Was ist da anders, wenn eine Frau den Sex nur noch als lästig empfindet, einen großen Bogen um ihn macht und ihn zu vermeiden versucht, sich nicht dazu aufraffen kann, weil es sie angeblich zu sehr anstrengt und auch noch Kraft kostet?
Liegt es an ihren Männern? Oder liegt es daran, dass diese Frauen auch beim Sex möglichst perfekt sein wollen, sich nicht gehen lassen und nicht genießen können? Oder daran, dass sie Sex als Turnübung und Leistungssport betrachten?
Lieber Antaghar!
Ich kann natürlich nicht gehen, ohne mich hier geäußert zu haben... erst einmal herzlichen Dank dafür, dass Du die Anregung aus dem Nachbarthread aufgegriffen hast.
Ich möchte mich direkt auf Dein Eingangsposting beziehen und versuchen, ein paar Antworten zu finden:
Ich bin sehr wohl der Meinung, dass man da eine klassische Mann-Frau-Unterscheidung machen muss, um zu verstehen, wo das Problem liegt.
Ja, viele Frauen (nicht alle, aber sehr viele) stehen tatsächlich beim Sex unter Leistungsdruck und unter Perfektionszwang. Sie nehmen wahr, dass ihre Partner sehr auf visuelle Reize reagieren - eine typisch männliche Eigenschaft - und empfinden sich selbst oft als ungenügend reizvoll. Sie bemängeln ihre Ärsche, ihre Cellulitedellen, ihre Bäuche, ihre hängenden Brüste... sie haben, allgemein gesagt, oft schon bei verhältnismäßig kleinen körperlichen Defiziten große Komplexe. Männer nehmen sich selbst bei WEITEM nicht so selbstkritisch wahr wie Frauen. Ein Bierbauch oder fehlende Muskeln halten Männer doch eigentlich nicht davon ab, gerne und häufig guten Sex zu genießen. Sie denken beim Sex nicht "Oh Gott, merkt er meinen schlaffen Bauch, gefallen ihm meine komischen Brüste, neulich hat er so nach der jungen Nachbarin geschielt und gedacht, ich sehe es nicht..."
Frauen denken komplexer, vielschichtiger, Frauen machen sich ständig Sorgen... und Frauen können mit der verfluchten Denkerei oft eben nicht aufhören, wenn es ins Bett geht. Sie hören auch beim Sex die Fliege an der Wand und das Husten des Kindes im Nebenzimmer.
Frauen haben oft das Gefühl und die Idee, beim Sex geben und leisten zu müssen, um den Mann halten zu können. So finden sich Männer oft in der klassischen Genießerrolle wieder.
Frauen tun sich schwerer damit, abzuschalten, vom fallenlassen will ich gar nicht anfangen.
Wenn eine Frau einmal lustvoll Sex haben konnte und plötzlich ist sie dazu nicht mehr in der Lage, dann steckt dahinter zumeist ein sehr komplexes gedankliches Geschehen, eine Mischung aus Ängsten und Überbelastung.
Wo für Männer der Sex oft eine Gelegenheit ist, um Ego und Kraftreserven wieder zu stärken, da lassen Frauen beim Sex oft noch Energie. Sie sind mit ihrer Aufmerksamkeit sehr stark beim Partner und dessen Bedürfnissen. Sie finden den "Ausknopf" für den Kopf nicht.
Ich füge noch ein paar persönliche Worte an, wenn Du erlaubst:
ich selbst zähle mich zur Gruppe der HSP (wer darüber mehr wissen möchte, kommt die Gruppe "Zarte Saiten" besuchen oder googlet nach) und darum empfinde ich Sex besonders. Sex bedeutet für mich eine Überflutung mit Sinneswahrnehmungen. Stimmung, Energien, Reize, taktil, akustisch, olfaktorisch... unglaublich. Durch meine Hochsensibilität erlebe ich Sex natürlich besonders intensiv, aber ich erreiche dadurch auch sehr schnell einen Punkt, an dem es mich einfach überwältigt und ich nicht mehr kann. Ich empfinde Sex als unglaublich intensiv und ich brauche meine ganze Aufmerksamkeit, um ihn genießen und mich darin auflösen zu können.
Wenn ich nun durch den Alltag bereits geschwächt bin, meine Aufmerksamkeit nicht fokussieren kann oder mein Level an Eindrücken für den Tag eh schon fast gesättigt ist, dann ist Sex mir oft einfach zuviel.
Ich gehöre zu den Menschen, die Sex auch nicht halbherzig haben können oder mit halber Aufmerksamkeit... das fühlt sich für mich und sicher auch für den aufmerksamen Partner einfach nicht gut an... also verzichte ich dann häufig lieber.