Vertrauen und Verantwortung
@*******ble:
"Doch gibt es Situationen, in denen wir getäuscht werden, überrumpelt, belogen und betrogen - von Meistern der Inszenierung."
Natürlich. Auch ich bin auf solche schon hereingefallen, war ein teurer Spass (es ging um Geschäftliches, nicht um eine Liebesbeziehung).
"Das geht nicht nur Frauen so."
Genau das sprach ich im letzten Satz meines letzten Postings aus.
"Diese als solche zu benennen und sie nicht abzutun als Blindheit, halte ich für angemessen."
Ich hatte das Wort "Blindheit" nicht benutzt. Mir lag daran, darauf hinzuweisen, dass wir Menschen die natürliche Tendenz haben, die "Schuld" immer bei den anderen zu suchen. Das macht das Leben zunächst und scheinbar leichter, weil es entlastet.
Ich kenne Menschen, die auch im Alter von Mitte Vierzig sich noch kein einziges Mal gefragt haben, ob nicht sie selbst Ursache mancher Misslichkeiten sein könnten, die sie den anderen permanent unterstellen. Faszinierend. Befangen in ihrer Scheinwelt, abgeschottet gegen jegliche gut gemeinten Anstöße von aussen torkeln sie von Leid zu Leid, von Unglück zu Unglück. Und immer waren es die anderen.
Das ist ok, jeder hat die Freiheit, auf die Weise alt zu werden, die ihm angemessen erscheint.
Wir wissen nicht, wozu wir auf diesen Planeten gekommen sind, aber wenn es eine Antwort auf diese Frage gibt, dann ist es das jahrtausende alte "Erkenne dich selbst!". Wir sind hier, um die Chance zu haben, in einen fortwährenden Selbsterkenntnisprozess zu gelangen.
Das macht nicht immer Spass, das tut manchmal sehr weh. Wenn es uns weh tut, ist es ein Zeichen, dass wir hinschauen sollen.
Das gelingt erst dann, wenn wir die
Verantwortung für das übernehmen, was uns geschieht. Nota bene: Verantwortung übernehmen heisst nicht: "Schuld daran" zu sein.
Wenn ich arglistig von einem Betrüger getäuscht werde, habe ich daran keine Schuld. Aber
danach kann ich entweder ihm die Schuld geben und weiterleben, als ob das mit mir nichts zu tun gehabt hätte, und dem nächsten Betrüger auf den Leim gehen, oder aber ich übernehme die Verantwortung: dass ich betrogen wurde, hat was mit mir selbst zu tun.
Genau dann eröffnet sich mir die Chance, mir bewusst zu werden, wie er mich erst dadurch betrügen konnte, dass er meinen Träumen Nahrung gegeben hat. Verantwortung zu übernehmen heisst: mir klar zu machen, dass der Betrüger nichts dafür kann, meinen Träumen Nahrung gegeben zu haben. Für meine Träume bin ich selbst verantwortlich.
Verletzbar sind wir immer nur durch unsere eigene Bedürftigkeit.
Soll das nun heissen, dass wir am besten niemandem mehr vertrauen sollen? Soll das heissen, dass wir jeder wohlmeinenden Handlung skeptisch gegenüber stehen sollen?
Natürlich nicht.
Eine schöne, kribbelnde, erotische, träumerische Situation zu erleben steigert unser Lebensgefühl, gibt uns ein Glücksgefühl. Das Problem entsteht erst dann, wenn wir daraus Erwartungen für eine Zukunft ableiten, die sich - der Betrüger betrügt - so dann nicht enstellen will. Wir sind nicht in der Gegenwart geblieben. Wir haben unser Seinsgefühl einer Zukunftserwartung abgegben, die sich nicht erfüllt. Wir sind verletzt.
Wir kommen allerdings nie zu erfüllten Gemeinsamkeit, wenn wir zagen. Wir müssen wagen statt zagen. "Ziehen wir zusammen?" heisst: ich kündige meine eigene Wohnung. Wenn ich betrogen werde und der Plan der gemeinsamen Wohnung platzt, habe ich keine Wohnung mehr. Und Stress, kurzfristig eine neue Bleibe für mich finden zu müssen. Das ist der Preis. Aber wenn ich dann den Stress, die Tränen, die Wut überwunden habe - bin ich in meinem Sein auch nur einen Millimeter weniger geworden?
Der, der Verantwortung für sich übernimmt, hat Vertrauen
nicht mehr nötig.
stephensson
art_of_pain