Mahagoni
allen ein schönes Wochenende
Achilleion
Franziska gab unmittelbar Anweisung, die Wohnung gründlichst zu reinigen und penibel aufzuräumen. Als der Tag des Besuches näher rückte wurde ich in die Mitte des Raumes gestellt, die Liegen wurden durch edle Stühle ersetzt, ohne Überheblichkeit darf ich sagen, sie passten gut zu mir, stahlen wir jedoch nicht die Schau!
Am Besuchstag selbst wurde ein edles Teeservice aus Meißner Porzellan aufgelegt, und ein wunderschönes Blumenbouquet rundete die elegante Tafel ab. Ludovica und Franziska kamen zur Tür herein in interessierte Konversation vertieft. Franzi bot Ludovica einen Platz an, und bat das Hausmädchen Tee und Gebäck zu servieren. Ludovica betrachtete mich interessiert, „ich glaube ich habe schon ganz ähnliche Möbel in Wien gesehen, es ist eine wunderbare Arbeit, sehr, sehr schön.“ Franziska bedankte sich für das Lob für ihr Möbel, versuchte dann aber die Unterhaltung in eine andere Richtung zu lenken, hatte sie doch nicht die geringste Ahnung, wo und von wem ich einst hergestellt worden war.
Franzi wollte wissen wie es Kaiserin Elisabeth von Österreich ergehen würde, war Ludovica doch die Mutter der Gemahlin von Kaiser Franz Joseph I. von Österreich. Ludovica, bekannte freimütig, dass sich Elisabeth auch nach fast 3 Jahren Ehe, immer noch mit dem strengen Hofzeremoniell schwertäte. Sie sei ja in Possenhofen so unbeschwert und frei aufgewachsen, dass sie die vielen Regeln, Verbote und Vorschriften noch immer nicht verinnerlicht und akzeptiert habe. Wenigstens sei Franz Joseph immer noch schwer in sie verliebt, was Elisabeth für einiges Ungemach und einigen Ärger mit der Schwiegermutter entschädigen würde.
Franziska griff diesen Gedanken auf, und diskutierte mit Ludovica das Glück den geliebten Ehemann heiraten zu können, während doch in aller Regel die Heiraten nach politischen Erwägungen arrangiert würden. Ludovica wartete mit einer Fülle von Beispielen auf, wo sich verheiratete Paare nichts zu sagen und zu geben hätten. Ihr selbst sei es ebenso gegangen, aber sie habe sich mit Max auf ein erträgliches Arrangement verständigt. Er sei viel auf Reisen, und sie kümmere sich um die Kinder, die Verwandtschaft und das Schloss. Leider sei beim Adel eine Liebesheirat, wie es in bürgerlichen Kreisen Mode geworden sei, undenkbar.
Franziska stimmte zu, betonte aber, dass sie obwohl von, wenn auch niederem Adel, das unverschämte Glück gehabt habe, ihren Geliebten heiraten zu können. Ludovica zuckte mit den Schultern, und kam erneut auf mich, den Tisch zu sprechen. Sie erinnere sich nun, dass der Hoftischler in Wien solche schönen, handwerklich perfekten Möbel herstellen würde.
Wo Franziska ihn denn erworben habe, und ob sie eventuell bereit wäre ihn ihr abzutreten, gegen eine entsprechende Kompensation selbstverständlich. Franziska antwortete wahrheitsgemäß, dass sie den Tisch aus einem bürgerlichen Haushalt aufgekauft habe, er sei ihr aber gleich als ungewöhnlich schönes Stück aufgefallen. Natürlich sei sie bereit ihn Ludovica zu verkaufen, über den Preis werde man sich schon einig werden.
Ludovica erklärte sie würde ihn gerne bei ihrem nächsten Besuch Elisabeth in Wien schenken, und bot 200 Gulden. Franziska versuchte sich zu erinnern was der Kauf und die Restaurierung gekostet hatten und stimmte dann zu. Die beiden besiegelten den Verkauf mit einem Kirschlikör und schieden, beide zufrieden, voneinander.
Ich war enttäuscht, ich hatte mir vorgestellt zusammen mit Theo und Franzi alt zu werden, dass Franzi mich anscheinend so leicht weitergab tat mir weh. Dass man sich einem solchen „Wunsch“ einer bayrischen Herzogin nicht wirklich verweigern konnte, war mir damals nicht klar. Einige Tage später kamen Beauftragte von Ludovica ins Haus, luden mich ein weiteres Mal auf einen Lastkarren und transportierten mich in ein Lager in der Nähe von Wien.
Ich musste noch lange an Franziska und Theo denken, sie werden mir immer Leitbild für eine glückliche Beziehung zweier Menschen, die wirkliche Partner waren, sein. Eines Tages wurde ich einen Raum in der Wiener Hofburg gebracht, am Nachmittag kamen Ludovica und eine junge sehr schöne Frau in mein Zimmer. Ludovica deutete auf mich, und erklärte, „schau Sissi, was ich dir mitgebracht habe, ist er nicht schön?“ Sissi, also Kaiserin Elisabeth, beachtete mich kurz, bedankte sich bei ihrer Mutter für das Geschenk, und dann waren sie auch schon wieder verschwunden. Eine Woche später, kamen livrierte Diener mit weißen Handschuhen, hoben mich hoch und verbrachten mich in einen dunklen Kellerraum der Burg. Ich wurde mit einem feinen Tuch bedeckt, und meinem Schicksal überlassen. Die ersten Tage und Wochen waren schrecklich für mich. Ich, der ich lebendige Gesellschaft gewohnt war, stand unbeachtet in einem dunklen Raum. Langsam verlor ich jegliches Zeitgefühl, verfiel in einen Dämmerzustand, aus dem ich nur selten erwachte, nur um festzustellen, dass sich nichts Wesentliches verändert hatte.
Ende Kapitel 22
Ich hatte jede Vorstellung von Zeit und Raum verloren, als ich eines Tages sorgfältig verpackt, auf eine lange Reise geschickt wurde. Tage verbrachte ich in Eisenbahnwaggons, danach schloss sich eine Schiffsreise ein, das entnahm ich aus dem sanften Rollen und Schaukeln das ich erlebte. Irgendwann hatte ich mein Ziel erreicht, ich wurde entladen und ausgepackt. Als erstes fiel mir die Helligkeit auf, die mich umgab, und dann die Ruhe, die nur vom Geschrei einiger Möwen gestört wurde. Ich hatte keine Ahnung wo ich war. Es dauerte eine ganze Weile bis ich aus den Indizien und Gesprächsfetzen schließen konnte, dass ich auf Korfu im Achilleion, dem neuen Schloss und sommerlichen Rückzugsort Elisabeths gelandet sein musste. Noch ein wenig länger dauerte es, bis ich wusste welche Jahreszeit herrschte und welches Jahr geschrieben wurde, es war Anfang April des Jahres 1892, ich hatte also fast 35 Jahre im dunklen Keller in einem Dämmerzustand verbracht.
Mir gefiel meine neue Umgebung vom ersten Augenblick an, das Achilleion war ein einziger Traum in Weiß, der Baukörper an klassischen, griechischen Vorbildern orientiert, die Ausstattung modern, luxuriös, einer Kaiserin angemessen. Die Helligkeit und die lauen Lüfte taten mir gut. Genauso schön war der wunderbare Garten, der sich hinter dem Schloss hinunter bis zum schmalen Küstensträßchen zog. Unzählige Bäume, Stauden, Blumen und eine Vielzahl von Skulpturen bildeten ein eigenes Kunstwerk. Am Ende des Parks befand sich ein hübsches Gartenhäuschen, das wohl als Umkleide und Rückzugsort für Strandbesucher und Badegäste gedacht war. Genau dorthin, auf eine ausladende überdachte Veranda, wurde ich verbracht. Der Blick über den Strand und das im Sonnenlicht glitzernde Meer war atemberaubend. Er entschädigte mich tausendfach dafür, dass ich ein ganzes Stück weg vom Schloss war und das dortige Geschehen nicht miterleben konnte. Zumeist war ich alleine, zum Baden war das Meer noch zu kalt, für Strandspaziergänge war die Küste zu rau und zerklüftet. Am häufigsten bekam ich die Gärtner zu Gesicht, dabei fiel mir auf, dass sie alle von athletisch schlankem Wuchs waren, ihre Gesichtszüge hätten antiken Helden zur Ehre gereicht. Manchmal kamen Dienstmädchen des Schlosses vorbei, setzten sich für eine kurze Rast an meine Seite, auch sie waren alle schlank, ausgesucht hübsch, ihre Körper hätte jeder Bildhauer mit Freuden nachgebildet. Langsam wurden die Tage länger, und die Temperaturen höher, ich bekam jetzt manchmal Besuch und dieser kam nun auch abends kurz vor Sonnenuntergang oder sogar noch ein bisschen später.