Ich mag den Begriff "Augenhöhe" nicht. Aber er ist nützlich, denn es ist ein einzelnes Wort, das etwas in Worte fasst, was man sonst mühsam erklären müsste.
Es geht zum einen darum, dass Dom sicher sein kann, dass Sub einverstanden ist. Dom kann sich dessen aber nur dann sicher sein, wenn deutlich erkennbar ist, dass ihm/r gegenüber ein reflektionsfähiger und entscheidungsfähiger Mensch ist, der von seinen geistigen und seelischen Fähigkeiten her genauso weit/groß/erwachsen ist wie Dom. Sub soll in seiner geistigen und seelischen Reife oder Entwicklung auf dem selben Niveau wie Dom sein, sich also frei für und gegen Dinge entscheiden können.
Wenn dieser Aspekt der Augenhöhe nicht erfüllt ist, weil Sub zum Beispiel durch geistige oder seelische Einschränkungen nicht in der Lage ist, sinnvoll und selbstständig für sich zu entscheiden und Dinge abzuwägen, zuzustimmen oder auch abzulehnen, dann kommt Dom schneller in die Nähe von Missbrauch als ihm/r und Sub lieb ist.
Der zweite Aspekt, der mit dem Begriff "Augenhöhe" abgedeckt wird, hat damit zu tun:
wo die Meinung von Sub keine Folgen hat.
Es bedeutet, dass es Zeiten gibt in denen Sub nicht "aufpassen" muss, was sie sagt, tut oder sein lässt.
Mal ein Beispiel: Sub darf Dom nicht kitzeln. Das passt diesem Dom nicht, er möchte von seiner Sub nicht gekitzelt werden.
Augenhöhe heißt: wenn die beiden gerade nicht ihr Bdsm ausleben, darf Sub Dom kitzeln so viel sie möchte (solange sie das Echo verträgt) und Dom darf dieses Verhalten später, wenn sie wieder im Bdsm-Modus sind, nicht bestrafen, rügen oder als Anlass für Maßnahmen nehmen. Sub hat dadurch die Sicherheit, dass das, was sie als Mensch tut, nicht als Sub bestraft wird.
Das gleiche gilt aber auch umgekehrt. Wenn der Mensch als Sub einen Fehler macht (korrekte Anrede vergessen zum Beispiel), darf ihr das, sobald die Session vorbei ist, nicht mehr als Fehler unter die Nase gerieben werden und der im Bdsm dominante Mensch darf ihr außerhalb des Bdsm nicht böse dafür sein.
Natürlich ist es nie so 100%ig getrennt, wie ich es jetzt der Einfachheit halber beschrieben habe, es geht aber um ein grundsätzliches Verständnis in diese Richtung.
Besonders wichtig ist dieser Aspekt, wenn es darum geht, dass Sub ohne Angst vor Strafe sagen kann, was ihr gefällt und was nicht. Wenn Sub Angst haben muss, dass jede Meinungsäußerung als (unangemessene) Beschwerde betrachtet und geahndet wird, wird Sub nicht sagen, dass das Wachs zu heiß war oder die Schläge zu hart oder solche Dinge. Wenn aber jemand aus Angst nichts gegen Dinge sagt, die ihm nicht gefallen und die er nicht will, dann liegen wiederum seelische Einschränkungen in der Entscheidungsfähigkeit vor. Was wieder in Richtung Missbrauch tendiert.
Augenhöhe heißt mindestens: Diese Angst brauchst du nicht zu haben. Ich (dom) werde dich nicht dafür bestrafen, wenn du sagst, dass dir etwas nicht gefällt und ich werde das, was dir so sehr missfällt, dass du es zum Tabu erklärst, nicht (mehr) machen.
Es kann aber natürlich noch viel mehr zusätzlich bedeuten. Und in den meisten Fällen tut es das auch. Es läuft schließlich ungefähr auf diesen Punkt hinaus:
Wir wollen beide etwas voneinander haben und geben uns das gegenseitig. Deshalb sind wir auch zu allererst Menschen und deshalb tut Dom nicht nur das, was er will sondern hört auch darauf, was Sub will und setzt das davon um, was ihm auch gefällt anstatt stur sein Programm durchzuziehen. Und Sub ordnet sich nicht nur unter, sondern sagt auch ihre Meinung in dem Wissen, dass dies nicht bestraft oder ignoriert wird. Beide tragen zu ungefähr gleichen Teilen zur Gestaltung der Beziehung bei.