Der Konstruktivismus und die narrative Identität...
„Der Konstruktivismus und die narrative Identität...
Nachdem sich hier:
F ohne + ? Hat sich das "Motiv" eurer Anmeldung geändert? gewünscht wurde, einen eigenen Thread zum Konstruktivismus aufzumachen - komme ich dem nur all zu gern nach.
Ich versuche das so einfach und allgemeinverständlich anzugehen wie's geht. Bei Fragen, einfach fragen - und wenn's umfangreiche Erklärungen braucht oder sehr viele Details, die hier vielleicht den Diskussionsfluss irgendwie aufhalten würden, schreibt mich einfach an, vielleicht kriegen wir das dann auch bilateral hin.
Wie kommt man überhaupt auf sowas?!?
Naja, eigentlich nur über eine kleine spitzfindige Wortklauberei.
Da hieß es:
Also die Wahrnehmung von einem Menschen kann sich hier sehr stark von der Realität unterscheiden.
Und ich konterte darauf, dass ich ohnehin keine Aussage über Realität machen kann und mich mich entsprechend gern auf eine zusammenpassende Wirklichkeit einlasse, wenn es darum geht, Menschen kennenzulernen.
Und so kamen wir dann zum radikalen Konstruktivismus...
Radikaler Waszumteufel?!?
Ich versuche das so verständlich wie möglich zu erklären. Wie gesagt: Bei Fragen - einfach raus damit.
Also: Im Großen und Ganzen unterscheide ich zwischen "Realität" und "Wirklichkeit".
Sowas wie eine "Realität" muss es schon irgendwie geben - aber ich kann nichts wahres darüber sagen.
Ich habe aber mehr oder weniger zuverlässige Sinnesorgane, die mir diese Realität vermitteln und ein Gehirn, dass aus all diesen Reizen und Impulsen etwas macht: "Wirklichkeit". Realität wirkt also auf mich.
Ich kann aber im Grunde nur eine wahre Aussage darüber machen, was diese Wirkung angeht. Ich kann also sagen: "Die Rose ist rot" - und das ist dann mein rot. Wie du, lieber Leser, rot siehst oder ob du es überhaupt sehen kannst (wenn du rot/grün-blind bist ist das für dich vermutlich grau?), weiß ich nicht. Deine Sinnesorgane funktionieren anders als meine - dein Gehirn funktioniert anders als meins. Du hast also eigentlich eine ganz andere Wirklichkeit als ich, in der es vielleicht Ähnlichkeiten und Schnittmengen gibt.
Genau diese Ähnlichkeiten und Schnittmengen sind für mich Teil einer narrativen Identität.
Ja, ich weiß, ich benutze den Begriff unscharf - also liebe Philosophiedoktoranden, steinigt mich nicht sofort.
Narrawas? Haste jetzt die Narrenkappe auf?!?
Nein, nein. Ich neige zwar zu Späßen, aber in diesem Fall ist das ein bisschen anders. Die "narrative Identität" ist, einfach erklärt, die "Geschichte die man sich selbst und anderen über sich erzählt".
Wenn man sich kennelernt, dann erzählt man über sich selbst etwas, das dem Gegenüber ein Bild davon vermitteln soll, wer man ist. "Wer man ist" ist so eine von diesen unglaublich großen und vielschichtigen Fragen - und darum ist's ab und an ganz gut, wenn man es in eine Geschichte verpackt, die der andere verstehen kann.
Da hilft es, wenn die Wirklichkeit gemeinsame Schnittmengen hat.
Es hieß dann:
Die Intentität hängt sehr von der Selbsteinschätzung und Darstellung ab, oftmals sind es wohl auch Wunschvorstellungen die hier dargestellt werden. Die Leute können in der Anonymität des Internets, in diesem sicheren, anonymen Raum auch in eine Rolle schlüpfen. Also die Wahrnehmung von einem Menschen kann sich hier sehr stark von der Realität unterscheiden. Manche scheinen hier aufzublühen, bekommen in der Realität aber kaum ein Wort heraus um nur mal ein extremes Beispiel zu nennen.
Das gehört zum Narrativ dazu. Wenn ich mir selbst und auch anderen die Geschichte erzähle, dass ich der tollste Karpfen im Teich bin, dann ist das womöglich eine ganz gut konstruierte Wirklichkeit, die ich mit mir herumtrage.
Mein persönliches Narrativ basiert dabei auf den Dingen, die ich erlebt habe, dem, was mir andere über mich erzählt haben, dem was ich mir wünsche und vorstelle - all das wird zusammenverwoben zu einer Geschichte, die ich über mich erzähle und die ich von mir für wahr halte. Und bei meinem Gegenüber ist das ganz genau so.
Ja... und jetzt? Was zum Teufel willst du damit jetzt sagen?!?
Eigentlich ist "des Pudels Kern" an dieser Stelle für mich, dass es mir nicht unbedingt auf das Medium ankommt, über das wir diese Geschichten austauschen.
Für mich ist "einen Menschen kennenlernen" genauso schriftlich, telefonisch oder in einer physischen Wirklichkeit möglich. Das sind für mich nur unterschiedliche Trägermedien für die gleichen Geschichten, die wir uns gegenseitig erzählen.
Klar. Menschen verhalten sich hier anders als in der physischen Wirklichkeit. Das liegt einfach daran, dass deutlich mehr Reize und Nervenimpulse umgesetzt werden müssen und einfach viel mehr "Daten in die Konstruktion" einfließen. Es kommt zu intuitiver Ablehnung oder Zuneigung basierend auf biochemischen Reaktionen, die hier nicht stattfinden können.
Aber all das, ändert ja nichts am Menschen selbst, oder? Die Geschichten, die wir uns selbst erzählen würden bei Zuneigung oder Ablehnung nur von denen abweichen, die wir dem jeweils anderen erzählen. Sprich: Wenn ich jemanden intuitiv nicht mag, erzähle ich ihm vielleicht nur einen Teil meiner Geschichte.
Und das ist dann der Grund, warum Menschen online "aufblühen" aber in der physischen Wirklichkeit "kein Wort rausbekommen". Sie sind vielleicht eingeschüchtert oder mögen sich nicht und wollen einander nicht die ganze Geschichte erzählen.
Alter! Das is scheiße kompliziert! Sicher dass du hier richtig bist?!? Hier geht's um's vögeln, nich um Philosophie-Proseminare...
Naja... ich mag's erstmal ein paar Gedanken zu zerwühlen, bevor ich mit meine Gegenüber die Kissen zerwühle.
Insofern steht für mich "kennenlernen" vor "vögeln". Und das wiederum bedingt, dass man sich gegenseitig die Geschichten der jeweils eigenen Wirklichkeit erzählt.
Das hängt bei mir von der Zeit ab und wie gut wir uns kennen.
ob ich das jemanden dann online erzähle oder beim Kaffeekränzchen.
Wenn ich dir vertraue dann darfst du das wissen.
desto ungenauer nehme ich das dann mit den Details.