@Rono
Eingeschlafen bin ich bei Deinem Text nicht, eher im Gegenteil. Du sprichst gleich eine ganze Menge an, das ich sehr gut verstehe.
Dennoch... Mein erster Eindruck war, daß Du den positiven Seiten nicht mehr (so) viel abgewinnen kannst. Alles hat seine zwei Seiten, es kommt nur auf den Blickwinkel an.
... die Ehe besteht schon viele Jahre, man hat viel miteinander geteilt aber es ist eingefahren. Der Partner hat Scheuklappen und ist in seiner kleinen Welt gefangen, will oder kann nicht über den Tellerrand schauen. Gesprächsversuche werden abgewürgt oder es wird so hässlich das aus ner Diskussion mal wieder ein neuer Steit entbrennt.
Ist es eingefahren oder gefestigt? Das neue, das aufregende einer frischen Liebe(lei) steht im Gegensatz zu der Sicherheit, die eine gefestigte Partnerschaft bietet - wenn sich aus Verliebtsein tiefe Liebe entwickelt hat. Es ist schon putzig - viele Singles und Menschen in sich entwickelnden Beziehungen wünschen sich einen ruhenden Pol in ihrem Leben, während sich andere, die ihn haben, nach dem Verliebtsein sehnen und aus der Beziehung ausbrechen.
Die Scheuklappen und das Abwürgen von Gesprächen - passiert das wirklich nur einseitig? Kann es sein, daß jeder von Euch inzwischen eine so weit gefestigte Persönlichkeit hat, daß es Punkte gibt, die sich nicht mehr in die Richtung ändern werden, die der andere jeweils gerne hätte? Da sind wiederholte Diskussionen tatsächlich überflüssig und nervend.
Aber:
Wie sprecht Ihr miteinander? Vielleicht meistens nach demselben Schema? Da könnte sich schon mal einschleichen: "Was jetzt kommt, kenne ich schon", und schon ist die Offenheit dahin. Das geschieht durch die Vertrautheit und eine gewisse Routine im Umgang miteinander, ohne daß man sich dessen bewußt ist. Fluch und Segen einer langen Partnerschaft - was einerseits immer besser funktionierte, kann schon mal sehr hinderlich sein.
Könnte es ein, daß sich der andere unter Druck gesetzt fühlt und deswegen ablehnender reagiert, als ohne formulierte oder empfundene Erwartungshaltungen? Aus meiner Erfahrung würde ich spontan auf ein Kommunikationsproblem tippen. In allem anderen kommt Ihr bestimmt weiter, wenn das gelöst ist.
Aber ich liebe auch meine Frau, nur anders. Mit ihr hab ich 26 Jahre meines Lebens verbracht. Ihre Interessen haben sich geändert, meine auch, wir haben uns nicht in die selbe Richtung entwickelt was den erotischen Teil unserer Ehe betrifft. Soll man alles einfach so wegwerfen?
Den anderen so zu akzeptieren, wie er ist, fällt nicht immer leicht. Wenn beide sich in den Jahren entwickeln - evtl. in unterschiedliche Richtungen - wird das noch schwieriger, weil ihr beide nicht mehr die Menschen seid, die sich kennen gelernt haben. Die Gemeinsamkeiten - sind es "nur" die verbliebenen, oder haben sich nicht auch neue daraus entwickelt? Machen sie ein Festhalten an der Partnerschaft, sich weiter aktiv darum zu bemühen und daran zu arbeiten, nicht auch erstrebenswert?
Wenn eine Beziehung immer intensiver wird, wenn man beginnt sich süsse heisse Briefe zu schreiben ..., wenn man Sehnsucht nach dem oder der Anderen hat, verschieben sich die Prioritäten. ... Es wird immer intensiver... Wenn ich sie sehe schlägt mein Herz schneller, vorab freue ich mich wie verrückt, bald ist es so weit. Wenn ich sie nicht sehen kann bin ich traurig weil ich Sehnsucht nach ihr habe. Das Schöne ist auch, sie lässt mich in ihr Herz sehen und was ich da erkenne, wärmt mein Herz ungemein.
Ich denke, Du bist verliebt - da ist ja auch absolut nichts dagegen einzuwenden. Bei Deiner Euphorie: Wie sieht es mit der Wärme, dem Vertrauen und der Sicherheit Deiner gefestigten Partnerschaft aus? Bei allen kurzfristigen Prioritäten machst Du Dir auch Gedanken über den Stellenwert dessen?
Die Moral hoch zu halten ist für einen Aussenstehenden sehr einfach. Ich hör das oft von Anderen das sie verurteilen was ich so mache. Aber ich habe mich entschieden das es richtig und gut ist und für alle Beteiligten das Beste wenn es nicht zum grossen Krach kommt.
Die viel gepriesene Toleranz... Dazu fält mir spontan was von Ringelnatz ein:
Menschen kenne ich: denen es gut geht,
Die sie aber auch Mühe geben,
Anständig nach innen und außen zu leben.
Da ihnen das gut steht
Und sie repräsentable Erscheinungnen
Sind, hört man ihre Meinungen
Mit Behagen. -
Bis man erstaunt entdeckt,
Daß sie keine andere Meinung vertragen. -
Erziehung und Moral - was nutzen sie, wenn sie zu inneren Konflikten führen, durch die Du unglücklich und unzufrieden bist? Wenn sie zu schlechter Laune, Reizbarkeit, Unausgelichenheit führen? Keine gute Basis - für nichts.
Ich mag die Affaire nicht verurteilen - das steht m.E. nur den Beteiligten zu, die als erwachsene Menschen wohl keinen Vormund brauchen, der hier den Zeigefinger hebt. Im Gegenteil, ich kann dem eine positive Seite abgewinnen: Ohne Druck, ausgeglichener und zufriedener sehe ich größere Chancen, daß Du wieder einen Zugang zu Deiner Frau findest.
Mir scheint es richtiger, die gemeinsame Basis (wieder) zu finden. Daß einem immer absolut alles am Partner gefällt, halte ich für weltfremd. Wegen der Dinge, die einen stören, gleich den Partner zu wechseln - alte, bekannte Probleme gegen neue, (noch) unbekannte einzutauschen - ist für mich ein ziemlich naiver Ansatz der ex-und-hopp-Gesellschaft. Sich aus der Sicherheit der Ehe (und der nichts ahnenden Partnerin) heraus die Rosinen aus dem Kuchen zu picken mag verurteilenswert erscheinen, doch wenn es dabei hilft, die Problme entspannter anzugehen, hat auch die Partnerin etwas davon.
Unter'm Strich bleibt doch wohl übrig, daß Deine Ehe so nicht mehr funktioniert, wie Du Dir das wünschst oder vorstellst. Wenn Ihr beide an Eurer Ehe festhalten möchtet, denke ich, daß Ihr Euch wohl irgendwann auf eine Alternative zum bisherigen verständigen werdet, oder Eure Wege werden sich unausweichlich trennen - spätestens, wenn eine von Deiner Frau nicht tolerable Affaire auffliegt.