Erstaunlich finde ich, dass eine immer noch bestürzend großflächig vorherrschende Meinung jene ist, nach der eine Frau ein nur bedingt sexuelles Wesen sei, die dankbare Empfängerin des männlichen Spermiums, mindestens der Erleichterungsleib der Partnerschaft, maximal eine ausschließlich in Bindung lustvolle Person. Frauen, die einfach nur schnellen, harten Sex wollen, sind auch in der Literatur nahezu unbekannt. Sie unterliegen jenen Geschichten der braven Frau, die Liebe erhält, indem sie Sex anbietet; im Zweifelsfall, ohne ihn zu genießen.
Frauen scheinen das auch zu glauben. „Ach, Sex ist mir nicht mehr so wichtig. Hauptsache, er hat seinen Spaß. Dann bumst er wenigstens keine andere.“
Viele Frauen melden sich auf Erotikportalen an, weil sie Sex wollen, nicht weil sie Liebe suchen, gleichzeitig gibt es eine Menge Damen, die an dem Mangel an ausgelebter Sexualität leiden und sich in dümmliche Fantasien à la „Fifty Shades of Grey“ flüchten, einfach weil sie glauben, kein Anrecht auf eigene, schmutzige und völlig fortpflanzungsungebundene Triebe zu haben.
Warum manche Männer Frauen vorwerfen, dass sie lustvolle Wesen sind, werde ich nie verstehen. Nicht mal evolutionär macht das Gepöbel noch Sinn. Ja, Frauen haben manchmal Lust auf schnellen Sex. Nur Sex. Ohne danach nach der Nummer zu fragen, denn das Leben ist kein Ildikovon-Kürthy-Roman. Viele Frauen melden sich auf Erotikportalen an, weil sie Sex wollen, nicht weil sie Liebe suchen. Sie wollen nicht beschenkt, zum Essen ausgeführt oder gestreichelt werden. Sie wollen das tun, was man am besten tut, wenn man eine knackige Libido und ein funktionstüchtiges Geschlechtsteil sein Eigen nennt. Warum? Weil sie sich hinterher besser fühlen, wie jeder, der an einvernehmlichem, gutem Sex teilgenommen hat.
Eine Frau zu verurteilen, weil sie Freude am Sex hat, ist ja nicht nur anmaßend. Es ist gefährlich. Eine Gesellschaft, die sexuell selbstbestimmte Frauen so herabwürdigt, sendet eine grausame Botschaft an gewalttätige Männer: "Sie hat es nicht besser verdient, die Schlampe." Wer diesen widerwärtigen Begriff verwendet, liefert Sexualstraftätern eine Rechtfertigung.
Wir lassen Männer wie Frauen ihren Kleidungsstil frei wählen, ihren Wohnort, ihren Beruf. Wir leben in einer liberalen Demokratie, deren Gesetze und soziale Normen darauf fußen, dass erwachsene Menschen besser als alle anderen wissen, was gut für sie ist.
Aber bei der intimsten Entscheidung – wie will ich meine Sexualität leben? – glauben viele bis heute, sie könnten ihren Neid, ihre Missgunst und antiquierten Vorstellungen anderen ungefragt aufdrücken.