„Richtig, "Gelegenheit macht Diebe" ist "victim blaming". Aber hier liegt auch ganz klar eine rechtwidrige Rechtsgutverletzung vor.
Und genau das ist in der Diskussion der Knackpunkt: die Definitionen. Z.B. ab wann man von einem Opfer spricht.
Da wir uns hier in einem Bereich bewegen, in dem wir moralisches Verhalten bewerten, nicht Rechtsgrundlagen, ist denke ich für den Begriff "Opfer" ebenfalls eine Definition von nöten, die vor allem die moralische Seite abdeckt.
Ich persönlich befürworte es allerdings gar nicht, hier von "Opfern" zu sprechen - vielmehrgibt es eine Person, deren Selbstbetimmung verletzt wurde, und eine Person, die sich einer anderen aufgedrängt hat.
Aber, wenn du den Begriff gerne verwenden möchtest: für mich ist ein Opfer jemand, dessen Rechte (ob juristisch gesehen oder moralisch) verletzt wurden. Natürlich ist das im Falle von nicht juristisch verbrieften Rechten nicht exakt sauber festzulegen, wann das der Fall ist, weil Moral nunmal nicht verbrieft festgeschrieben ist. Aber ich finde es hier hilfreich, von einem Recht auf absolute Selbstbestimmung auszugehen, und als Opfer eben zu bezeichnen, wessen Selbstbestimmung eingeschränkt wurde.
„Im Zshg. mit "victim blaming" macht mMn aber nur eine Definition Sinn, die eben eine schuldhafte Rechtsgutverletzung voraussetzt.
Und genau das sehe ich nur dann als sinnvoll an, wenn wir auch über Rechtsverstöße sprechen. Aber wir sprechen von einer moralischen Verantwortung im Umgang mit anderen. Von gewünschten Verhaltensregeln, nicht vorgeschriebenen Gesetzen.
Es ist absolut klar, dass in vielen moralischen Fragen rein rechtlich überhaupt kein Problem besteht. Rechtlich ist es beispielsweise in Ordnung, ein mir anvertrautes Geheimnis (nicht in Form von Firmengeheimnis/ Insider-Wissen, sondern in Form von "persönliches Schicksal") an andere Menschen weiter zu erzählen. Moralisch hingegen ist das fragwürdig.
„"Das war aber dumm, dein Auto so nach an der Baustelle zu parken" ist mMn kein "victim blaming", weil es kein Opfer gibt. (Außer dem armen Auto! Aber Autos sind IMMER gut!
) Sehr wohl aber einen Geschädigten (mit Schadensersatzansprüchen).
Da bin ich bei dir - rechtlich gesehen, mal wieder. Und darum mag ich auch, wie oben Erwähnt, den "Opfer"-Begriff nicht. "Victim Blaming" stammt ja nicht von mir (also, als Begriff), ich habe nur den Begriff verwendet, der isch eben etabliert hat. Ich wünschte mir einen Anderen.
„Und bei der Beurteilung der Schuldhaftigkeit ist natürlich im Zweifel für den Verletzenden auszulegen. Dabei spielt dann eben eine "übliche" Interpretation der Kommunikation eine Rolle. Auch wenn die verbal erfolgt ist.
Möchte man eine Schuldfrage klären, bin ich bei dir.
Möchte man aber theoretisch überlegen, wie man sich wünschen würde, dass die Realität aussehe (die ist ja nicht unveränderlich, sondern unterliegt gerade in diesem Bereich einem gewissen Mentalitätswandel in der Gesellschaft - gerade in Geschlechterrollen zum Beispiel lässt sich das ja sehr gut durch die letzten Jahrzehnte verfolgen), sieht das anders aus.
"Ja, sie hätte dmait rechnen können." Aber: "Nein, ich finde, sie sollte nicht damit rechnen müssen."
Unterschied ist klar, denke ich.
Analog sage ich auch: der Sexpartner der TE ist nicht unbedingt Schuld an der Situation. Aber es wäre dennoch seine alleinige Verantwortung gewesen, das zu verhindern.
Klingt paradox, ist es aber nur, wenn man Schuld und nichtr wahrgenommene Verantwortung gleich setzt. Es ist aber nicht das selbe: Schuld wäre er nur, wenn er sich seiner Verantwortung bewusst gewesen wäre. Aber da wir sehr üblich nicht so miteinander umgehen, wie wir das vielleicht sollten, kann man ihm zu gute halten, dass er das vielleicht tatsächlich nciht wusste.
Aber es ist nicht die Verantwortung der TE, ihre erwachsenen Sexpartner zu erziehen und ihnen zu erklären, welche Verantwortung sie für ihre Handlungen haben.
„Wenn mir eine Frau, die ich gerade in der Disko aufgerissen habe, in Ekstase ins Ohr haucht "Heute Nacht gehöre ich dir!" und ich darauf meine Nadeln hervor hole und ihre Schamlippen durchbohre, war das eben keine Einwilligung.
Zustimmung. Aber nach deiner Definition von oben ist das nur so, weil es nicht üblich ist, Schamlippen mit Nadeln zu durchbohren. Und du, vernünfitgerweise, das auch selbst so siehst - obwohl es für dich eventuell etwas ganz normales ist.
Aber genau da ist es schwieriger, wenn wir von den Extremen weggehen. Beispiel Analsex - ist das "üblich"?