Fragen ihr euch manchmal, warum ihr in euren Beziehungen immer wieder Stufen der unterschiedlichsten Nähe erfahrt?
Obwohl man sich gerne hat und sich aufeinander verlassen kann, scheint im Laufe der Zeit die Leidenschaft zu schwinden.
Irrtümlich halten wir das Nachlassen der Leidenschaft für einen Hinweis auf ernste Beziehungsprobleme, was zu Sorge und Angst führt. Dabei ist es ganz natürlich, dass sich Nähe immer wieder wandelt – ja sogar wandeln muss – will sie von Dauer sein. Also meiner Meinung nach.
Die meisten Beziehungsexperten vermitteln in unzähligen Ratgebern wie sich die Flamme der Leidenschaft neu entzünden lässt und machen Vorschläge wie sich das Paar der einstigen Romantik annähern kann: Mal wieder ein Wochenendtrip – eine erotische Massage und neue Dessous – Komplimente und aufrichtige Gespräche – die Kinder wegorganisieren – einen verregneten Sonntag im Bett verbringen – gemeinsame Spaziergänge … Manchmal helfen diese Dinge, manchmal nicht. So ist das.
Wenn Nähe nur einem kurzen Vergnügen dienen soll, mag das funktionieren. Ist aber meiner Meinung nach nur von kurzer dauer geprägt.
Doch echte und aufrichtige Nähe entsteht nicht aus kurzfristiger Bedürfnisbefriedigung, sondern aus dem Wunsch heraus, sich zu begegnen und wieder Raum zu lassen.
Was kaum jemand vermittelt. Es fehlt an ausreichendem Wissen über den normalen zwischenmenschlichen Wandel im Beziehungsgeschehen.
Es gibt – von früher Kindheit bis ins Greisenalter – verschiedene Grade physischer, emotionaler und intellektueller Nähe.
Je jünger, desto mehr emotionale und körperliche Nähe – je älter, desto mehr psychische und intellektuelle Nähe, die eine körperliche Nähe ausnahmslos miteinbezieht.
So ist es ganz normal, dass das Gleichgewicht unter Liebenden Schwankungen unterworfen ist. Mal nimmt die psychische Nähe ab, während sich die intellektuelle verstärkt, ein anderes Mal sind Worte weniger wichtig als eine liebevolle Umarmung.
Sind wir sensibel und feinfühlig genug, können wir immer wieder in den Genuss des anfänglichen Zaubers der Leidenschaft kommen. Und wenn sie dann wieder abnimmt, können wir dafür sorgen, uns für neue Formen der Intimität zu öffnen.
Keine ist besser oder schlechter als die andere – sie ist nur anders.
Wenn wir Nähe wie Ebbe und Flut als Gezeiten des Lebens richtig einzuordnen verstehen, sind wir auch nicht enttäuscht oder geraten in Panik, sobald wir ein scheinbares „Auseinanderleben“ zwischen uns und unserem Partner/Partnerin bemerken. Eine zunehmende Distanz muss nicht automatisch ein Unglück sein und zur Trennung führen. Sie sollte eher als Zyklus des Lebens verstanden werden, der zu einer Neuorientierung und Neuausrichtung in der Partnerschaft führt, welche die Intimität der Vergangenheit manchmal sogar übertreffen kann.
Gerade im Älterwerden und in langjährigen Partnerschaften ist es notwendig, eine reife Haltung einzunehmen und sich darüber klar zu werden, dass der Wandel von Nähe eine notwendige Übergangsperiode ist, die einen Wendepunkt einleitet, an dem wahre Nähe reifen und blühen kann.
Je mehr wir in der Lage sind, einen Perspektivwechsel vorzunehmen und den anderen als eigenständiges Individuum zu sehen, mit Fehlern und Schwächen, aber zuallererst als Mensch mit dem Wunsch nach Glücklichsein, gelingt echte Begegnung. Sobald wir aus der Egozentrik des selbst erzeugten Leids herausfinden, gelangen wir an den Punkt der echten Verbindung zu uns selbst, die Nähe zum anderen erst möglich macht. Das sind Saatkörner der Nähe, die wir bis ins hohe Alter säen können …
Schlussfolgernd aus Meiner Sicht, ja, es ist eine Illusion……..denn wahre Nähe spiegelt sich nicht zwischen den Beinen (auch wenn es schön anzuschauen ist) wieder.