Und kurz darauf erscheint Lucía im Salon. Mir stockt im wahrsten Sinne des Wortes der Atem! Lucía im Minirock und in schwarzen Lack-Overkneestiefeln mit Plateausohlen. Sie sieht umwerfend aus! Die weiße Bluse hat sie sich stramm in den engen, schwarzen Rock gesteckt, dazu aber noch einen weiteren Knopf geöffnet. Fast bis zum Bauchnabel reicht nun der Schlitz, der Stoff jedoch bedeckt vollständig ihre Brüste. Erhaben schreitet sie in den Raum hinein, gleichmäßig ist ihr Gang, begleitet von dem unwiderstehlichen Geklacker ihrer Absätze.
Wie kurz der Nappalederrock wirklich ist, erkenne ich jetzt erst richtig, denn es ist sehr viel Haut, sehr viel nackter Oberschenkel zu sehen, bis der Rand der Stiefel beginnt.
Diese Stiefel, ich spüre, wie mein Herzschlag sich beschleunigt hat, diese Wahnsinnsstiefel … Ich bekomme den Mund nicht mehr zu! Sie sind nicht nur DER Hingucker meiner Urlaubsreise, sie haben eine Wirkung auf mich, wie ich es noch nicht an mir erlebt habe.
Lucía weiß genau, was für eine galaktische Wirkung sie auf mich hat, und auf Ramón natürlich auch. Doch ihren Ehemann kennt sie natürlich sehr gut, mir hingegen führt sie zum ersten Mal diese Stiefel vor. Eine völlig andere Lucía hat den Raum betreten. Ihre Ausstrahlung, ihre ganze Erscheinung, hat sich total verändert. Sie wirkt beherrscht, sie wirkt konzentriert, sie wirkt sogar ein wenig unnahbar, und anstatt direkt auf uns zuzukommen, schreitet sie zuerst einmal vor uns den Salon ab. Ich verfolge mit ungläubigem Blick diesen ihren Auftritt, bin wie benommen und stelle fest, dass es auch das absolut perfekt Gehen ist, das Geräusch ihrer bestimmt zehn Zentimeter hohen Absätze, hallt dumpf in meinen Ohren, dringt ins Gehirn, zieht mich einem Strudel der Lust gleich an.
Lucía setzt dermaßen ausgeglichen einen Fuß vor den anderen, dass es sich wie das Schlagen eines ganz besonderen Uhrwerks anhört. Dramatisch … irgendwie. Perfekt insziniert. Vor dem Türrahmen bleibt sie stehen, hebt ihre Arme an, tastet sich am Holz entlang und beugt sich leicht nach vorne. Der Rock rutscht hoch, doch dessen nicht genug, sie drückt das linke Knie gegen den Rahmen und hebt ein wenig den Fuß an, drückt den Rücken durch, dann wendet sie den Kopf, blickt uns über die Schulter an und steckt sich langsam einen Finger in den rot geschminkten Mund.
Was für ein Luder! Was für ein Auftritt, was eine Show!
„Bühnenreif …“, kann ich nur stammeln, mein Mund ist wie ausgetrocknet. Plötzlich aber wirft sie die Haare zurück, dreht sich geschickt, alles sieht so einfach aus, doch ist es mit Sicherheit nicht. Ich frage mich, wie lange sie diese eine Bewegung nur einstudiert hat. Sodann steht sie mit knapp auseinander gestellten Füßen da, die Fäuste in die Hüften gestemmt, senkt ein wenig den Kopf und sieht uns direkt an.
Stille! Ich bin unfähig, etwas zu sagen und Ramón ist es auch. Jedes gesprochene Wort wäre auch fehl am Platze, hätte den Zauber des Moments zerstört. Mit einer weiteren fließenden Bewegung, dreht sich Lucía langsam um die eigene Achse, dann schreitet sie erhaben aus dem Salon, ohne uns noch eines einzigen Blicks zu würdigen.
Doch unmittelbar kehrt sie zurück, jetzt ein rundes Tablett auf der rechten Hand tragend. Drei Kaffeegedecke und ein Schälchen mit Plätzchen haben darauf Platz gefunden. Und nun kommt sie zu uns heran. Vor dem Couchtisch geht sie ein wenig in die Hocke, anstatt sich vorzubeugen. Auch dies verlangt ihr ein Höchstmaß an Konzentration und Körperbeherrschung ab, denn ihr Oberkörper bleibt aufrecht. Und doch schafft sie es, uns anzulächeln, und serviert die Espressi. Ohne etwas auf die Untersetzer zu verschütten, schafft sie dies.
Ich bin überwältigt.
Ramón weist ihr einen Platz im Sessel gegenüber von uns an, und ebenso aufrecht setzt sie sich auf die äußerste Kante, die Stiefel nebeneinander, die Knie eng zusammen gedrückt.
Schließlich beugt sie sich vor und reicht uns das kleine Zuckerschälchen an. Durch die Showeinlage hat sich die Bluse doch ein wenig gelockert, der Stoff sitzt nicht mehr ganz so stramm, und so können wir einen kurzen Blick in ihren mehr als gewagten Ausschnitt werfen.
Ramón hat sich Zucker in den Espresso gegeben, ihn verrührt und lehnt sich nun in den Sessel zurück, den Unterteller in der einen Hand, die kleine Tasse in der anderen, den kleinen Finger abgespreizt, die Beine übereinander geschlagen. Herrisch wippt er mit dem überhängenden Fuß.
„Sehr hübsch, Hildi“, näselt er.
Schließlich leert er mit zwei kleinen Schlucken die Tasse, stellt diese zusammen mit dem Unterteller auf dem Couchtisch ab und steigt aus seiner Rolle des Großgrundbesittzers aus.
Er lächelt und … strahlt seine Lucía an! Und dann … dann applaudiert er.
„Bravo!“, ruft er. „Bravo!“
Augenblicklich stimme ich mit ein, applaudiere ebenfalls.
„Wahnsinn, Lucía, Waaaahn –sinn! Super! Was für ein Auftritt!“
Sie senkt den Kopf, lächelt verschämt, aber auch stolz und glücklich. Ramón erhebt sich und reicht seiner Frau die Hand, ist ihr behilflich, sich zu erheben. Etwas verwundert folgt Lucía dieser Aufforderung, und auch ich bin aufgestanden. Lucía ist nun so groß wie ich, steht vor uns, ein Knie etwas vorgeschoben, die Hände auf dem Rücken. Unschuldig wirkt sie nun, unschuldig und doch kokett. Ahnt sie, dass Ramón nun etwas vor hat? Mit Sicherheit! Denn Lucías Augen haben schon wieder dieses Funkeln angenommen.