Ich habe schon zuviele ebenso erschreckend moralisierende Beiträge zum Thema "offene Beziehung" oder "Polyamorie" gelesen wie zum Thema "Monogamie" und "Treue".
Aus meiner Sicht (und eigener Erfahrung) geht es im Grunde darum, dass jede Beziehung individuell für sich klärt, was für die "Einheit" gut ist.
Es ist immer ein Spannungsfeld. Vielleicht ist es gerade für beide Partner spannend, sich außerhalb der Zweierbeziehung zu vergnügen, aber auf der anderen Seite kann es ebenso als belastend empfunden werden.
Es ist müßig, sich hier in Theorien auszulassen, denn letztendlich geht es doch um die individuellen Gefühle der Beteiligten, die noch vor die Erfahrungen von Fremden treten.
Ich finde, zwei wichtigen Punkt hat da Brian_Lorenzo angesprochen: Empathie und Liebe.
Ich führe diese beiden Stichpunkte mal in meinem Sinne weiter...
Empathie ist wichtig und hat auch etwas mit Respekt und Aufmerksamkeit gegenüber dem Partner zu tun.
Will jemand eine offene Beziehung, so bin ich der Meinung, sollte er auch dazu stehen. Umgekehrt genauso (!). Allerdings ist das oft eher als ein Prozess zu sehen, weil Viele sich dessen nicht so eindeutig bewusst sind bzw. sich so etwas im Laufe der Zeit entwickelt.
Genauso, wie der eine (zunächst) akzeptieren sollte, dass sein Partner sich Sex/ Kontakte außerhalb der Beziehung wünscht bzw. diese suchen will, ist es auf der anderen Seite wichtig, den Partner mit seinen Gefühlen anzunehmen, der diese Einstellung nicht teilt!
Denn:
Liebe ist mitunter etwas, das man sich nicht aussucht. Sie passiert. Was ist, wenn zwei Menschen sich lieben, aber unterschiedliche Vorstellung von Beziehungen haben?
Provokant formuliert könnte man doch sagen, jemand, der eine offene Beziehung will, braucht eigentlich gar keinen festen Partner. Umgekehrt könnte man genauso überspitzt sagen, jemand, der einen glücklichen Partner haben möchte, darf diesen doch zu nichts zwingen oder einengen...
Aber so einfach ist das leider nicht.
Im Endeffekt geht es hier doch darum, zu klären, weshalb sie zusammen sind. Und ob sie trotz unterschiedlicher Ansichten zusammenbleiben wollen/ können....
Es geht viel darum zu ergründen, welche Wünsche und Bedürfnisse, aber auch Ängste und Grenzen bei den unterschiedlichen Vorstellungen um eine Beziehung eine Rolle spielen. Das ist ein Prozess, der beiden Seiten viel Kraft und Mut abverlangt und oft noch mehr Fragen als Antworten bereitshält.
Die Frage nach Vertrauen z.B., denn hier geht es nicht nur um sexuelle Offenheit, sondern auch um geistige, innere Offenheit innerhalb der Beziehung. Ein ebenso heikles Thema, weil so weitläufig und so idealisiert:
Es wird so oft von Leuten erwartet, sie sollten ihrem Partner vertrauen, dass er sie nicht verletzen will oder verlässt, wenn er eine offene Sexualität auslebt. Was ist denn schon dabei?!...
Aber wie sieht es denn umgekehrt mit denen aus, die das Vertrauen einfordern? Sie müssten konsequenterweise ebenso Vertrauen aufbringen, dass er sie nicht verlässt und ihre Ansichten respektiert, auch wenn er sie vielleicht nicht gut findet.
Aus meiner Sicht heraus geht das eine ohne das andere nicht. Oder schon, aber dann wäre es für mich keine "offene Beziehung", in der zwei gleichwertige Partner miteinander leben.
Also läuft es im Grunde auf Absprachen und Regelungen hinaus.
Ich finde es utopisch (auch wenn es sicher für andere machbar sein könnte), " vollkommen freie Liebe" in einer "festen Partnerschaft" zu etablieren ohne Einschränkungen. Aber dadurch, dass man sich gemeinsam damit auseinandersetzt, ist schon ein Schritt zur Einheit in der Beziehung und womöglich auch Vielfalt außerhalb der Beziehung gemacht.
Da es um Freiheit und Grenzen geht, möchte ich noch zwei Zitate einbringen, die das Ganze für mich gut umfassen:
Wenn die Freiheit die Unfreiheit ist sich für die Unfreiheit entscheiden zu können ist die Freiheit keine Freiheit mehr. (Gerald Dunkl)
Die Freiheit eines jeden hat als logische Grenzen, die Freiheit der anderen. (Alphonse Karr)