Sollten sich zwei Personen geradezu verflechen in allen Lebensbereichen, nur Sex muß davon gerennt betrachtet werden? Das ist mir zu abgehoben ...
1) Sex muß nicht abstrakt betrachtet werden - er kann. Das ist ein kleiner, aber wichtiger Unterschied.
2) Die "Verflechtung" der Personen ist ein uraltes Bild: Philemon & Baucis, das alte Liebespaar, das den unter der Tarnkappe auf Erden wandelnden Jupiter freundlich aufgenommen hatte und darob einen Wunsch frei bekam, entschieden sich: keiner sollte vor dem anderen Sterben, auf immer wollten sie zusammen bleiben. Und prompt wurden sie in zwei Bäume verwandelt, die sich ineinander "verflochten" hatten. Noch heute nennt man solche Baumpaare nach dieser antiken Legende.
Es ist - meiner Meinung nach - auch "nur" eine Legende, ein Anspruch, der an Beziehungen regelmässig herangetragen, aber nur recht selten auch wirklich eingelöst wird. Der Anspruch ist ein romantischer: die tiefe, selbstlos-innige Liebe, den Ritterballaden des Mittelalters entnommen, und in eben der als "Romantik" bezeichneten Periode am Ende der Aufklärungszeit dortselbst entlehnt, auf das Bürgerliche Leben übertragen, mit der Vernunftehe als verteufeltem Gegenbegriff. Zahllos sind die Romanzen von Gotthold Ephraim Lessing bis Bollywood, in denen junge Leute von hartherzigen Eltern zur Ehe gezwungen werden sollen - meist des schnöden Mammons wegen, und nach einer mehr oder weniger dollen Burleske sich dann doch noch in Arme sinken dürfen. Fin - Abspann, und über den Rest der Tragödie wird geschwiegen. Nur Ephraim Kishon hat einmal in seiner Kommödie "Es war die Lerche!" Romeo und Julia ein Paar werden lassen, daß sich mit Haushaltskram, Geldsorgen und schreienden Kleinkindern allmählich dem Irrenhaus entgegenzofft.
Der Begriff der "Partnerschaft" bietet ein weniger romantisches, aber dafür tragfähigeres Beziehungsmodell - das an eben diese Vernunftehen der frühen Neuzeit anknüpft. Auch in einer solchen Partnerschaft entstehen Gefühle - und ich persönlich glaube, daß die fürsorgliche Liebe, die solch eine langjährige "vernünftige" Partnerschaft "in guten und schlechten Zeiten" eine ganz andere Qualität hat, als die Schönwetterliebe der romantischen Liebesbeziehung, die beim ersten "Fremdgehen" oder ähnlichem gleich als "kaputt" ad acta gelegt wird, und man auf zu neuen Ufern strebt.
Ich gebe gerne zu, polemisiert zu haben - ich hoffe, daß es deutlich geworden ist, was ich damit sagen will.