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Wortspielereien mit Walhorn & Ritter

Zitat von *****rPe:
Der Drink ist ja nur eine Momentaufnahme! Das *g*eschmacksgefühl habe ich ja auf der Zunge und im Gaumen! Wie ich mich dabei fühle, ist ja meine Sache!! Sauwohl!!!

… 🤣 - nichts anderes gesagt werden - WOLLTE 👌 - denn ein Gemäckle, auch auf Zunge wie im Munde, ist ein Gefühl welches ist, mit Lebenslust im Bunde …
****orn Mann
11.967 Beiträge
Themenersteller 
Morgen ist es wieder soweit! *g* Kea Ritter und ich haben aus den zehn Publikumswörtern aus unserer Junilesung eine neue Geschichte geschrieben. Wir werden sie morgen ab 20:00 Uhr zunächst in unserem Livestream Leselust mit Walhorn vorstellen, und nächste Woche dann hier im öffentlichen Forum einstellen.
Zunächst die zehn Wörter und dann die komplette Geschichte.
Solltet ihr morgen mit dabei sein, könnt ihr selbst einen Begriff in den Chat einstellen. Mal sehen, vielleicht ist euer Wort dann das nächste Mal, am 02. August, mit dabei.
*g*
****orn Mann
11.967 Beiträge
Themenersteller 
Die zehn Wörter, aus denen Kea2012 und ich eine neue Haderlumpen-Episode verfasst haben lauten diesmal:

Brennnesseln
Schwertfisch
Moosbüffel
Kloster
Begierde
Lusttempel
Tittenterror
Muschi
Süße Äpfel
Lustgewinn

ich werde sie Euch in Bälde hier vorstellen! *schleck* Sie ist wieder einmal richtig klasse und sehr heiß geworden.
****orn Mann
11.967 Beiträge
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****orn Mann
11.967 Beiträge
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****012 Frau
517 Beiträge
Polpo al Perdente (1/2)
Dies ist die letzte Geschichte, die mein wunderbarer Schreibkomplize Bernd @****orn und ich kurz vor seinem plötzlichen Tod zusammen geschrieben haben. Für unsere Lesung im August hatten wir sie aus zehn Wörtern gesponnen, die uns das Publikum vorgegeben hatte:

• Drönbüddel
• Landungsbrücken
• Seelenfeuer
• Sexzombie
• Duftspur
• Orgelspiel
• Wasserspiele
• Brunftlaute
• Lokomotive
• Feuerteufel

Bernd konnte diese Lesung leider nicht mehr miterleben. Aber unsere Geschichte ist noch da. Und es würde mich freuen, wenn sie in Euren Köpfen weiterlebt.



Polpo al Perdente - Tintenfisch nach Versager-Art

Es war mal wieder einer dieser Abende im Spätherbst, an denen Ricardo Rossato nicht recht wusste, wohin mit sich. Die Trattoria „Bella Italia“ in der Nähe vom Baumwall, wo er seit einigen Jahren nun schon der Geschäftsführer war, hatte geschlossen. Es war ein lausiger Abend gewesen, nur wenige Gäste, entsprechend war der Umsatz. So hatte er pünktlich um 23 Uhr Feierabend gemacht und war hinaus auf die Straße getreten. Leichter Nieselregen empfing ihn, ein frischer Wind wehte und zwang ihn, die leichte Mikrothermojacke mit einem raschen Zug am Reißverschluss bis hinauf ans Kinn zu schließen. Die Mütze zog er sich weit in die Stirn.

Nein, das Wetter bedrückte ihn nicht, eher im Gegenteil: Er liebte das Hamburger Schmuddelwetter, es gehörte mit zu seinem Leben dazu. Als Sohn italienischer Auswanderer war er in Hamburg geboren und aufgewachsen, er war hier zur Schule gegangen und kannte jeden Stadtteil westlich der Alster wie seine Westentasche. Seit jeher fühlte er sich unten in Elbnähe wohl, in Altona, Othmarschen, Blankenese, aber auch in St. Georg und St. Pauli. Seit neuestem durchaus auch in der Neuen Hafencity mit ihren sogenannten Quartieren.

Nö, ´n Drönbüddel war Ricardo weiß Gott nicht, wie manch einer hätte denken können, der ihn selbst bei dem ungemütlichen Wetter Richtung Landungsbrücken entlang schlendern sah. Er war alles andere, nur kein Langweiler. Sein genuesisches Blut in den pulsierenden Adern kochte doch mitunter schon mal über. Ricardo war auf zack, der Pizzateig wurde weit über den Kopf gewirbelt, dass es nur so staubte, und die Gäste liebten ihn für seine kleinen akrobatischen Showeinlagen. In ihm brannte ein heißes Seelenfeuer, das besonders die weiblichen Gäste im „Bella Italia“ sehr an ihm schätzten. Ricardo Rossato hatte das bestimmte Etwas, das ihn vom tumben Sexzombie unterschied und tatsächlich eher das Klischee des Gigolos bediente.

War er auch heute wieder einer bestimmten Duftspur hinterher? Anders konnte man es nicht benennen, denn er bewegte sich scheinbar ziellos durch die engen Straßen des Portugiesenviertels. Verfolgte er den Duft von gegrillten Sardinen? Bacalao oder Lammkotelett? Das Aroma von Knoblauch und schwerem Rotwein? Vielleicht einen Fado, der aus einem Türspalt traurig nach draußen drang?
Er zuckte mit den Schultern, verbarg sich in einer Hausnische, geschützt vor dem Wetter, und drehte sich eine Zigarette. Das Feuer in der hohlen Hand, zigtausendfach geübt, das erste Inhalieren des Tabaks, in einer Nacht wie dieser durchaus auch ein Genuss.
Überrascht hob er den Kopf, als er plötzlich Schritte vernahm. Spitze Absätze! Damenschuhe… Heels, Pumps, Stiefel? Rot oder schwarz? Bordsteinschwalbe oder Nighthawk? Oder doch eine Barfly? Alles konnte möglich sein in diesem Moment. Hamburg bei Nacht, unweit des Hafens…

Zu seiner Verblüffung schritt die Dame nicht an ihm vorbei, und als eine alte Holztür knarrte und vom Wind wieder zugeschlagen wurde, steckte er den Kopf aus der Nische heraus, trat aus dem Schatten. Wohin war sie entschwunden, die Unbekannte?

Prüfend sah er sich um. Sein Gesichtsausdruck war tatsächlich der eines witternden Jagdhundes, der die Spur seiner Beute verloren hat. Für die leise Enttäuschung, die an ihm nagte, hatte er selbst keine rechte Erklärung. Er hatte die Frau ja nicht einmal gesehen! Warum schien es ihm dann plötzlich so wichtig, sie nicht entkommen zu lassen? Es war ein Bauchgefühl, sonst nichts. Die leise Ahnung, dass ihm etwas Faszinierendes zu entgehen drohte. Und dieses Gefühl hatte Ricardo Rossato schon als Kind nicht leiden können.

Entschlossen schnippte er die Kippe in den Rinnstein und ging ein paar Schritte in die Richtung, aus der die Frau gekommen sein musste. Er hatte Glück: Es kamen eigentlich nur zwei Türen infrage, hinter denen sie verschwunden sein konnte. Die eine führte in einen Blumenladen, der um diese Zeit natürlich längst geschlossen hatte. Die andere in ein mehrstöckiges Wohnhaus.

Letzteres schien ihm das vielversprechendere Jagdrevier zu sein. Also drückte er vorsichtig die Klinke herunter… abgeschlossen. Merda!
Schon überlegte er, ob er auf einen der vielen Klingelknöpfe drücken sollte. Mit welchen Beschimpfungen musste er wohl rechnen, wenn er jemanden aus dem Schlaf schreckte? Er war bereit, das Risiko einzugehen. Die Grazie auf klappernden Absätzen, die in seiner Fantasie immer verführerischere Formen annahm, war es ganz sicher wert!

Doch bevor er diesen Entschluss in die Tat umsetzen konnte, fiel ihm ein Lichtschein auf, der aus dem Schaufenster des scheinbar verwaisten Blumengeschäfts schimmerte. Es war nicht die eigentliche Ladenbeleuchtung, nur ein sanftes Geflacker. Kerzen? Ohne jedes Zögern setzte er sich wieder auf die Spur. Und diesmal hatte er mehr Erfolg: Die Tür war tatsächlich nicht verschlossen! Und das Knarren, mit dem sie sich öffnete, hatte er vor wenigen Minuten schon einmal gehört.

Leisen Schrittes betrat er den Eingangsbereich, von dem aus man rechter Hand in die eigentlichen Geschäftsräume gelangte. Vorsichtig spähte er um die Ecke. Nichts. Abgesehen von dem, was zu erwarten war: Eimer voller Schnittblumen, Regale voller Töpfe, am Boden Kübel mit großen Grünpflanzen. Kein Mensch zu sehen. Doch das Flackern war noch da. Es schien aus einem Nebenraum des recht verwinkelten Ladens zu kommen.

Ricardo schluckte. Genau genommen gab es gar keinen handfesten Grund für seine Nervosität. Doch irgendwie…
Er kam sich vor wie in einer Filmszene. Untermalt von dramatischem Orgelspiel würde gleich eine unheimliche Gestalt zwischen den Palmwedeln hervortreten. Um ihm dann mit irrlichternder Stimme und ebensolchem Blick mitzuteilen, dass sie schon auf ihn gewartet habe und sein Schicksal…
Porca miseria! Er verpasste sich selbst mental einen Tritt in den Hintern. Was war bloß los mit ihm? Das Ganze war einfach zu absurd! Er würde jetzt nach nebenan schauen und seine verflixte Neugier ein für alle Mal stillen. Und wenn er sich davon überzeugt hatte, dass seine Fantasie wieder mal viel bunter gewesen war als die Realität, dann würde er nach Hause gehen und sich ins Bett legen. Basta!

Fünf lautlose Raubtierschritte, und er hatte den Eingang zum Nebenraum erreicht. Drei Herzschläge, und er linste durch den Türspalt. Ein keuchender Atemzug, und ihn hätte beinahe der Schlag getroffen. Denn der Anblick, der sich ihm bot, war geradezu surreal: Inmitten von Farnen und Palmen stand eine Badewanne mit Löwenfüßen, gefüllt mit dampfendem Wasser. Und darin räkelte sich in laszivem Genuss die Frau von der Straße. Keine drei Meter von ihm entfernt. Nackt! Und schön wie ein unsittliches Gemälde.
Ja, sie musste es sein! Denn neben einer Handtasche und einem Haufen Kleider, den sie offenbar achtlos hatte zu Boden fallen lassen, stand ein Paar korallenroter Pumps mit schwindelerregenden Absätzen. Genau die Art von Schuhwerk, die eine ganze Straße mit betörendem Geklapper erfüllen konnte. Ganz zu schweigen von den Gedanken eines Mannes, der erotische Verführerinnen liebte!

Ricardo lehnte sich gegen die Wand und streckte den Kopf gerade so weit vor, dass er bequem durch den Türspalt spähen konnte. Nur kein Laut jetzt! Wenn er sich ruhig verhielt, würde sie ihn wohl kaum entdecken. Die Tür und das Schummerlicht verbargen ihn. Etwas heller war es nur rings um die Wanne, die tatsächlich von flackernden Kerzen beleuchtet wurde. Es war fast, als habe die Frau diesen Effekt ganz bewusst eingesetzt, um ein unsichtbares Publikum in den Schatten zu verführen. Doch das war natürlich unmöglich. Sie war ahnungslos! Ganz bei sich und in genussvolle Wasserspiele versunken.

Gebannt beobachtete er den Badeschwamm in ihren Händen. Wie sie mit rot lackierten Krallen sanft über seine Oberfläche fuhr, ihn mal über einen emporgereckten Arm gleiten ließ, mal über ein Bein oder seitlich an ihrem Hals entlang. Langsam und hypnotisierend erotisch. Doch sie schien auch eine energische, zupackende Seite zu besitzen. Man sah es, wenn sie ihren Wannenbegleiter mit einer festen Handbewegung ausdrückte. Ricardo verfolgte die schimmernden Wassertropfen, die sie ihm entlockte. Wie sie auf ihr Dekolleté und ihre vorgereckten Brüste fielen. Wie sie darüber rannen, glitzernde Spuren hinterlassend. Was diese sensiblen, geschickten Finger wohl mit einem Mann tun würden, der sich in ihre Reichweite begab?

Ricardo nahm einen tiefen Atemzug durch die Nase, während er vor seinem inneren Auge die passenden Bilder beschwor. Sein Schwanz in ihren Händen. Schwellend. Zuckend. Tropfen spuckend. Ihren Hals mit einer Kette aus Lustperlen verzierend… Er konnte gar nicht anders, als den Protagonisten dieser Träumereien aus seiner Hose zu befreien und ihn selbst ein wenig zu reiben. Wenn es schon die Venus im Bade nicht tat…

Die lehnte sich stattdessen in der Wanne zurück und legte die Füße rechts und links auf den Rand. Ihre Hände verschwanden unter Wasser, und der faszinierte Beobachter konnte sich mühelos ausmalen, was sie zwischen ihren gespreizten Beinen taten. Er musste es gar nicht direkt sehen. Es genügte völlig, die Bewegungen ihres Körpers zu beobachten. Und vor allem ihr Gesicht. Die halb geschlossenen Augen. Die Zähne, die sich in ihre volle Unterlippe gruben. Das feine Spiel der Gesichtsmuskeln, das immer neue Empfindungen in ihre Züge malte. Erst in den weichen Farben des Genusses. Dann in den wilden, grell leuchtenden der wachsenden Ekstase.
Es waren magische Bilder. Zumal in diesem Ambiente, das mit etwas Fantasie an einen Urwald erinnerte. Ricardo hätte sich in diesem Moment nicht gewundert, wenn auf den üppigen Blättern der Pflanzen Glühwürmchen geblinkt und aus den Zimmerecken tropische Vögel gezwitschert hätten.

Natürlich geschah nichts dergleichen. Trotzdem hatte die ungewöhnliche Szenerie auch für seine Ohren etwas zu bieten. Die Geräusche des von der Nymphe aufgepeitschten Wassers. Und die Stimmen ihrer Lust. Ein leises Maunzen und Wimmern erst. Dann ein Stöhnen, das tiefer wurde – sich vermutlich demnächst in ein Knurren wandeln würde…
Seine eigenen Bewegungen wurden schneller und heftiger, zunehmend hatte er Mühe, seine Stimme im Zaum zu halten. Er war versucht, stilecht die Brunftlaute erfolgreicher Glühwurm-Casanovas zu imitieren. Wenn er nur gewusst hätte, wie die klangen.

„Nun, mein nächtlicher Besucher? Hast Du auch alles gut im Blick? Oder möchtest du näher kommen?“


... Fortsetzung folgt ...

© Walhorn & Ritter, Juli 2021

.
*****854 Paar
3.579 Beiträge
wieder ein geile Geschichte schade das es die letzte ist.
Ruhe in Frieden Bernhard
**********pioGJ Mann
788 Beiträge
Dies ist eine besondere Geschichte.
Danke Kea und Bernd.

Möge sein Geist die Leselust beseelen und die Fahrt auf dem erotischem Meer fortbestehen.
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****012 Frau
517 Beiträge
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****012 Frau
517 Beiträge
Bücherzauber (1/2)
„Hagel und Granaten!“ Ich hatte für diesen berühmten Fluch des Käpt’n Haddock aus den Tim und Struppi Comics ja schon immer eine Schwäche. Aber im Moment passt er wirklich wie die Faust aufs Auge. Denn dieses vermaledeite Treffen scheint gerade ziemlich aus dem Ruder zu laufen.

Dabei hatte ich mir das alles so schön ausgemalt: Eine Spätsommer-Nacht mit Gleichgesinnten an einem einsamen Strand. Tosende Wellen, schäumende Gischt. Die uralte Gewalt der Brecher, die gegen die Küste krachen. Wilde Natur, die in uns allen eine ähnlich ungezähmte Gier weckt. Das Erbe aus jenen Tagen, in denen die Menschheit noch halb zum Tierreich gehörte.
Ich hatte mich so auf diesen lustprickelnden Moment gefreut, in dem die Stimmung umschlägt: In dem sich das Gelächter und die Plaudereien hinter das Strandgras zurückziehen, während die Geilheit sich auf Raubtierpfoten aus der Deckung pirscht und gnadenlos Beute macht. In meiner Fantasie hatte ich schon ihren Atem im Nacken gespürt und ihre scharfen Zähne. Das Kratzen ihrer Krallen auf meiner Haut. Und den Drang, sich ihr zu ergeben.

Ich bin sicher, das würde uns allen gut tun. Denn die letzten Wochen waren hart. Zu groß der Schock, zu bitter der Verlust. Zu tief der Riss in unseren Gedanken. Zu viele Tränen.
Wir haben einen Menschen verloren, der uns so gut kannte wie kaum jemand sonst. Und der in unseren Leben tiefe Spuren hinterlassen hat. So viele Nächte hat er sich mit uns um die Ohren geschlagen. Hat mit uns gelacht und gefeiert, gekämpft und gesiegt. Und den Alltag in genussvolle kleine Häppchen geteilt, die nach Pizza schmeckten. Oder nach Honig.
Dieser Mann hat uns die wildesten Fantasien in die Köpfe gepflanzt, ungeahnte Begierden geweckt. Und uns zu Ausschweifungen getrieben, von denen wir nicht zu träumen gewagt hätten. Immer wieder hat er uns über die Klippen unserer Hemmungen und Bedenken geschubst. Mit Worten wie Samt und Sätzen wie Peitschenschläge. Bis wir fliegen konnten.
„Wagt es! Tut es! Steht zu dem, was ihr wollt!“ Seine lust-raue Stimme hat die Botschaften in mein Gehirn graviert. Und sie flüstern noch immer.

Ob wir das alle so empfinden? Ich könnte darauf wetten! Mein Begleiter und ich haben die anderen beiden Paare an diesem Strand zwar nie zuvor gesehen. Aber ich spüre eine besondere Verbindung zwischen uns. Kann sie wittern. Ein unsichtbares Band aus Erotik und Begierden, gewebt von unserem gemeinsamen Freund. Wahrscheinlich hat er nicht geahnt, dass wir uns je begegnen würden. Aber was läge näher? Wir könnten uns gegenseitig in ein Gespinst aus Lust und Seidenfäden einwickeln, aus dem keiner mehr entkommen kann. Ich weiß, dass wir alles haben, was es dazu braucht.

Doch da stehen wir nun, am Schauplatz meiner Fantasien. Drei Männer und drei Frauen, beleuchtet von einem lodernden Feuer. Und es sieht alles danach aus, als würde dieser Abend statt in lustvollen Ausschweifungen im Desaster enden. Denn zwei der Herren sind soeben dabei, ihr Wortgefecht zu einem Duell der Beleidigungen eskalieren zu lassen. Und ich würde nicht darauf wetten, dass die nächste Stufe dann ohne Fäuste abgeht. Die Stimmung hat sich in Kleinholz verwandelt. Zerlegt von scharfen Äxten aus Stolz und Dominanz.

Vielleicht sind die beiden einfach zu unterschiedlich. Der eine ein Banker in sorgfältig ausgewählter italienischer Kleidung. Ein Mann, der jeden Tag mit schwindelerregenden Summen jongliert und seinen Alltag in eleganten Büros verbringt. Der andere ein passionierter Segler, der statt Parkett und weicher Teppiche lieber Schiffsplanken unter den Füßen hat. Er wirkt, wie man sich einen raubeinigen Seefahrer aus alten Zeiten vorstellt. Als spreche er seine Herausforderungen normalerweise nicht mit kühler und professioneller Beherrschtheit in ein Smartphone. Sondern brülle sie in den Sturm.

Schon gleich zu Beginn unseres Treffens hatte sich zwischen den beiden eine unerklärliche Spannung aufgebaut. Und jetzt brodeln sie wie zwei Vulkane. Spucken Feuer über die überaus brisante Frage, ob der Rotwein aus der Toskana dem französischen vorzuziehen sei. Oder eher umgekehrt. Ich verstehe überhaupt nicht, wie man sich über dieses Thema so in Rage reden kann, dass die Blicke Messer werfen. Aber was weiß ich schon von Rotwein!

Der Mann an meiner Seite hat zum Glück keine Ambitionen, sich auch noch ins Getümmel zu stürzen. Ich sehe genau, was mein wunderbar selbstironischer Naturwissenschaftler von der ganzen Sache hält. Die steile Falte, die sich zwischen seinen Augenbrauen gebildet hat, spricht eine deutliche Sprache. Wir wechseln einen entnervten Blick, und ich rolle mit den Augen. Aber bevor wir irgendetwas sagen oder tun können, tritt die Frau des Seemanns auf uns zu. In ihren Augen funkelt eher Amüsement als Besorgnis. Mit einem liebevoll-spöttischen Lächeln hat sie die Auseinandersetzung verfolgt. Nun aber wirft sie schwungvoll die blonden Haare zurück, die meinen so ähnlich sind. Und ergreift die Initiative.

Statt die Streithähne zur Ordnung zu rufen, was vermutlich ohnehin nichts gebracht hätte, geht sie an ihnen vorbei auf das Steilufer zu. Anmutig kniet sie sich neben eine alte, mit dicken Steinen umkränzte Feuerstelle, an der ein paar frühere Strandbesucher wohl einen Grillabend veranstaltet haben. Nur kurz stöbert sie zwischen den herumliegenden Holzkohlestückchen, dann hat sie ein passendes gefunden. Zu meiner Verblüffung stellt sich damit vor die Felswand wie vor eine Staffelei – und beginnt zu zeichnen. Mit geschickten Strichen bannt sie Rivalität und Aggression, Stolz und Sturheit auf den hellen Stein.

„Plörre!“
„… wie Pisse von einem hundertjährigen Walross!“
„… genauso gut flüssigen Schwefel trinken…“
„… kann jeder behaupten, der von Wein so viel versteht wie der Teufel vom Brotbacken!“

Die beiden Kontrahenten sind zu sehr in ihr Duell vertieft, um ihre Umgebung überhaupt wahrzunehmen. Wir anderen aber verfolgen gebannt, wie die Szene auf dem Fels vor unseren Augen lebendig wird. Es ist die andere Frau, die Dunkelhaarige mit den auffallend blauen Augen, die zuerst zu lachen beginnt. Doch sie bleibt nicht lange allein. Drei weibliche Stimmen und eine männliche jagen die Ernsthaftigkeit zum Teufel und schaffen eine ganz neue Stimmung. „Großartig, meine Liebe!“, lobe ich japsend. „Ich hatte ja schon gehört, dass du eine Künstlerin bist. Aber das ist wirklich der Hammer!“

„Was…?!“ Der Herr der Segelschiffe fährt herum, stemmt die Fäuste in die Seiten. Und auch sein Gegner unterbricht seine tanninhaltige Lobeshymne mitten im Satz. Aus dem Konzept gebracht kommen beide ein Stück näher, um das frisch geschaffene Kunstwerk zu begutachten. Ihre Blicke folgen den eleganten Linien, nehmen das Gesamtbild auf: Die haarigen Körper mit den dünnen, im schnellen Lauf gekrümmten Beinen. Die angespannte Körperhaltung und die wütend gesenkten Köpfe mit den kräftigen Hörnern. Jedes Detail der beiden aufgebrachten Ziegenböcke, die in sinnloser Wut aufeinander zu rennen und jeden Moment die Köpfe gegeneinander krachen lassen werden. Beinahe meint man, das entrüstete Schnauben der beiden vierbeinigen Rivalen zu hören, die bereits mehrere Weinfässer unter ihren Hufen zertrampelt haben. Und die Gesichter… ich habe keine Ahnung, wie die Zeichnerin das gemacht hat. Irgendwie scheint sie die tierischen Züge nur ein kleines bisschen verändert zu haben. Doch es kann keinen Zweifel daran geben, welcher der beiden Männer für welchen Bock Modell gestanden hat.

Die Felsmalerin strahlt ihren so hübsch portraitierten Gefährten an, sichtlich unbesorgt über dessen finstere Miene. Sie weiß ihn offenbar sehr genau einzuschätzen. Ihre Blicke bohren sich ineinander. Was sieht sie in seinen Augen? Wahrscheinlich etwas, das niemand von uns richtig deuten kann. Etwas sehr Tiefgehendes, Intimes. Gefühlte hundert Herzschläge lang breitet sich eine gespannte, meeresrauschende Stille über den Strand.

„So so!“, raunt er dann, und seine Stimme klingt rau wie der Nordwind. „Du willst dich über mich lustig machen, hm?“ Seine Augen haben sich verdunkelt, als seien sie in die Schatten der Nacht getaucht. Das flackernde Licht des Feuers macht sie undurchschaubar. Jedenfalls für mich.

Doch die Frau, auf der seine Blicke ruhen, weicht keinen Millimeter. Hoch erhobenen Hauptes steht sie da, die wehende Mähne im Wind. Und ihre schlanken Finger machen sich daran, die filigranen Verschlüsse am Oberteil ihres Kleides zu öffnen. Einen nach dem anderen.
Bevor sie bei Nummer vier angekommen ist, packt er ihre Handgelenke und hält sie fest. Stumme Botschaften fliegen hin und her. Und mir wird der Mund trocken.

Mit einem knappen Rucken seines Kinns weist er sie an, ihm zu folgen. Dorthin, wo das hölzerne Ruderboot auf dem Strand liegt, mit dem die beiden gekommen sind. Es sind nur ein paar Schritte dorthin, zurückgelegt wie im Tanz. Er führt. Doch auf eine subtile Weise tut sie mehr, als nur zu folgen. Und er weiß es.

Mit einer raschen Bewegung fischt er etwas aus dem Boot. Ein Seil. Provozierend langsam gleiten die Seemannsfinger über dessen raue Oberfläche. Ein Ende lässt er vielsagend hin und her schwingen. Eine Drohung? Ein Versprechen?

Ihr Lächeln wird sinnlicher. Und ich könnte schwören, dass ich auch in seinem Mundwinkel ein leichtes Zucken gesehen habe. Oder bilde ich mir das ein? Schwer zu sagen. Weder das Feuer noch das trügerische Mondlicht spenden eine sonderlich zuverlässige Beleuchtung. Doch ich spüre die Zufriedenheit einer Frau, die bekommen wird, was sie will. Und die Sicherheit eines Mannes, der das gemeinsame Schiff schon so oft durch die Strudel der Lust gesteuert hat.

Als der Seeleopard zum Angriff übergeht, sind seine Bewegungen zu schnell für meine Augen. Im Handumdrehen hat er seine Beute gepackt und ihr die Hände auf den Rücken gebunden. Ihre Atemzüge werden schneller und tiefer, ihre Augen sprühen Sternschnuppen. Und schließen sich einen genussvollen Lidschlag lang, als er mit beiden Händen den Saum ihres knöchellangen Rocks anhebt. Sie weiß, was kommen wird. Und die Zuschauer wissen es auch. Niemand ist überrascht über das laute Ratschen, mit dem der Leinenstoff den kräftigen Seemannshänden nachgibt. Doch allen, die es hören, dringt es tief in ihre Fantasien. Und dort wirft es Anker.

... (Fortsetzung folgt)

.
Was für ein furioser Auftakt *anbet*
*****t72 Frau
88 Beiträge
*snief2* *herz*

Auch ein mentaler Verlust kommt immer wieder hoch ...

Danke liebe Kea
**********pioGJ Mann
788 Beiträge
Ein schönes Bild zum Text *lächelt Kea zu *
Profilbild
****012 Frau
517 Beiträge
Bücherzauber (2/2)
Es ist fast, als sei damit ein Startschuss gefallen. Der Banker löst sich aus seiner Erstarrung und tritt neben seinen Kontrahenten, dem er noch vor ein paar Minuten an die Gurgel gehen wollte. Stattdessen legt er seine Hand nun sanft an den Hals von dessen Gefährtin. Er spürt ihren flatternden Puls und die Hitze ihrer Haut. Ein feines Lächeln malt sich in seine Mundwinkel. Sein dunkles, kurz geschnittenes Haar mit den silbrigen Schläfen schimmert im Mondlicht. Und seine Haltung hat sich verändert. Keine Streitlust mehr. Dafür zentnerweise erotische Präsenz.
Er kostet den Anblick der schönen Frau mit dem zerrissenen Kleid aus. Würdigt die vom Wind auseinandergewehten Rockfetzen, die ihre schlanken Beine entblößen. Mit einem Gesichtsausdruck, als würde er sich ein Stück Schokolade auf der Zunge zergehen lassen.

Auch das Räuspern seines Gegenspielers wirkt nun eher amüsiert als aggressiv. Die beiden Männer wechseln einen langen Blick. Und ich sehe, dass ich mich getäuscht habe. Sie sind nicht aneinandergeraten, weil sie zu unterschiedlich sind. Sondern zu ähnlich. Auch wenn sie aus verschiedenen Welten kommen, kennen und schätzen sie den gleichen Rausch. Ihre Lust hat ein paar dunkle Facetten, die sie nun auch in den Augen des anderen schimmern sehen. Und plötzlich sind sie nicht mehr Gegner, sondern Verbündete.
Sie tauschen ein verstohlenes Nicken. Und die gepflegte Bankerhand wandert zart wie Möwenflaum an der Halsschlagader einer Frau entlang, von deren Existenz er gestern noch nichts wusste. Schnurrend reckt sie sich ihm entgegen. Und er nimmt ihre stumme Einladung an. Seine Fingerspitzen spielen zwischen den geöffneten Verschlüssen in ihrem Dekolleté. Und beweisen einen Augenblick später, dass sie auch anders können. Das zweite Ratschen der Nacht legt die Brüste der blonden Genießerin frei. Und ihre erwachte Gier.

„Was für ein wahnsinnig geiles Bild!“, keucht eine heisere Frauenstimme neben meiner Schulter. „Unsere Malerin ist zwei Piraten in die Hände gefallen. Und ich weiß noch nicht, wer hier gleich wen um den Verstand bringen wird.“
Ich nicke grinsend und greife nach der Hand der dunkelhaarigen Schönheit. „Dann sollten wir zusehen, dass wir unseren eigenen Verstand gleich mit über Bord werfen, oder?“
Langsam habe ich das Gefühl, dass diese Nacht voll jagender Wolken doch noch zu etwas Wundervollem führen wird. Und der Mann an meiner Seite bestärkt mich in diesem Eindruck. Er muss nicht mehr dazu tun, als seine Finger langsam in meine Haare zu flechten und mit einem plötzlichen Ruck meinen Kopf zu sich herum zu ziehen. Er küsst mich. Hart, aber mit spielender Zunge. Reibt seinen Schritt an mir, damit ich seine Erektion spüren kann. Seinen harten Schwanz, der nach mir giert. Nur nach mir?

Schwindelig vor Lust taste ich erneut nach der Hand der dunkelhaarigen Fremden, ermutige sie stumm, mit mir zu teilen. Und sie tut es! Der Mann, den ich so gut kenne, stößt einen Laut aus, den ich noch nie gehört habe. Mit einer Mischung aus Japsen und Knurren begibt er sich in unsere Hände. Und zwischen unsere Lippen. Erst zwischen meine, dann zwischen ihre. Oh ja, auch wir Frauen können Komplizinnen sein! Ein genießerisches Lachen steigt mir in die Kehle. Und untermalt das leise Seufzen, mit dem die Gefährtin meiner Lust in die Knie geht. Direkt an der Wasserlinie, wo wir gestanden haben.

Sie trägt ein kurzes, leicht transparentes Kleid aus feinem Chiffon. Seine meerblaue Farbe passt nicht nur perfekt zu ihren Augen, sondern auch in diese Umgebung. Sie sieht aus wie eine Wassernymphe. Soeben dem Meer entstiegen, um der Männerwelt eine gischt-schäumende Herausforderung vor die Füße zu knallen. Sie sieht genau, wie die Welle heranrollt, größer und höher als die anderen. Doch sie weicht nicht aus. Denn sie hat den Schwanz meines Meeresforschers im Mund. Und ihre Nippel schwellen zwischen meinen Fingerspitzen. Die See schwappt über ihren Körper. Klebt ihr das Kleid auf die Haut. Und reißt uns alle in den Abgrund.

Die Bilder, die Geräusche, die Düfte dieser Nacht werde ich nie vergessen. Der Gesang der Ekstase tropft in den Sand und rollt sich in den Wellen, wird vom Wind zerfetzt und gegen die Felsen geschleudert. Er klingt rauer, wilder, verführerischer als sonst. Und findet immer offene Ohren.
Er macht mich trunken genug, um mich von Klippen in die schäumende Lust zu stürzen. Um auf Wellen zu reiten, mal in genießerischem Schritt, mal in wildem Galopp. Ich spüre die Peitsche und die sanfte Hand. Und das Zerren des Seewinds in meinen Haaren. Ich liege in den Armen von Männern und Frauen, wälze mich im flachen Wasser. Und nehme keinerlei Anstoß daran, dass auch mein raffiniert geschnittenes Kleid als Fetzen voll Risse und Sand enden wird.

Die Wolken verwandeln sich in Meeresgötter, die mit gierlodernden Blicken auf uns herunterschauen. Und uns immer weiter treiben. Wie sie mich wohl sehen, hier unten, mit einem Schwanz in meinem Mund und einem weiteren, der so behutsam wie gekonnt meinen Arsch erkundet?
„Luder!“, raunt der Wind.
„Meeresstute!“, rauschen die Wellen.
Der Mond schreibt mir silbrige Botschaften auf die Haut. Und die Männer folgen seinem Beispiel. Wir balancieren alle am Rand der Erschöpfung. Doch die Gier flammt immer wieder auf. Bis sie sich schließlich schlafen legt, am Rand eines neuen Tages. Und wir es ihr nachtun.

Als die Sonne am nächsten Morgen höher steigt, leckt sie die geheimnisvollen Schatten vom Strand. Doch wir alle wissen: Wir haben ein Stück Magie gewebt in dieser Nacht. Und es wird hoffentlich nicht das Letzte gewesen sein.
Der Seemann und seine Gefährtin klettern in das Ruderboot, das sie hinaus zu ihrem Segler bringen wird. Die Malerin lächelt versonnen und wirft uns eine spöttische kleine Kusshand zu. Ihr Begleiter aber steigt noch einmal aus, ein kleines Weinfässchen unter dem Arm. Mit langen Schritten stapft er auf einen ehemaligen Widersacher zu und stellt es ihm vor die Füße.
„Da!“, sagt er. „Aus der Toskana. Habe ich kürzlich einem Kauffahrer abgenommen und… mehr wollt ihr nicht wissen.“ Er grinst in die Runde. „Trinkt und lernt! Bis zum nächsten Mal.“

Damit springt er wieder in sein Boot, das wir mit vereinten Kräften ins Wasser schieben. Schon legt er sich in die Riemen und beginnt, mit kräftigen Schlägen auf Meer hinaus zu rudern. Es wird nicht lange dauern, bis Gödeke Michels sein Schiff erreicht. Wohin werden sie segeln, Isabella und er? Wie werden sie zurückfinden, mehr als 600 Jahre in die Vergangenheit? Sie scheinen sich darüber keine Sorgen zu machen. Also versuchen wir, es auch nicht zu tun.

Auch unsere beiden anderen Mitspieler verabschieden sich nun.
„Ich hätte nicht gedacht, dass so etwas möglich ist“, sagt M. leise. Für einen stets elegant gekleideten Mitarbeiter der Europäischen Zentralbank wirkt er ein bisschen ramponiert. Was ihn aber nicht die Bohne schert. Seine Augen funkeln, während er seiner Stella den Arm um die Schultern legt. Ihr Lächeln verrät, wie sie sich fühlt. Wie wir alle uns fühlen. Gesättigt. Voller Dankbarkeit und Leben. Bereit, weiterzumachen. Diese Nacht hat ein paar helle Spitzen um unsere Trauer gehäkelt.
„Das Meer wird immer Geschichten erzählen“, murmelt Stella. „Auch wenn unser gemeinsamer Freund es jetzt nicht mehr kann.“
Wir tauschen herzliche Umarmungen, bevor die beiden über den Strand davon schlendern.

Bjarne und ich bleiben allein zurück.
„Auch wenn er es jetzt nicht mehr kann …“, wiederhole ich nachdenklich und lehne den Kopf an seine Schulter. Das Brennen in meinen Augen kommt nicht vom Salzwasser. „Ob diese Nacht wirklich einen Unterschied gemacht hat?“
„Ich bin ganz sicher, Pia!“ Bjarne zieht mich an sich, und ich genieße für einen Moment einfach nur seine Wärme und seinen Anblick. Die beiden Wirbel in seinen blonden Haaren lassen ihn immer aussehen, als sei er soeben dem Bett entstiegen. Heute aber wirkt er geradezu verrucht. Ich zumindest kann ihm jede einzelne Ausschweifung der vergangenen Nacht mühelos ansehen. Und da ist ein neuer Ausdruck in seinen Augen, dem ich zu gern auf den Grund gehen möchte.

„Ich glaube, du hast recht“, antworte ich nach einer Weile. „Dafür, dass wir nur ein paar Romanfiguren aus dem Hause Walhorn und Ritter sind, waren wir heute Nacht doch alle erstaunlich lebendig.“
„Du sagst es!“ Er fährt sich mit der Hand übers Gesicht. „Ich war nicht ganz sicher, ob das klappen würde, ganz ehrlich.“
„Frag mich mal! Aber du hast ja gesehen, dass es funktioniert. Und zwar, solange Menschen über uns lesen. Wenn wir durch ihre Gedanken geistern, wenn unsere Abenteuer über die Leinwände in ihren Köpfen flimmern, dann werden wir rrrrrrrrrrrrrrreal.“
„Grrrrrrrrreifbar!“ Bjarne grinst anzüglich und spielt mit meinem rechten Nippel, der sich vorwitzig durch einen Riss in meinem Kleid drängt. „Je häufiger das jemand tut, umso besser, oder? Also das Lesen, meine ich.“
„Klar: Umso lebendiger werden wir ja!“ Ich schließe genießerisch die Augen. „Und wenn es der Zufall will, dass wir beide, Gödeke und Isabella, M. und Stella gleichzeitig beschworen werden …“
„… dann können wir uns treffen“, ergänzt er. „So wie letzte Nacht.“
Wir hängen einen Moment unseren Gedanken nach.
„Bjarne?“
„Hm?“
„Ich bin froh, dass unsere Welt nicht untergehen wird.“
„Ich auch. Es gibt doch noch so viel zu erzählen!“
„Ach?!“, mache ich vielsagend.
Er nickt entschieden. „Ja. Und ich denke, wir sollten unserem Publikum so viel wie möglich bieten, oder?“ Mit einem waschechten Piratenlächeln schiebt er mir die Träger meines Kleides herunter. Und die Realität zersplittert in glitzernde Scherben.

Ende

© Kea Ritter, September 2021

Zur Erklärung: Alle Protagonisten, die sich an diesem Strand versammelt haben, sind Figuren aus den Romanen "622" und "Blindfolded Dinner". Ich habe diese Geschichte unter dem Eindruck von Bernd Walhorns Tod geschrieben und @****rni hat sie beim "Leselust"-Livestream am 18. Oktober sehr bewegend vorgelesen. Vielen Dank nochmal dafür!


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****rni Frau
174 Beiträge
Es war mir eine große Freude und Ehre sie lesen zu dürfen. Es berührt mich immer noch zutiefst, wenn ich diese Zeilen lese. Gleichzeitig ist dieser wundervolle Funken im *herz* vorhanden, dass diese Protagonisten und weitere, von uns in die Ohren der Zuhörer gebracht werden. *knuddel*
*****t72 Frau
88 Beiträge
Diese Geschichte ist das Beste was mir am heutigen Tag passiert ist.

Danke dafür!
Der Zauber, den Du und Bernd immer heraufbeschworen habt, liebe @****012 , der wird nie verfliegen, da Du ihn nicht vergehen lässt.
**********pioGJ Mann
788 Beiträge
Eine wunderschöne Perle zum Gedenken an Käpt’n Walhorn, Lady Kea.
*lächelt und verneigt sich *
*********zier Mann
1.026 Beiträge
Langsam, aber sicher gehen mir für Deine Wortschöpfungen die Kommentare aus.

Ich gerate immer wieder in Begeisterung über Deine Fähigkeit, mit Sprache Bilder zu erzeugen, die in meinem Kopf Eigenleben beginnen, oder - um eine Deiner Formulierungen zu verwenden - dort Anker werfen.
Also füge ich meinen Lobeshymnen gerne und mit Vergnügen eine weitere hinzu und hoffe, die Ereignisse werden Dir die Kraft und die Freiheit geben, uns, Deinen Lesern zu zeigen, was Du uns bislang noch verbirgst.

Der Roman wird kommen. Ich bin sicher. Wenn auch nicht zum Zweck des Broterwerbs: Dieses innere Brodeln, dieses Feuer, die Lava, die Glut werden sich Bahn brechen und etwas Größeres gebären.

Ich kann warten. *zwinker*
*****har Paar
41.020 Beiträge
Da schließe ich mich einfach mal an, weil das auch meine Meinung ist ...

(Der Antaghar)
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****012 Frau
517 Beiträge
*rotwerd* Ich danke Euch sehr für dieses wundervolle Feedback!
********rlin Frau
4.012 Beiträge
wie passend, dass ich erst heute an "Allerheiligen" dazu komme, die Geschichte zu lesen.

...und wie stimmig, dass jetzt dicke Tränen herunterkullern und silbern und salzig über mein Gesicht strömen.

So unfassbar traurig und so unsagbar schön. Gefühle so tief wie der Marianengraben

Danke @****012 Danke
*****169 Frau
6.194 Beiträge
Zitat von ****012:
„Ich bin froh, dass unsere Welt nicht untergehen wird.“
„Ich auch. Es gibt doch noch so viel zu erzählen!“

@****012 nickt entschieden. „Ja. Und ich denke, wir sollten unserem Publikum so viel wie möglich bieten, oder?“ Mit einem waschechten Piratenlächeln ...
... und neu geschöpfter Kraft taucht sie den frisch angespitzten Federkiel in das elegante Tintenfässchen, um mit ihrer unnachahmlichen Gabe hauchzarte Wortgespinste zu weben, in denen sich unsere Gedanken, Erinnerungen und Phantasien heillos verstricken *fessel*

Die Vereinigung der Protagonisten tief berührend und auf eine besonders feine Weise gelungen *hutab* ... freue mich sehr auf die nächsten Abenteuer aus dem "Meer der Geschichten" *les*


*zugabe* *bravo*
Profilbild
****012 Frau
517 Beiträge
*pirat* Ich trainiere schon mal mein waschechtes Piratenlächeln, liebe @*****169! *knuddel*

Ganz im Ernst: Ich danke Euch allen für Euer wunderbares Feedback! Gerade bei dieser Geschichte bedeutet mir das so unendlich viel!

Und was die nächsten Abenteuer aus dem Meer der Geschichten angeht: Oh ja, es wird bald schon etwas Neues geben. Beim letzten "Leselust"-Stream im Oktober hat das Publikum wieder mal 10 Wörter vorgeschlagen, aus denen ich eine Geschichte gestrickt habe. Es war diesmal ein ziemlich ungewöhnlicher Wort-Cocktail: Von "alter Lorbass" über "Rosengarten" bis zu "Palindrom-Phobie"... *umfall*
Lasst Euch überraschen... *ggg*
Zu hören gibt es die Geschichte am Montag, 22.11., bei der neuen "Leselust":
Leselust mit den Vorleseratten

Und anschließend stelle ich sie natürlich wieder hier ein. *g*
**********pioGJ Mann
788 Beiträge
Ich kann es kaum erwarten
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