Hallo in die Runde,
zunächst einem vielen Dank für dieses Thema und den offenen Umgang damit.
Ich gehe damit persönlich nur in meinem Freundeskreis und direkten Arbeitsumfeld offen damit um.
Im Joyclub eigentlich eher nicht. Aber mir geht es zumindest so, dass ich mich im Alltagsleben eher sehr zurücknehme und ehrlich gesagt mich selbst (subjektiv) als ausgegrenzt fühle, da man einem äußerlich seine Erkrankung /(en) nicht ansieht und ohne Weiteres wahrnimmt.
Aber das wäre ein weiteres neues Forumthema im Umgang mit dem Thema "Behinderungen etc." in unserer Gesellschaft.
Mein Eindruck es wird viel zu viel über die "Umgangssprache" und Ausdrucksweise des Deutschen "dogmatisiert", anstelle über die wahren im Alltag relevanten, gelebten gleichen Rechte für alle Menschen zu handeln!
Ansonsten habe ich mich wg. Stoma etc. von Beziehungen bzw. "diese" sich auch von mir ferngehalten.
Erst Recht im Sexleben.
Einmal weil ich niemanden eine Belastung sein wollte und weil ich die Themen ggf. sehr frei und offen anspreche und daher vielleicht ohnehin selbst vorab "abschrecke"?
Zum Stoma und meinem Leben damit:
Zuallererst vielleicht - auch wenn es viele höchstwahrscheinlich wissen werden?
Es gibt verschiedene Arten von Darmerkrankungen und entsprechenden OP-Methoden nebst Stomaarten.
Damit auch sehr unterschiedliche Lebenserfahrungen und sehr individuelle Umgangsweisen damit.
Der größte Unterschied liegt dabei nicht am künstlichen Darmausgang selbst, sondern welcher Darmabschnitt von Krankheit betroffen ist / war!!!
=> Dickdarmstomas sind m.W. in der Regel nur dann dauerhaft angelegt worden wenn, nicht der gesamte Dickdarm entfernt werden musste und der Enddarmausgang inkl. Schließmuskel erhalten werden kann.
=> Dünndarmstomas, dann wenn der Dickdarm komplett entfernt wurde und andere "Stoma"-optionen nicht in Frage kamen bzw. nicht in Betracht gezogen wurden?
An der Tatsache der im Forum erwähnten Einschränkungen wg. eines "Stomas" und des entsprechenden "Beuteltragens" und "Beutelentleerens" ändert dies an sich nichts. Sehr wohl an der Häufigkeit des Wechselns und Entleerens (leider).
Die erwähnte Art des Stomas "Darmabschnitts", ist damit aber m.E. fundamental im persönlichen Umgang und Qualität im Lebensalltag. Somit ggf. Alltag eines Beziehung - und Sexlebens.
=>
Ich persönliche leide / litt*) seit 40 jahren an einer schweren Form der Colitis Ulcerosa (gehört neben dem Morbus Crohn zu den sog. CED= chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen).
• Vor 30 Jahren wurde mir der Dickdarm komplett entfernt. Dies zunächst mittels einer klassischen Stomaanlage. Im Nachgang mit einer sog. Pouchanlage.
*) Die Colitis Ulcerosa, als Autoimmunerkrankung ist damit aber nicht geheilt, nur der Dickdarm ist weg. Häufig aber damit die schlimmsten Symptome der Colitis. Die Nebenwirkungen nicht zwingend!
=> wegen der Dünndarm-Stomaanlage hatte ich an sich, zunächst im Alter mit 29 Jahren "keine Lust mehr auf Sex" etc.!
Grund war eher die Tatsache, dass bei einem Dünndarmausgang, die tägliche Frequenz der Stuhlhäufigkeit viel höher ist, als bei einem Dickdarmstomas. Praktisch häufig schwer steuer- bzw. kontrollierbar ist. Einziger Vorteil ist, es landet alles nur "Dank" Dünndarmstoma im Beutel.
• Ein Bauchgurt und / oder die erwähnten "Sportbeutel" waren für mich aus gelebter Eigenerfahrung bei CED's - und ich glaube für viele Betroffene dieses Patientenkreis nicht zielführend!?
Allerdings - wie eingangs erwähnt - gibt es im Falle der Dünndarm-OP's und Stomas seit Ende der 1980er Jahre Alternativen zum klassischen "Dünn"-Darmstoma.
1) der sog. IAP (ileoanale Pouch) => hier wird nach der kompletten Entfernung des Dickdarms aus dem letzten Teil des Dünndarms (Ileums) ein künstliches Darmreservoir med. angelegt und an den Schließmuskel angenäht. D.h. man hat kein äußeres Stoma mehr, sondern eine Art inneres "Pouchstoma".
Vorteil das Beuteltragen und -wechseln ist nicht mehr nötig und man könnte wieder ein normales Leben (auch Sex) führen!
Vorübergehend muss man allerdings zw. 3 Monaten bis ca. 2 Jahre ein klassisches Stoma (an Bauchdecke angenäht) tragen. Der Pouch funktioniert bei mir seit nun fast 30
Jahren mehr oder weniger gut (der "Pouchi" lebt mit allen Vor- und Nachteilen seiner CED wie vor der OP)
=> WICHTIG:
Einschränkungen: meines Wissens wird die Pouch-OP Technik nur bei eindeutiger Diagnose "Colitis Ulcerosa" angewandt (diese befällt "nur" den Dickdarm)! Morbus Crohn kann im schlimmsten Falle das gesamte Verdauungssystem befallen..
2) der "Kock-Pouch" => hier wird anstelle eines klassischen "Beutelstomas" ein künstlich geschaffenes Reservoir, das aus einem Stück entnommenen Dünndarm erstellt. Dies ist eine spezielle OP-Technik durch die keine Darmflüssigkeit austreten kann und der Darm mittels eines "Katheders entleert wird.
Vorteil wenn diese funktioniert. Analog "Pouchstoma" nahezu komplette körperliche Bewegungsfreiheit und ggf. sogar über die Stuhlkontrolle (bei Pouch eher nur bedingt)
Ok, sorry für die Ausführlichkeit und meine "Ausschweifungen" bzgl. des Themas rund ums Stoma!
Aber ich denke / hoffe, dass diese Infos auch nicht nur Betroffenen Mitgliedern Info`s liefern konnte?
Mehr bei Fragen rund um den IAP-Pouch gibt es bspw. bei der Deutsche Morbus Crohn/ Colitis ulcerosa Vereinigung - DCCV - e.V.
https://www.dccv.de/
Gerne bei Fragen rund ums Thema Pouch für Betroffene per CM an mich!
Der Umgang im Beziehungsleben ist vielfältig und jeder Betroffene muss i.R. seiner persönlichen Lebensumstände "das Beste" daraus machen.
Klingt blöd - weiß ich auch.
Aber ich denke Leidensgenossen kennen diese Lebenssituationen zur Genüge.
Der erwähnte DCCV hat mir aber z.B. ein Forum und mit seinen vielen Selbsthilfegruppen ein Forum gegeben, bei dem es diese Vorbehalte nicht gibt und i.R. selbst Betroffener diesen "Tabu"-Themen in allen Facetten offen, angesprochen werden können.
Resümierend: ich nehme mich sehr zurück, auch wenn ich zumindest betreffs des Sexlebens, die geschilderten Einschränken bzgl. häufiger OP-Nebenwirkungen und Dank des "Pouchstomas" zum Glück nicht hätte. Aus anderen Gründen aber im Prinzip auch verstaube.
Herzliche Grüße allerseits