Der Spiegel vom 08.01.2021
In der Pandemie-Bekämpfung können Schnelltests eine wichtige Rolle spielen. Richtig angewendet und eingesetzt, da sind sich viele Experten einig, könnten sie helfen die Verbreitung des Coronavirus einzudämmen. Denn sie liefern schnell und ohne großen Aufwand Ergebnisse – vor allem dann, wenn Patienten eine hohe Viruslast tragen.
Doch die Tests bleiben ein Politikum: Manchmal sind sie nicht da verfügbar, wo sie gebraucht werden, etwa in Pflegeheimen. Oder es gibt es kein Personal, das sie bedienen kann. Und schließlich mehren sich Zweifel, wie viele der auf dem Markt befindlichen Tests wirklich etwas taugen.
Denn ein Großteil der in Deutschland angebotenen Schnelltests auf Sars-CoV-2 ist nach SPIEGEL-Informationen bisher nicht unabhängig geprüft worden. Zwar werden beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) mehr als 300 solcher Tests geführt. Doch gerade mal 25 Tests sind vom Paul-Ehrlich-Institut (PEI) unabhängig kontrolliert worden.
Um auf die lange BfArM-Liste zu kommen, dürfen Hersteller ihre Produkte selbst zertifizieren, ohne externe Kontrollen. Experten bemängeln eine unzureichende Studienlage: Was mancher Antigentest wirklich misst, ist nicht immer offensichtlich. Soll ein Test auf die PEI-Liste kommen, muss er zur Evaluierung angemeldet werden. Das machen nur wenige Anbieter. Fünf geprüfte Tests sind dabei bereits durchgefallen – sie stehen auch nicht mehr auf der Liste; alle gescheiterten Anbieter befinden sich im Rechtsbehelfsverfahren. Welche Hersteller die Validierung nicht bestanden haben, wolle man »in Kürze« veröffentlichen, so eine Sprecherin des Bundesgesundheitsministeriums.
»Wir sehen den aktuellen Zustand als sehr problematisch an«, sagt die Leiterin der klinischen Tropenmedizin an der Universität Heidelberg, Claudia M. Denkinger. »Das aktuelle Vorgehen führt dazu, dass möglicherweise schlechte Tests auf den Markt kommen und Menschen dadurch das Vertrauen verlieren«.
Schnelltests sind weniger zuverlässig
Als weiteres Problem bleibt, dass die Aussagekraft von Schnelltests häufig falsch eingeschätzt wird. Denn ein negatives Ergebnis beim Antigentest schließt eine Infektion nicht aus. Da bei den Schnelltests das Abstrichmaterial nicht extrahiert und konzentriert wird, gibt es hier häufiger ein Problem mit der Sensitivität (also der Frage, wie viel Prozent der Infizierten erkannt werden) – gerade beginnende Virusinfektionen werden oft nicht erkannt. Immer mehr Experten geben den Ergebnissen eines Schnelltests nur eine Gültigkeit von sechs Stunden.
Ein Beispiel aus einem Hamburger Labor: Ein Matrose wurde mit einem Schnelltest kurz vor Weihnachten negativ getestet. Parallel wurde ein Abstrich für die PCR-Untersuchung in ein spezialisiertes Labor geschickt. Der Antigen-Schnelltest war negativ, der Matrose wurde aufs Schiff gelassen und das Schiff lief aus. Der Labor-Test fiel jedoch schwach positiv aus. Was folgte, waren große Diskussionen mit dem Reeder. Das Labor empfahl eine sofortige Kontrolluntersuchung. Das Gesundheitsamt beließ den Matrosen auf dem Schiff. Einen Tag später bekam der Seemann auf dem Schiff hohes Fieber und Atemnot. Er musste mit dem Hubschrauber aus dem Ärmelkanal ausgeflogen werden – und kämpft nun auf einer Intensivstation um sein Leben.