[sie schreibt]
Hallo Hosana,
erstmal Hut ab, dass Du den Schritt hier hin gegangen bist, um zu hören, wie andere über Deine Situation denken. Das lässt darauf schließen, dass Dir Eure Beziehung wichtig ist und Du keine leichtfertige Trennung möchtest. Find ich gut.
Einige haben schon aufgrund Deines Namens vermutet, dass Du nicht nur einen konservativen Hintergrund hast, sondern dass auch der christliche Glaube und möglicherweise die Sozialisation in diesem Umfeld für dich eine Rolle spielt. (Falls das ein Trugschluss ist: sorry.)
Dazu kann ich etwas sagen, da ich selber aus diesem "Stallgeruch" komme und mich darin auch weiterhin bewege. Das ist also ein Spannungsfeld, das mir sehr geläufig ist.
Zudem ist mir die Situation, mit einem Partner konfrontiert zu sein, der um einiges mehr an "Geschichte" mitbringt als man selber, nicht fremd. Das hat sich auch für mich nicht immer gut angefühlt und ich finde auch nicht alles gut, was mir da erzählt wurde - letztlich zählt für mich aber, was das Leben und wie er es gelebt hat, aus meinem Partner gemacht hat, wie es ihn geformt hat. Und da sehe ich so viel Positives, vielleicht gefällt mir der Weg dahin nicht so, aber mein Partner gefällt mir so, wie er jetzt ist und ich liebe ihn mit allem, was ihn ausmacht - und seine Geschichte hat ihn zu diesem liebenswerten Menschen gemacht.
Zu Deiner eigentlichen Frage möchte ich Dich nur ermutigen, ganz generell, auf Dein eigenes Bauchgefühl zu hören und zu lernen, zwischen Deinem eigenen Empfinden und den Dingen, die Du als Normen gelernt hast, zu unterscheiden. Dabei kann ein Therapeut mit Sicherheit helfen.
Ich könnte mir denken, dass Du bisher vielleicht versucht hast, "richtig" zu leben und Dich an die Regeln zu halten - ob das nun gesellschaftliche Normen waren oder die Regeln, die einem begegnen, wenn man sich in christlichen Gemeinschaften bewegt. Meine bescheidene Meinung zu letzterem: wir haben auch als Christen die Freiheit, unseren eigenen Weg zu gehen und der muss nicht so aussehen, wie der der anderen. Habe die Freiheit, auf Dein Bauchgefühl zu hören!
Vielleicht findest Du dabei heraus, dass Du Dich mit sexueller Freiheit wirklich selber nicht wohl fühlst und Du keinerlei Bedürfnis danach hast, Dich auszuprobieren. Vielleicht spürst Du aber auch, dass Du Dich vielleicht doch auf die Reise machen möchtest, einfach mal zu gucken, was Dir gut tun könnte, und im Moment nur ein bisschen überfordert bist, weil Du vielleicht denkst, Du sollst von null auf hundert durchstarten. Es gibt aber so viele Nuancen, Varianten und Möglichkeiten ...
Was ich mich noch frage ... wie sieht Deine Partnerin denn das Thema? Wäre sie bereit, auf Dich zuzugehen und mit Dir Euren eigenen, gemeinsamen Weg zu finden? Dazu hast Du leider nichts erzählt. Und ich glaube, dass das schon eine wichtige Voraussetzung ist, dass beide die Möglichkeit in Betracht ziehen, für den anderen etwas anderes oder Neues zu lernen oder auszuprobieren.