Mein lieber Specht
Mein lieber Specht'n breites Kreuz hat er ja schon, der Dominator, der hier so selbstbewußt aufgetaucht ist. Nicht ganz im Zentrum, so platt kommt er nicht daher. Eher im peripheren Mittelfeld: klare Ansage Hier bin ich, aber eben kein primitiver Holzhammer. Würde auch nicht zum eleganten Schwarz um die Schultern passen. Trotzdem läßt er keinen Zweifel an der Tatsache aufkommen, daß er hier den größten Schwanz hat. Daß ich auch hier sitze, interessiert ihn nicht wirklich.
Und wie sie ihn umschwärmen, die kleinen frechen Biester, wahrscheinlich noch jung und respektlos, sich ihm präsentieren von vorn und von hinten, schamlos, die hübschen Brüste herausstreckend, in zartes Metallblau oder edles Nachtschwarz verpackt. Am Buffet sind sie wählerisch, nehmen demonstrativ nur kleine Häppchen und ziehen sich dann schnell auf ihren Platz zurück. Kichern zusammen, wenn sie mit dem Essen fertig sind.
Ich verdrille einen losen Faden am Ärmel meines ausgewaschenen Kapuzenpullovers, der vom langen Tragen so weich auf meiner nackten Haut ist, daß ich ihn nicht gegen einen neuen austauschen will. Die Sonne scheint in meinen Nacken; der Kaffee hat genau jetzt die richtige Temperatur, um ausgiebig auf der Zunge umhergerollt zu werden und dabei jede Nuance herauszuschmecken. Ich streichle meine Sohlen am blankpoliertem Holz der schweren Schuhe. Zwei Hornissen beißen mit brummenden Flügeln die süßen Trauben vor der Wand auf. Die alte Eiche maschinengewehrt ihre Spätsommerfracht aufs Blechdach der Nachbarn.
Immer, wenn ich an meinem Kaffee schlürfe, fliegen Specht und Meisen in einem Pulk von der Futterstelle auf.
Wenn Du jetzt hier wärst, hätte ich Dir meinen Pullover gegeben.