Erwartungen, Erwartungen, Erwartungen ...
Wie bei so vielem Anderen auch, finde ich die Erwartungen an den Sex einfach völlig überfrachtet.
Lieber Antaghar,
Du kennst also:
hauptsächlich Frauen …
• denen Sex neue Energie gibt, die sich dabei entspannen und die frische Kraft für den nächsten Tag tanken.
• bei denen Sex eine Oase der Erholung vom Alltag ist und ihnen neuen Schwung gibt für die Anforderungen des Lebens.
• die danach Bäume ausreißen könnten und sich wie neugeboren fühlen, deutlich wohler als vorher - gestärkt, erfrischt, einfach nur gut.
Und genau auch mit einem solchen Beitrag werden die hohen Erwartungen an den Sex bzw. was man für Gefühle vom Sex erwartet noch immer weiter erhöht.
Vom Sex wird erwartet, dass er eben berauschend, belebend und schlicht und einfach "Leben glücklich machend" ist.
Kann diese Erwartungen der Sex überhaupt erfüllen?
Für mich ist Sex Teil meines Lebens, nicht mehr und nicht weniger und bei mir ist es so: ich habe ein "Lebensgefühl", dass sich eben aus der Summe meines ErLebens zusammensetzt, ein Teil meine Einstellung dazu ist und was und wie ich erwarte und so, wie ich mich (insgesamt) fühle, so habe und erLebe und empfinde ich Sex.
Ich gehe auch noch weiter: im Grundbedürfnis ist und bleibt Sex ein Trieb ... ähnlich wie die Nahrungsaufnahme, nur noch mit dem kleinen Unterschied, dass Nahrungsaufnahme lebenserhaltend wichtig ist, Sex aber primär nicht.
Und ähnlich wie bei der Nahrungsaufnahme habe ich dabei unterschiedliche Ebenen der Genußempfindungen.
Es gibt das schnelle (und nicht mal unleckere) Wurstbrot bis zum (Wohlfühl)Menü alles und ganz viel dazwischen.
Bei Sex unterschiede ich für mich grob zwischen Fünf, Se(x)chs und Sieben.
Und ähnlich wie bei der Nahrungsaufnahme entscheiden verschiedene Faktoren, was es gerade gibt und worauf ich Appetit habe.
Und auch wieder ähnlich wie bei der Nahrungsaufnahme kann ich mir Genüsse durch überfrachtete Erwartungen versauen!
Wenn ich jetzt die Lust bzw. Unlust mal losgelöst von den zu erfüllenden Erwartungen daran betrachte, ist das bei mir (auch) noch an meinen natürlichen Zyklus gebunden.
Bei jungen Mädchen ist das häufig noch gut zu beobachten. Im Laufe der Jahre und der Erziehung, Moral usw. wird gerade das schon unter einem Deckmantel "versteckt".
Und hier schon kommen wieder die gängigen und überall propagierten Erwartungen ins Spiel: man hat Lust zu haben ... in einer Partnerschaft erst recht und sich (gegenseitig) zu begehren usw.
Warum?
Es gibt ja auch gerade hier genug Diskussionen darüber, wie man "Lust" wiederbeleben und erzeugen usw. kann.
Kann es nicht ganz natürlich sein, dass die Lust zum Beispiel gerade bei relativ frischen Eltern einfach aus biologisch Gründen und hormonell bedingt einfach gar nicht da ist?
Aber ohh wehhhhh, wir sind doch zivilisiert und das darf und kann ja nun wirklich nicht sein!
Erst mit diesen Erwartungen wird das Ganze zu einem Problem! Man fängt an zu vergleichen und sich zu grämen und etwas zu vermissen und zu suchen und zu schauen und damit werden wieder und noch mehr neue Erwartungen daran geknüpft.
Und das machen Männer wie Frauen gleichermaßen.
Man fühlt sich irgendwie unwohl, irgendwie unzufrieden und ach ja, daran ist der Sex bzw. der fehlende Sex schuld und wenn erst der Sex das macht und so ist, wie überall propagiert, ja dann wird mein Leben gut und schön und glücklich.
Ganz ketzerisch behaupte ich jetzt: es ist genau anders herum!
Sex ist Ausdruck meines Lebensgefühls und macht nicht mein Lebensgefühl.
Ohne die ganzen Erwartungen, wie ich mich dabei und erst recht hinterher zu fühlen habe, kann ich einfach machen und genießen.
Mit Partner kann es eben auch vieles sein:
• mal einfach gegen kalte Füße, gegen Einschlafschwierigkeiten und auch gegen Kopfschmerzen "helfende"
(das schön sättigende und angenehm ermattende "Wurstbrot" um mal beim Vergleich mit der Nahrungsaufnahme zu bleiben)
• mal einfach das ganz kuschelige und Wohlgefühl fördernde Stillen des Körperkontaktbedürfnisses, was mit dem Partner verbindet, eben einfach Ausdruck des Gefühls für den Partner
• mal einfach triebgesteuerte Erleichterung
• mal das auf- und (lange) anregende sinnliche Spiel (vergleichbar einem ausgibigen Dinner)
...
Offenbar, so scheint es manchmal, gibt Sex den Männern mehr als den Frauen?
Mein Eindruck dazu ist, dass bei (vielen) Männern die Erwartungshaltung nicht ganz so groß ist und die rein körperliche Erleichterung (Befriedigung) einfach auch mal so gelebt wird.
Dann ist Sex eben schön ermattend und wird auch einfach so "benutzt", um gut einschlafen zu können und zur puren Entspannung und fertig.
Oder haben wir heutzutage nur verlernt, Sex auch als Stärkung, als Kraftquelle, als erfrischend, aufbauend und energiespendend zu erleben?
Meiner Meinung nach trifft genau das Gegenteil zu. Sex wird benutzt bzw. wird versucht ihn zu benutzen, als Kraftquelle, zur Erfrischung ...
Freude empfinden zu können, ist aber ein Stück Persönlichkeit, kann erlernt, verstärkt und geübt werden ... aber nicht abhängig von etwas wie eben Sex oder Nahrungsaufnahme oder dem Verhalten eines Partners usw. gemacht werden.