Beim Lesen deines Briefes kamen mir ähnliche Gedanken wie
@*********erin und
@****bo. Du machst dich den ganzen Brief kleiner als du sein willst, direkt in der Defensive, direkt unterwürfig. Wie willst du aus der Position ein Gespräch auf Augenhöhe führen können, wenn du schon klein bei gibst, bevor das Gespräch los geht?
So langsam scheinst du ja auch dein erstes Symptom "über deine Bi-sexuelle Neigung sprechen zu wollen" aufgedröselt zu haben, was wirklich dein Wunsch ist: "dich mit deiner Partnerin über sexuelle Wünsche und Bedürfnisse generell austauschen zu können ohne eine direkte Erwartungshaltung, was jetzt passiert".
Zwar scheinst du dir schon zu erhoffen, dass durch eine offene Kommunikation in dem Thema, auch mehr passieren wird, auch von ihrer Seite, aber das finde ich legitim.
Du hast gefragt, wie es andere Paare hier hinbekommen, mit ihrer Kommunikation. Das ist viel Übung, Ausprobieren und auch vom Moment abhängig. Viele wurden vermutlich schon in der Kindheit so erzogen, dass es okay ist seine Gedanken und Wünsche mitzuteilen, egal wie abwegig oder peinlich sie im Gesellschaftsbild erscheinen. Andere wiederum möchten lieber mit solchen Gedanken bei sich bleiben.
Für mich wäre solch ein Brief ein letzter Notnagel, wenn die Kommunikation sonst nicht mehr möglich ist. Das scheint mir bei euch nicht der Fall zu sein. Für das, was du erreichen möchtest, finde ich den Brief zu sehr asynchron mit zu vielen Infos und zu vielen Möglichkeiten der Missinterpretation, ohne dass du gegensteuern kannst.
Zurück zum Lernprinzip: Auch wir mussten das in unserer Beziehung erstmal verstehen, wie der andere reagiert, was man wie ansprechen kann usw. Wenn ihr das 9 Jahre vermieden habt, ist es kein Wunder, dass euch das schwer fällt. Die gute Nachricht, es ist kein Hexenwerk, sondern relativ simpel, wenn beide wollen. Natürlich ist es hilfreich, wenn man sich an gewisse Kommunikationsregeln hält (Ich-Sätze, aktives Zuhören, den anderen und seine Meinung erst einmal Wertfrei stehen lassen, ...).
Für deine Inspiration, was uns am Anfang geholfen hat:
• ich hab Artikel (erotik, sexuell) zu bestimmten Themen recherchiert, die mich interessiert haben und ihr davon erzählt. Dadurch war ein Gespräch vorprogrammiert.
• Wir haben uns gegenseitig einen Artikel zu einem Thema gegeben, mit jeweils 5 Fragen. Wer nach einem mal lesen mehr fragen beantworten konnte, hat gewonnen. Einsatz könnten 5 Minuten Massage oder sowas sein. Auch hier war ein Gespräch im Anschluss.
Die fremden Artikel helfen ein Thema erst einmal auf der sachlichen Ebene zu verstehen und zu verbarbeiten bevor man dann auf die persönliche Sicht und die Gedanken des Einzelnen geht.
• meine Frau hat uns das Spiel "Pillow Talk" geholt. Das sind einfach Karten mit Fragen zu Liebe, Partnerschaft und sexuellen Vorlieben. Das funktionert auch immer gut.
• eine Runde Wahrheit oder Pflicht mit einer Handyapp geht natürlich auch, ist aber etwas anzüglicher.
• Wir haben uns den Podcast von Charlotte Roche "Paardiologie" angehört. Es gibt durchaus ein paar interessante Element, die ein Gespräch anregen können, und wenn es die gemeinsame Feststellung ist, dass es viel Süßholzraspeln ist
(zu der Erkenntnis kamen wir)
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Diese Hilfestützen brauchen wir eigentlich nicht (mehr), aber sie kommen immer wieder vor, weil sie einen Gesprächseinstieg angenehm gestalten.
Noch ein Gedanke zu dem Fakt, dass du dich für deine Bi-Sexualität schämst. Ich kann das gut nachvollziehen. Ich habe lange damit gekämpft und tue das teilweise heute noch. Die Akzeptanz meiner Frau und teilweise meiner Freunde haben mir immens weiterholfen, mich anzunehmen, wie ich bin und was ich will. Dennoch kommen manchmal komische Gefühle auf, wenn ich eine entsprechende Szene gesehen habe, wenn wir Analspiele bei mir machen (bis hin zu Strap-On) und sich dann die Lust geleget hat. Da hat die Gesellschaft und meine Vergangenheit doch einige Spuren hinterlassen. Es wird mit der Zeit allerdings immer besser, je mehr wir tun und je mehr wir darüber reden.
Deshalb halte ich es für wichtig, dass du jemanden findest, mit dem du dich darüber austauschen kannst. Natürlich ist die Partnerin hier erste Wahl und es kommt einem Schlag in die Bauchgrube gleich, wenn ein Partner dies ablehnt oder gar verwerflich findet. Dennoch kann ein Partner eben nicht alle Bedürfnisse befriedigen. Deshalb kann es ebenso helfen Freunde zu haben, mit denen du dich über das Thema austauschen kannst oder auch hier im Forum, wo dir Zuspruch widerfährt und du dich daran positiv reflektieren kannst.
Ich drücke dir/euch die Daumen, dass ihr weiter kommt in euren Bemühungen
Le Sybarite