Herausforderungen und Tipps
• Welchen Herausforderungen habt ihr in eurer offenen Beziehung schon gegenübergestanden?
Es ist eine Herausforderung, wenn es für den einen gerade "gut läuft" und für den anderen nicht. Wenn wir beide zum Beispiel einen "Abend jeweils mit anderen" verabredet haben,
sie sich mit einer "Freundschaft plus" trifft und
ihm abgesagt worden ist - dann sollte
sie nicht ebenfalls absagen.
Umgekehrt kann es sein, dass an einem Clubabend
er Sex mit drei Traumfrauen hat, während
sie leider ihre dortigen Spielpartner nicht in so bester Erinnerung hat.
• Was hat das mit euch gemacht und wie seid ihr den Herausforderungen begegnet?
So absurd das zunächst klingt:
Solidarität und Rücksichtnahme können auch
falsch sein. Und zwar dann, wenn sie nicht nötig ist.
Wir mussten uns abgewöhnen, ein schlechtes Gewissen deswegen zu haben, weil es einem mit dem eigenen Sexleben momentan besser geht, als es dem Partner. So herum wird nämlich ein Schuh daraus: Es spielt nicht Eifersucht eine Rolle; immerhin nimmt man sich ja letztendlich dasselbe heraus, und was der Partner macht, ist nichts anderes als das, was man selbst für sich auch möchte.
Überwinden kann man das, wenn man sich vor Augen hält:
• Geht es einem derzeit besser, kann sich das Blatt auch wenden. Das tut es auch, vielleicht auch am nächsten Tag; dies ist unsere Erfahrung.
• Wenn es für den einen oder anderen "extern" nicht läuft: Man kann auch miteinander guten Sex haben. Ein Unterversorgungsproblem besteht also nicht. Gejammert wird allenfalls auf hohem Niveau.
• Daher kann man dem Partner auch sagen, dass man sich freut, wenn er guten "externen" Sex hat und mit dem Sex mit dem Partner zufrieden ist.
Es ist natürlich eine Voraussetzung, dass man es als eigene Aufgabe ansieht, die Partnerin oder den Partner zu befriedigen - und dass völlig klar ist, dass das Zuhause und das Bett, in das man zurückkehrt, dasjenige ist, in dem auch der Partner oder die Partnerin schläft.
• Welche Tipps habt ihr noch für Mitglieder, die diesen Schritt ebenfalls gehen wollen?
Nicht nur auf das Obige bezogen:
• Oberster Grundsatz:
"Ich lebe kein Doppelleben." Man muss nicht jedem alles erzählen; man muss der Oma, den Kollegen oder dem Chef nicht sagen, was man "untenherum" lebt, das geht sie auch nichts an, oder sie wollen es gar nicht wissen. Es sollte aber zugleich keine Katastrophe sein, wenn irgendwie irgendwo eigenes Leben bekannt wird. Riesige Krisen sind nicht auf Grund von Verhaltensweisen, sondern auf Grund von Heimlichkeit entstanden.
•
Vereinbart, dass Ihr Vertrauliches anderer Menschen auch in Eurer Beziehung nicht thematisiert. Jedes Ärzte-Paar weiß, dass die Schweigepflicht über Patienten auch zu Hause besteht. Auch wenn man nicht Arzt ist, sollte man nicht offenlegen, was einem andere Sexpartner im Vertrauen mitgeteilt haben. Den Satz: "Das erzähle ich nicht von ihm / ihr, das ist zu intim" oder "Das ist mir persönlich anvertraut worden" sollte man auch innerhalb einer Beziehung wie selbstverständlich sagen dürfen. Wenn man ihn als Partner zu hören bekommt, sollte man es schätzen, dass die eigene Partnerin oder der eigene Partner - auch zum eigenen Vorteil - diese Sensibilität besitzt.
•
Deutet nicht zu viele Gefühle als Eifersucht. Wenn es bei einem mal blöd läuft, hängt das dumme Gefühl, das man dann hat, damit zusammen, und nicht unbedingt Eifersucht wegen des guten Sex, den der Partner oder die Partnerin hat.
•
Ihr steht nicht im Wettbewerb mit "Externen". Wenn Ihr nicht mit dem Gedanken zurecht kommt, dass Ihr selbst oder Euer Partner oder Eure Partnerin auf sensationelle Sexpartner stoßen könnten, lasst das mit dem Öffnen besser. Wenn Du eine Frau bist, und das beste Stück eines Sexpartners bereitet Dir mehr Freude als das Deines Partners, ist das in Ordnung. Genieße es, und sage es ihm ruhig. Es gibt zwei denkbare Reaktionen auf den begeisterten Sex-Bericht mit einem oder einer "Externen": "Liebst du mich noch?" oder "Wirklich? Klasse, erzähl mal, was hat er / sie denn gemacht; zeigst du mir das mal?" Ihr solltet zur zweiten Reaktion bereit sein.
Und ich verrate hier den Frauen einmal ein Geheimnis: Wisst Ihr, weshalb Männer zu Prostituierten gehen? Weil viele von ihnen beim Sex technisch besser sind als Ihr. Kein Wunder, das sind Profis, und was machen die den ganzen Tag beruflich? Kann ein Hobbyhandwerker normalerweise ein Auto besser reparieren als ein Kfz-Meister? Na also. Das macht Euch nicht unattraktiv.
•
Stellt erlernte Geschlechterrollen in Frage. Die gesellschaftlich kolportierten Geschlechterrollen sind mit einer offenen Beziehung nicht kompatibel. Wenn Ihr Euch als Mann oder Frau so verhaltet, wie es im Film oder bunten Blättern den Rollenklischees entspricht, funktioniert das nicht. Das gilt vor allem, aber nicht nur für Frauen - da sollte man akzeptieren, dass die Sexualität für sich selbst da ist, und es völlig legitim ist, Männer (oder andere Frauen) "aufzureißen", Fetische zu haben und zu leben.
• Seid Euch darüber im Klaren, dass Ihr - wenn Ihr diesen Lebensstil weiter leben wollt - zwar keine Freunde verliert, aber
viele Freundschaften und erst Recht Partnerschaften nur mit Gleichgesinnten stattfinden können. Freunde akzeptieren offene Beziehungen zwar, finden sie aber erfahrungsgemäß skurril und fürchten manchmal auch, dass sie plötzlich verführt werden sollen. Bei Partnerschaften ist dies noch klarer: Entsprechen offene Beziehungen dem eigenen Bedürfnis, geht es nicht mehr "geschlossen". Irgendjemandem, den man kennenlernt, kann man aber zum Beispiel als Hardcore-Swingerin beim ersten Treffen unmöglich sagen: "Du, ich habe da so ein Hobby, ich brezel mich gern so auf, dass ich geil gefunden werde, und lasse mich dann an einem Abend von drei bis vier Kerlen poppen." Allenfalls in zehn Prozent der Fälle wird die Antwort dann lauten: "Schön, das macht bestimmt viel Spaß, wo denn, nimmst du mich mal mit?"
Dazu auch nett: "Der Tag, an dem ich auf die Frage, mit wie vielen ich schon Sex hatte, nur mit einem hysterischen Lachanfall antworten konnte." Der kommt zumeist so spätestens mit 35 bis 40 Jahren.
• Macht
klare und realistische Regeln, die das
"Zuhause" vom "Externen" trennen. "Geschlafen wird zu Hause" oder "kein Sex im gemeinsamen Bett" sind zwei denkbare Regeln. Unrealistisch sind allerdings "Betretungsverbote" oder "Kennenlernverbote". Aus Sex können sich auch sehr nette Freundschaften entwickeln. Sexpartner nicht zum Geburtstag einladen zu dürfen, ist daher überzogen. Man darf aber vom Partner auch nicht fordern, die eigenen Sexpartner so toll zu finden wie man selbst.
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Lasst Eure Partner nicht Eure Beziehungsprobleme mit anderen lösen. Das können sie nämlich nicht. Und dazu sind sie auch nicht da.
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"Ist Dir Dein Ruf lieb, tu's nicht im Betrieb." Gemeint ist hier nicht die eine, langjährige Ehe zwischen Herrn Schmitz aus der Personalabteilung und Frau Schmitz vom Einkauf, wo dann auch noch Schmitzens Tochter und ihr Freund in den Semesterferien aushelfen, sondern gemeint sind Affären und "Freundschaften plus" nach einer Öffnung der Beziehung. Nette Sex-Gelegenheiten gibt es auch woanders.
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Zerredet nicht alles. Überall liest man, man solle offen miteinander sprechen. Man kann mit viel theoretischer Problemsucherei - wo kein Problem ist - auch vieles zerreden.