Ich bin gewissermaßen automatisch getestet, weil ich Blut spende.
Wäre ich das nicht, würde ich nur auf ausdrückliche Bitte (und mit Erklärung) einen machen, und das hat rein statistische Gründe:
(alle Zahlen/Schätzungen u.a. auf Basis der deutschen Aidshilfe und des regelmäßgen epidemologischen Bulletins des RKI)
Inklusive (natürlich geschätzter) Dunkelziffer beträgt die Quote der HIV-Infizierten in Deutschland etwa 0,001. (Also: ein Promille.)
Davon sind mehr als zwei drittel Männer, die Sex mit Männern haben. Ich bin ein Mann, habe aber keinen Sex mit Männern. Aus dieser Richtung kann ich mich also nicht infizieren.
Von den infizierten Frauen sind wiederum die Mehrheit Sexarbeiterinnen oder (Zwangs)Prosituierte (was nicht am Beruf liegt, sondern daran, daß viele aus Regionen mit hoher Infektionsrate kommen). In meinem Fall fällt auch dieses Risiko weg. Von den verbleibenden infizierten Frauen hat sich ein großer Teil durch die unsachgemäße Verwendung oder Teilung von Spritzen bei Substanznutzung infiziert. Ich bin bisher sexuell noch keiner Frau begegnet, die das aktiv tut. (Aktiv ist wichtig, gleich mehr dazu.)
Risikoquote für mich daher bis jetzt: Ca. 0,0001.
Die ganz große Mehrheit der infizierten Menschen in "bürgerlichen" Umständen, also mit geregelter Wohnsituation, nicht aktiver Nutzung von Substanzen etc., ist sich ihrer Infektion bewußt und in der Folge in Behandlung. Eine moderne antiretrovirale Behandlung ist ausreichend unkompliziert geworden, um zuverlässig zu funktionieren, und drückt die Viruslast unter die Nachweisgrenze (das sind ca. 3-5 Kopien pro ml, wenn ich das richtig weiß. Das ist WIRKLICH wenig). Mit dieser Viruslast ist man nicht infektiös. Risikoquote: ca. 0,000005.
Unter normalen Umständen sind lediglich Blut und Sperma infektionsübertragend; Speichel ist es nicht, Scheidensekret selten. Das HI-Virus ist außerdem sehr einschränkt, was mögliche Einfallstore angeht. Entsprechende Rezeptorstellen finden sich in recht hoher Dichte im Anus, praktisch keine im Mund, wenig vaginal. Für heterosexuellen Sex bedeutet dies: Wenn man Blut (arteriell oder venös; Periodenblut ist nur nachrangig riskant, und Rasurschnitte etc. sind nicht infektiös) aus dem Spiel läßt, also nicht gerade Hardcore-SM betreibt, liegt das Infektionsrisiko von Frau auf Mann pro Durchgang bei unter (!) einem Prozent (!!).
Solange wir also über heterosexuelle Begegnungen unter den genannten Bedingungen (Mitteleuropa, nicht aktiv spritzend, nicht frisch infiziert, kein Gemetzel) reden, infiziere ich mich beim Sex mit einer wildfremden Frau ohne Kondom mit einer Wahrscheinlichkeit von etwa 0,0000005, wenn ich das jetzt richtig gerechnet habe. Oder anders: ich brauche etwa 2.000 wirklich schmutzige Parkplatztreffs, um mit einem Prozent Wahrscheinlichkeit infiziert zu werden.
Dazu kommt, daß HIV auch später nach Infektion gut in den Griff zu kriegen ist. Nicht heilbar und sicher unerfreulich, aber von Dauermedikation nach derzeitigem Wissen ohne schwere Nebenwirkungen zu regulieren. Will man nicht haben, ruiniert aber auch nicht mehr das Leben. Für HEP-C, Syphilis und Konsorten gilt das in der Form nicht. Clamydien sind weniger tragsich, aber im Wortsinn millionenfach verbreiteter. Danach wurde ich aber noch nie gefragt ...
Kurzum: Nix gegen Aufmerksamkeit. Aber für heterosexuelle, "bürgerliche" und auch nur ansatzweise nicht-extrem vögelnde Menschen in dieser privilegierten Region ist das Risiko, sagen wir: überschaubar. Und der Artikel zu Selbsttests reflektiet, ebenso vorsichtig gesagt, nicht die statistische Realität.
W.