Der Hof der verborgenen Fantasien
1.Der Wagen holpert leicht über die Straße, die wahrscheinlich nur einmal in ihrer Existenz eine Fahrbahnendecke aus Asphalt erhalten hat und je haben wird.
Karsten steuert vorsichtig den schmalen Waldweg entlang. Das Navi trügt ihn nicht. Dies ist eindeutig der Weg durch die Hügel. Es gibt auch nur diesen einen. Und er würde in knapp einem Kilometer enden.
Eine leichte Nervosität hat sich in ihm breit gemacht. Es war keine 3 Tage her, da hatte er sehr geilen Parkplatzsex. Und nun war er auf dem Weg zu diesem Paar, was sehr begeistert von seiner Art war, wie er sich mit ihr vor besagten 3 Tagen beschäftigt hatte.
Daher gab es eigentlich gar keinen Grund nervös zu sein. Doch dies hier ist nicht einfach ein weiteres Sex-Treffen: Es ist kurz nach Mittag. Die Sonne scheint von einem strahlend, blauen Himmel und die Herbstluft ist angenehm warm. Und, sie würden sich nun kennen lernen.
Fast hätte er laut aufgelacht. Eigentlich lernte man sich erst kennen und dann vögelte man. Hier war es komplett anders rum.
Noch in Gedanken versunken, an den geilen Abend zurück denkend, biegt er um eine letzte Kurve und die sanfte Frauenstimme vom Navi sagt: "Sie haben ihr Ziel erreicht".
Vor ihm erstreckt sich ein kleiner Hof. Eingebettet am Ende des Tals und so verwunschen, dass es auch glatt aus einem weit entfernten Jahrhundert stammen könnte.
Ein größeres, scheinbar sehr altes Fachwerkhaus, was am höchsten steht, fällt ihm als erstes ins Auge. Darunter steht zur linken, ein kleines Wirtschaftsgebäude. Auch aus Fachwerk. Und noch etwas weiter darunter, zur rechten, ein längeres Stallungs- bzw. Scheunengebäude aus altem, unbehandelten und drunklem Holzschlag.
Der Hof selbst wirkt aufgeräumt und ist unterbrochen von einem bewirtschafteten Garten, einem kleinen Obsthof, mehreren kleinen Wegen mit Sitzgelegenheiten aus Stein und Holz und einer Pracht schier unendlicher Blumenvielfalt.
Karsten ist so fasziniert von diesem unerwarteten Anblick, dass er abbremst und sich einfach nur umschaut, bis er eine Gestalt am Hauseingang wahrnimmt, die kurz zu ihm hinüber schaut und ihn dann auffordernd zuwinkt.
Im näher kommen erkennt er, dass es Tom ist.
Erst dann bemerkt er auch den kleinen Parkplatz, wo ein vertrauter Caddy neben einem recht neuen Passat Kombi steht. Daneben ist noch reichlich Platz und so parkt er, steigt aus und geht Tom lächelnd entgegen.
"Hej, da bist du ja", wird er freudig mit Handschlag begrüßt.
"Komm, Algea wartet schon sehnsüchtig".
Karsten schmunzelt. "So, so", sagt er nur und freut sich über das breite Grinsen von Tom, der ihn bis auf eine begradigte, kleine terrassenartige Fläche führt, die mit grünen Hecken umrandet und in dessen Zentrum ein sehr großer massiver Holztisch mit breiten, einladenden Holzbänken sowie dicken Sitzpolstern, steht.
Doch das interessanteste ist die Holzplatte an sich. Anstatt, wie üblich, mit gerade laufenden Holzbohlen sind hier schmale, gut 10 cm breite Hölzer, die alle in perfekt aneinander passender, sanfter Wellenform zusammen gefügt wurden.
Je 5 Wellen laufen gegensätzlich zu 5 gegenüberliegenden Wellen, so dass in der Mitte eine größere, mal schmal, mal breite werdende Fläche entstanden ist. Da wo die Wellen am Rand nach innen laufen, wurden passende Stücke mit gerader Hölzern eingesetzt, so dass der Tisch eine gleich, breite Abschlusskante hat.
"Wow", sagt Karsten beeindruckt. "Wo habt ihr denn den her?"
"Selbst gezimmert", sagt Tom stolz. "Ich bin Zimmerer und kann Gott sei Dank die Bäume aus unserem Wald nutzen. Mein Knecht hilft mir dabei. Er lernt von mir das Handwerk in alter Tradition. Ich hab mich darauf spezialisiert und kann gut davon leben. Kaffee? Bier?"
Karsten lacht. "Kaffee zum Anfang wäre nicht schlecht" und setzt sich, während Tom zum Haus läuft...