»Bonsoir mes cher.« Schon diese wenigen Worte ihrer überraschend tiefen Stimme genügen, um die Stimmung erotisch aufzuladen. Ihre langen offenen roten Haare hat die Valtesse um sich drapiert. Ihre weiße Bluse ist schicklich bis nach obenhin geschlossen. Sie trägt einen mehrschichtigen leichten dazu passenden weißen Rock aus hauchdünner Seide, den sie niemals außerhalb dieser Mauern präsentieren dürfte.
»Tu aimes aussi le vin?«
Ebenfalls auf Französisch antwortet Ana: »Liebend gern. Und, wenn ich es so sagen darf, Ihr seht bezaubernd aus.«
»Dem darf ich mich anschließen, Madame de la Bigne und ich danke für Euer Angebot«, ergänzt Tom.
Sie richtet sich auf, gießt eigenhändig zwei Gläser ein und lädt uns ein, uns in die bequemen Sessel zu setzen, die beiderseits der Chaiselongue stehen, der Valtesse zugewandt.
»Ich möchte Euch aufrichtig zu unserem Werk gratulieren. Auch und gerade, weil es trotz der recht lockeren Sitten hier in Paris dennoch einen Skandal ausgelöst hat.« Dabei prostet sie uns zu. »À votre santé.«
»Madame, wir hatten es bereits geahnt und Euch gewarnt. Umso mehr bewundern wir Euren Mut, nichts von den, wie soll ich sagen, unzweideutigen Schilderungen Eurer Amouren aus den Manuskripten gestrichen zu haben«, sagt Tom und blickt Ana an, die ergänzt.
»Ja, verehrte Madame de la Bigne, auch ich zolle Ihnen Respekt, denn einige der Szenen werden für die Gesellschaft empörend sein.«
»Meine lieben Lievens, aber natürlich werden sie das sein. So ist es beabsichtigt, denn ich habe schließlich meinen Ruf zu festigen. Glaubt mir, eine Schlüpfrigkeit hier und da ist dem durchaus zuträglich. Und da ich mich zudem in weiser Voraussicht dafür entschieden habe, diese Memoiren nicht einem hiesigen Autoren anzuvertrauen, sondern ausgerechnet einem Paar und dann noch eines aus dem Land des Erbfeindes, war die Reaktion Kalkül.«
»Aber wird Euch dies nicht durch bestimmte Kreise der Gesellschaft sehr zum Nachteil ausgelegt werden?«, fragt Tom.
»Oui mon ami«, und sie lacht dabei herzlich auf, »aber mein lieber Tom, wisst ihr, das schert mich wenig. Ich bin sehr wohlhabend und wenn ich skandalumwittert bin, ist dies für viele gerade der Reiz, sich in meinen Salons blicken zu lassen. Das Verruchte gewinnt immer gegen die Moral, das dürft Ihr mir glauben.«
»Nun, auch wenn wir es vielfach bei Andeutungen beließen, so wird doch die Phantasie der Leser sich zwanglos die nicht geschilderten Details so mancher erotisierender Szenen dazudichten können. Ich denke da vor allem an diejenigen, von denen Ihr uns erzähltet, in denen Ihr, eine Freundin und ein Freund euch zu dritt amourösen Freuden hingegeben hattet. Und dies mag selbst für Pariser Verhältnisse anstößig sein«, vermutet Ana.
»Liebste Madame Lieven, ach was sage ich, liebste Ana, ich deute an, und die Menschen erzeugen sich ihr eigenes erotisches Schauspiel im Kopf. Dafür kann doch ich nicht die Verantwortung tragen?« Wieder kicherte sie und fährt sich wie beiläufig mit der linken Hand über ihre rechte Brust und schiebt sich eine Locke aus der Stirn. »Und das Buch verkauft sich rasant. Die Menschen dürsten nach solchen Episoden vor allem dann, wenn ihr eigenes Liebesleben ein Hort der Tristesse ist.«
»Ich habe eine ganz persönliche Frage, Madame de la Bigne ...«
»Oh nennt mich bitte Valtesse, lieber Tom«, unterbricht sie ihn.
»Liebend gerne. Mich interessiert natürlich brennend, nun da nichts mehr am Buch zu ändern ist, habt ihr all diese und anderen Begebenheiten wirklich erlebt oder sind einige Eurer Phantasie entsprungen?«
Anstatt einer Antwort streckt sich die Valtesse lang auf der geräumigen Chaiselongue aus, rafft ihre Röcke, so dass ihre rasierte Scham zwischen den schneeweißen Schenkeln zum Vorschein kommt.
»Ana und Tom, ihr wollt einen Beweis? So holt ihn euch!«, fordert sie und knöpft sich die Bluse langsam auf ...