@ Sina
Du sprichst an, dass aus dem Verhalten solcher Männer auch ein allgemeines Problem der Männerschaft als solche spricht.
Welches Problem wäre das Deiner Meinung nach? Das würde ich gern genauer wissen wollen.
Ich habe versucht, den Zusammenhang schon zu beschreiben. Ich schiebe es als Zitat noch mal herein:
Fast jeder Mann kennt ihn sich die Angst, sich zu binden - mal mehr, mal weniger. Das hat mit der Schwierigkeit zu tun, dass die erste Frau im Leben von Männern die Mutter ist, von der mann sich ja gerade - mal mehr, mal weniger gelungen - befreit hat. Je schwieriger und unvollkommener sich der Loslösungsprozess ausgestaltet hat, desto größer und unmöglicher die Fähigkeit, neue Bindung einzugehen. Das Bild des "Eroberers" zeigt Dir schon, welches Motiv hier wirksam ist. Wer erobert, lässt sich eben nicht selbst erobern. Der ständige Eroberer ist auch ständig auf der Flucht.
Ich behaupte: Fast jeder Mann, der in der Lage ist, Beziehung einzugehen, hat sich diese Fähigkeit erwerben müssen. Seine Beziehungsgfähigkeit ist Resultat überwundener Beziehungsangst. Deshalb kennt sie auch fast jeder - Mann.
Vielleicht fällt es ja schwer, von dem Motiv der Bindungsangst, das ja bloß passiv ist, und der aktiven, schlechten Lösung des "Eroberers", der ja in der Tat lügt und betrügt, die klare Abstammungslinie zu erkennen. Und die moralische Forderung, dass ein Mensch nicht belügen und betrügen sollte, bleibt ebenso bestehen, wie die, dass ein Mensch nicht morden sollte.
Und natürlich verstehe ich auch die Weigerung gerade von Dir, die in der Tat betrogen wurden, Verständnis aufzubringen, weil jedes Verständnis auch eine Relativierung mit sich bringt, auf die man sich nicht einlassen will, weil es eine Relativierung auch der eigenen Verletztheit nach sich zu ziehen scheint.
Aber: der lügende und betrügende Eroberer ist eben nur eine schlechte Lösung eines Problems, das eigentlich fast jeder Mann kennt. Was die "good guys" von den bad guys unterscheidet, ist eben nicht, dass die einen hoch moralisch gesinnt sind, und die bad guys, wie Du schreibst, aus "niederem Beweggrund" handeln. Ich glaube, dass beide aus demselben Beweggrund handeln. Vielleicht haben die "guten Jungs" schon in ihrer Pubertät begriffen, dass sie, um Sex zu bekommen, eben auch in der Lage sein müssen, eine menschliche Beziehung aufzubauen - was nicht heißt, dass sie diese nicht auch schätzen gelernt, oder auch von Anfang an gewollt haben. Die einen haben ein Problem überwunden, die anderen eben nicht - das ist der einzige Unterschied - die Triebfeder ist menschlich / männlich, und daher auch dieselbe.
Daher kann ich mich in dem Mann, der Dich betrogen hat, durchaus wiederfinden, auch wenn ich den Betrug in keinster Weise guteißen kann. Ich kann mich auch in einen Wahnsinngen wiederfinden, weil ich die Zustände von Irrationalität auch gut kenne. Ich kann mich auch in einen Mörder wiederfinden, weil ich auch den Zustand gut kenne, in dem ich jemanden hätte umbringen können. Und deswegen kann ich die rein moralische Verdammmung und Stigmatisierung als "Arschloch", oder als jemand, den man nun komplett nicht mehr verstehen könnte, auch so schlecht vertragen.
Ich glaube ganz allgemein, dass eine Gesellschaft, die bereit ist, sich in einem Mörder oder Betrüger zu spiegeln, eine höhere, ehrlichere Moral hat, als die, die ihn nur aus der Gemeinschaft der Normalen verstößt, als hätte sie nichts mit ihm zu tun.
Und ganz konkret glaube ich, dass es jedem Opfer gut tut, sich klar zu machen, dass es nicht das Böse ist, dem er zum Opfer gefallen ist, sondern einfach nur jemanden, dem es an der Fähigkeit oder dem Willen zum Guten gemangelt hat.