Der unmögliche Verlust desselben
Ich blick's mal wieder nicht:
Was bitte ist eigentlich
Identität?
Das müßte man ja zuvor wissen, um zu bedenken, wie es mit dem
Verlust derselben eigentlich steht.
Identität ist dann, wenn etwas mit etwas anderem identisch, also dasselbe ist.
Sprechen wir von unserer Identität, meinen wir also, wir wären dieselben wie wir. Wenn wir unsere Identität verlieren, sind wir also nicht mehr dieselben, sondern andere.
Also wenn ich Identität hätte, wäre ich mit mir selbst gleich, d.h. mich gäbe es
zweimal, denn wenn es mich nicht zweimal gäbe, hätte ich nichts, mit dem ich identisch sein könnte.
Da es mich nur einmal gibt, habe ich meine Identität also schon verloren, oder vielmehr: noch nie eine gehabt.
Mir scheint, die Rede vom "Verlust der Identität" ist Unsinn.
Ich, also die Instanz in meinem Wesen, die "ich" zu sich sagt, konstruiere mir ein Bild, eine Idee, von mir selbst. Und ich versuche, durch mein Verhalten den anderen dieses Bild von mir zu vermitteln. Damit gebe ich ihnen Anlass, gewisse Erwartungen an mein So-Sein, mein Verhalten, aufzubauen.
Wenn ich nun morgen mich ganz anders verhalte, sind die anderen vielleicht ein wenig verstört. Im krassesten Fall sagen sie, ich hätte "meine Identität verloren". Dabei meint das ja nur: sie blicken's nicht, warum ich mich nun entgegen ihren Erwartungen verhalte.
Es kann auch sein, dass meine Emotionen mich morgen zu Verhaltensweisen hinreissen, die meinem mühevoll konstruiertem Selbstbild nicht entsprechen. Dann gerät mein Ego, also "ich", in Panik, denn es fürchtet nichts mehr, als wenn das Selbstbild, das es aufgebaut hat, Risse bekommt.
Die Idee von "Identität" ist also lebensfeindlich. Sie suggeriert eine Statik, wo es im Leben nur den Fluss und die Wandlung geben kann.
@******n71 stellt "Identitätsverlust" mit "Entindividualisierung" auf eine Ebene. "Entindividualisierung" befreit das Individuum von seiner Unteilbarkeit, d.h. das Individuum wird zwei oder mehrere. Er spricht davon, die "Entindividualisierung" würde die Person zum "Objekt", also zum Gegenstand, machen.
Aber wie kann man, also Dom, eine Person, also Sub, zum Objekt
machen? Das einzig Plausible wäre für mich die Erläuterung, dass Dom den
freien Willen von Sub negiert, also so tut, als hätte Sub diesen nicht. Da aber der freie Wille bei uns Menschen nicht abschaffbar ist, geht das nur, wenn Sub gleichzeitig auf die Ausübung seines/ihres freien Willens
verzichtet, wobei dieser Verzicht wiederum freiwillig geschieht.
Viel konkreter wird das Thread-Thema für mich, wenn ich den in den ersten Postings des Threads genannten Begriff "Hörigkeit" aufgreife. Was passiert, wenn Sub Dom hörig wird?
"Hörig sein" heisst zweierlei: 1. Sub
gehört dem Dom, ist also verfügbarer Besitz, wie Auto, Haus, Boot, Lebensversicherung, und 2. Sub
hört auf Dom, d.h. stellt eigene Willensbekundungen den Befehlen von Dom hintan.
Sub stellt seine Bedürfnisse hintan und verhält sich gemäß den Bedürfnissen von Dom. Vergessen wir nicht: das tut Sub, weil
Sub sich davon einen Gewinn erwartet. Sub hat also durchaus ein Bedürfnis danach, viele eigene Bedürfnisse vor denjenigen des Doms zurückzustellen. Etwa das Bedürfnis nach Anerkennung und Geliebt-Werden.
Das geht dann schief, wenn Dom dieses Bedürfnis nicht befriedigt. Dann ist der Katzenjammer gross. Aber dann haben auch beide die Chance, etwas über ihre konstruierten Selbstbilder und ihre tiefen Bedürftigkeiten zu lernen.
stephensson
art_of_pain