„Und wenn sie wütend ist, ist keine Ablehnung deiner Person, sondern nur ein dich verletzen wollen.
Moment Mal. Wenn eine Frau einen Mann voller Wut zurückweist, dann will sie schlicht und ergreifend eines: Ihre Freiheit von diesem Kerl.
Und Wut mit "den anderen verletzten wollen" gleich zu setzen halte ich für sehr gewagt.
Mittels Wut absichtlich zu verletzen ist meines Erachtens die Ausnahme und nicht die Regel.
Wut kann verschiedene Ziele haben. Sie kann sich gegen ein unerwünschtes Ereignis, gegen eigenes Versagen, gegen das störende Verhalten einer anderen Person oder aber auch direkt gegen die Person richten.
In dem Fall, in dem sich die Wut direkt gegen eine Person richtet, kann es auch verletzend werden.
Aber die meisten Menschen richten ihre Wut nicht direkt auf eine Person und selbst wenn, liegt "verletzen wollen" meist auch nicht in deren primären Absicht sondern ist bloß eine sekundäre Absicht. Oder Verletzungen waren überhaupt nicht beabsichtigt sondern nur eine Nebenwirkung.
So oder so: Wut schafft Distanz.
In der Wut spürt man sich selbst besser, ist mehr bei sich und fühlt sich überaus lebendig.
Man merkt, was man nicht will und die beteiligten Personen merken es dann auch.
Wenn es gut läuft, kommt man sogar darauf, was man will.
Und die Wut gibt einem die Kraft, für die Dinge einzutreten, die einem wichtig sind.
Kommt es zum Streit unter Freunden, betrachte ich die Wut als reinigendes Gewitter.
Übrig bleibt nur das, was wirklich Substanz hat.
Alles andere wird im Streit hinweg gefegt. - Auf beiden Seiten.
Richtet sich die Wut eines Freundes auf mein Fehlverhalten (also etwas, was ich selbst auch als Fehlverhalten betrachte), braucht es keinen Streit.
Dann bin ich erleichtert, dass er/ sie wütend ist, sich Luft verschafft, es nicht in sich hinein frisst und lasse die Standpauke quasi als Bestrafung über mich ergehen. Hab ich mir ja verdient. Er/ sie will Distanz zu diesem Fehlverhalten. Das will er/ sie nicht im näheren Umfeld haben. Das sollte ich in Zukunft besser beherzigen. Und das gilt es anzuerkennen. Auf welche Art auch immer. Das ist von Freundschaft zu Freundschaft unterschiedlich.
Hier ging es aber um das Thema "heftige Zurückweisung beim Kennenlernen" und um Wut unter Fremden.
In der Regel braucht es beim Kennenlernen gar keine Zurückweisung. Man merkt einfach, das man keinerlei Interesse beim Gegenüber entfachen kann und lässt es bleiben.
Zur Zurückweisung kommt es nur dann, wenn Eine(r) von beiden diese provoziert. Und wenn man es darauf anlegt, kann man darüber hinaus auch Wut entfachen.
Phase 1: Also wenn mir ein Mensch zu sehr auf die Pelle rückt und ich meinen Freiraum haben will, dann reagiere ich als erstes in der Regel* höflich distanziert abweisend. Viele Menschen kapieren & respektieren das und bleiben auf Abstand.
*(Ausgenommen sind arge Grenzüberschreitungen. Da beginne ich sogleich mit Phase 2 und/ oder breche die Kommunikation direkt ab.)
Phase 2: Wenn ein Mensch Phase 1 nicht kapiert und mir immer wieder zu sehr auf die Pelle rückt, dann reagiere ich mit Wut auf dieses Verhalten. Diese Wut nutze ich konstruktiv um meinen Standpunkt deutlich zu machen und/ oder aufzuzeigen, dass man bei mir an der falschen Adresse ist. Im Internet beschränkt es sich auf deutliche Worte. Außerhalb des Internets kann die Wortwahl etwas weicher ausfallen, da dort meine Verärgerung/ Wut unmittelbar im Raum steht. - Die meisten Menschen lassen mir dann auch meine Freiheit.
(Lass es mich so sagen: Verärgerung, Wut, ein "passt nicht" oder eine "Kritik am Verhalten" ist etwas anderes als eine persönliche Verletzung. Dadurch wird schlicht und ergreifend die Distanz aufgezeigt.
Wer mit sich selbst im Reinen ist, dem ist gleichgültig, wer zuerst feststellt, dass die Interessen unterschiedlich gelagert sind und es nicht passt. Oder das schlicht und ergreifend keinerlei Interesse am weiteren Kennenlernen geweckt werden konnte und das Gegenüber nicht noch mehr Zeit damit verbringen mag.
Und wer mit seinem Verhalten im Reinen ist, den kann eine Kritik daran auch nicht verletzen. Die Kritik zeigt nur auf, dass da die Vorlieben in Punkto Verhaltensweisen offensichtlich anders gelagert sind - es also nicht passt. Häuft sich die Kritik am Verhalten, ist man damit am falschen Ort. Dann sollte man sich überlegen, wahlweise den Ort zu wechseln oder seine Verhaltensweise an die aktuelle Umgebung anzupassen.)
Phase 3: Übrig bleiben ein paar wenige Menschen, die respektieren meine Freiheit immernoch nicht. Die rücken mir trotz eindeutiger Zurückweisung abermals auf die Pelle. Das sind Menschen, die nur dann die Grenzen anderer respektieren, wenn ihnen die Grenz-Überschreitung so richtig weh tut. - Wenn ein Mensch den Schmerz braucht, OK, Schmerzen kann er haben:
Dann richte ich meine Wut eben direkt gegen diese Person und mache absichtlich Aua. Aber so richtig. Ja, dann werde ich persönlich und verletze absichtlich das Ego des Anderen. Die Ausnahme von der ich sprach. Aber auch da ist meine primäre Absicht "meine Freiheit vom" und die absichtliche Verletzung des Anderen nur sekundär (das Mittel zum Zweck).
Weitere Möglichkeit, warum es beim Kennenlernen zu einer wütenden Zurückweisung kommen kann:
Man hat sich arg verstellt und das fliegt auf.
Niemand mag es beim Kennenlernen verarscht worden zu sein.
Niemand wünscht sich oder hat das Bedürfnis "verarscht zu werden".
Mit Empathie hat so ein falsches Spiel nichts mehr zu tun. Die Empathiefähigkeit hat dazu allenfalls die Voraussetzung geschaffen. Doch Verarsche gehört nicht zur Empathie.
Das ist repektlos, beraubt das Gegenüber seiner Entscheidungsfreiheit, spielt mit seinen Gefühlen und stiehlt ihm die Zeit.
Ja, wer beim Kennenlernen mit falschen Karten spielt, hat sich eine heftige Abfuhr redlich verdient.