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Jetzt meine Frage: Wem erging / ergeht es genau so? Wie seid ihr damit umgegangen, dass diese Angst euch nicht im Griff hat und ihr getrennte Zeit voneinander auch genießen könnt?
Ich war zu Anfang meiner ersten (und bisher einzigen) Liebesbeziehung sehr eifersüchtig. Das hat sich im Lauf der Jahre fast gänzlich verflüchtigt und auch mit neuen Verhältnissen gehe ich heute souveräner um, obwohl ich nach wie vor in der Anfangszeit immer eine recht unsichere Phase habe.
Ich für mich habe festgestellt, dass das an meinen Komplexen liegt, daran, dass ich mich unzulänglich fühle und Angst habe, nicht zu genügen. Gerade als ich noch 10 Jahre jünger war und meine erste Beziehung einging, war ich impulsiv und emotional nicht gefestigt. Mein Exmann war zum Beispiel zwei Jahre jünger als ich und hat sehr spät eine Ausbildung begonnen, wodurch er in der Berufsschule mit sehr jungen Frauen in Kontakt kam. Ich habe diese lange Zeit als Bedrohung wahrgenommen, weil die meisten Männer dazu tendieren, jüngere und auch allgemein junge Frauen zu bevorzugen und ich halt ohnehin schon älter als er war. Ich hatte Angst, dass ihn die Jugend irgendwann mehr interessieren könnte als ich.
Auch bei anderen Verhältnissen, die ich im Lauf der Jahre eingegangen bin, war oft gerade am Anfang immer die Unsicherheit, jemanden nicht über längere Zeit halten zu können, im Vergleich schlechter abzuschneiden und ich werde mir immer wieder schmerzlich meiner Makel bewusst, gegen die ich nichts machen kann.
Tatsächlich hat es einfach ein bisschen gedauert und auch mehrere intime Kontakte benötigt, um festzustellen, dass ich meine eigenen "Defizite" viel krasser wahrnehme und härter kritisiere, als andere. Vieles von dem, was ich an mir furchtbar finde, fällt anderen nichtmal auf, oder ist ihnen vollkommen egal.
Unterm Strich: Unsicherheit mit sich selbst kann einem viele Beziehungen versauen, weil man alles, was der andere tut, auf sich bezieht. Natürlich ist es auch schwer, Vertrauen zu schenken, wenn dieses in der Vergangenheit besonders immer auf dieselbe Weise missbraucht wurde.
Persönlich habe ich keine Angst (mehr) vor sexuellem "Betrug", weil ich mich von dieser Angst wegentwickelt habe, aber selbstverständlich habe ich durchaus Angst davor, verlassen oder ersetzt zu werden.
Ich glaube, dass es sehr schwer ist, diese Befürchtungen komplett abzulegen und halte es auch für normal, dass man nicht verlieren möchte, was man liebt, aber ich denke, ein sehr wichtiger Schritt ist es, ein gesundes Selbstwertgefühl aufzubauen und sich in vielen Dingen auch selbst genügen zu können, sodass man eigene Gefühle nicht mehr so arg von anderen abhängig macht.
Ich halte zum Beispiel produktive Arbeit, bei der man etwas leisten kann, auf das man stolz ist, sich entwickelt, optimiert und erkennt, dass man etwas gut kann, für etwas wirklich Wichtiges und Erstrebenswertes. Nicht einfach nur sinnlose Beschäftigung, sondern Bestimmung und ein Ziel haben und dadurch erkennen, dass man gute, sinnvolle Entscheidungen treffen und sich im Großen und Ganzen auf sich selbst verlassen kann. Lernen, auch mal allein zu sein, ohne einsam zu sein.
Ich denke, dass das helfen kann, zu verhindern, dass die eigene Welt durch das Tun eines anderen zerbricht und man stattdessen die eigene Welt relativ souverän zusammenhalten kann. Ist nicht immer so leicht, wie es sich anhört, Rückschläge und Talfahrten sind normal.