An alle "Auf keinen Falls" und "No-Gos"
Nun, hier sind ja ganz rigorose Menschen mit ganz rigorosen Meinungen und Urteilen am Werk. Um nicht zu sagen: Am Verurteilen! Und das Wort "Vertrauensbruch" ist das Fallbeil, das den Fremdgeher den Kopf kostet. Ohne Gnade, geschweige Liebe.
Ich habe hier schon mal ganz zart angedeutet, dass ich die Haltung: Betrogen werden = Beziehung beenden für ziemlich obskur, wenn nicht sogar für ein Zeichen mangelnder Reife halte. Ich habe dazu den Paartherapeuten Moeller zitiert, und bin mit ihm der Meinung, dass das Türezuschlagen auch eine Verleugnen des eigenen Anteils an dem Fremdgehen des Partners ist
Jetzt mal etwas direkter: Ich halte diese Haltung - wenn meine Partner mich betrügt, verlasse ich ihn - für den Ausdruck eines Besitzanspruchs, der das Gegenteil von Liebe ist. Ebenso könnte man sagen: Wenn mein Partner mich verletzt, verlasse ich ihn. Geht doch eigentlich nicht, oder? Aber beim Fremdgehen geht das?
Natürlich kann der sexuelle Betrug große Kränkung und Verletzung bedeuten. Sexualität ist ein vulnerabler, also besonders verletzlicher Bereich. Aber wenn Euer Partner eine bestimmte Handlung begeht, dann tut er das ja nicht, weil er böse ist, sondern weil es ihn bestimmten Grund hat: ein Grund, der in ihm selbst liegt, und ein Grund, der in Eurer Beziehung liegt.
Und dieser Grund interessiert Euch nicht, der ist Euch scheißegal? Wie kann man denn eine Handlung moralisch verurteilen, ohne den Grund zu kennen? Obwohl Ihr vorgebt, diesen Partner zu lieben - was doch zumindest ein gewisses Interesse an seine Person voraussetzt? Wenn Ihr zu dieser Rigorosität - Betrug = Ende - imstande seid, stellt Ihr Eure Kränkung über Eure Liebe.
Abgesehen davon, dass eine solche Haltung selbst von wenig Vertrauen zeugt - weder in Eure eigene Stärke, eine solche Verletzung zu überwinden, noch in die Stärke Eurer Beziehung, ist ein solche Haltung auch wenig vertrauensbildend: was dann dazu führt, das zu dem sexuellen Betrug auch noch das Verheimlichen dazu kommen kann. Um dabei nicht unpersönlich zu bleiben: Ich selbst stand mal vor einer solchen Situation, einen solchen Fehltritt zu gestehen, und ich habe ihn gestanden, aus zwei Gründen: weil ich glaubte, damit etwas über mich selbst und ein Bedürfnis herausgefunden zu haben, was ich bis dahin mir nicht eingestanden habe, aber nun künftig in meiner Beziehung ausleben wollt (wozu ich diesen Betrug auch gestehen musste), und weil ich Vertrauen in die Stärke der Liebe meiner Partnerin hatte. Wir sind daran gewachsen.
Wahrscheinlich würdet Ihr Euch noch darüber empören, dass Eurer Partner sich wegen Eures Rigorismus nicht traut, Euch davon zu beichten, und dies seinen selbstverständlich "betrügerischen" Charakter anlasten, ohne Euch zu fragen, ob er sich bei Euch hätte trauen können! Und wenn man Euch davon nicht erzählen kann, dann kann man vielleicht auch Euch von anderen Dingen auch nicht so einfach erzählen, oder?
"Vertrauensbruch" ! Natürlich basiert jede Beziehung auf Vertrauen, und natürlich kann man den Betrug auch als Vertrauensbruch erleben. Das ist sogar der Normalfall, wenn das geschieht. Aber keine Beziehung basiert auf Gesetzen, deren Bruch der Tod der Beziehung bedeutet. Eine Beziehung besteht aus zwei Menschen und auf deren Gefühl zueinander, und Menschen und Gefühle haben es an sich, dass sie sich ändern und entwickeln. Und Änderungen des Partners können auch dazu führen, dass der andere verletzt wird. Aber Verletzungen können auch wieder heilen, und Vertrauen kann auch wieder wachsen.
Ich verstehe, dass Ihr Euch vor solchen Verletzungen schützen wollt. Aber dieses Verständnis geht nicht so weit, dass ich diese Schutzbedürftigkeit, die ja ein allzu deutlicher Ausdruck Eurer Schwäche ist, als die Prinzipien-Hippness ansehe, als die Ihr diese offensichtlich selbst anseht. Ich möchte niemanden persönlich angreifen, aber ich möchte es doch sagen können: Mir graut vor dieser moralischen Rigorosität, dieser aufgeblähten Unbedingheit, mich schüttelt es vor soviel Selbstgerechtigkeit, die jeder für sich und alle drei zusammen das Gegenteil von Liebe ist und sind.