Jede/r bringt einen Rucksack voller Erfahrungen mit
Jetzt hab ich mich als Späteinsteiger mal durch den Threat gelesen. Spannend!
Ist voll mein aktuelles Thema. Nun aktuell... seit eigentlich ca. 34 Jahren.
Als Greenhorn mit 23 eine Greenhörnin mit 18 kennengelernt. Beide zum ersten Mal Sex mit einem Partner. Ich wenigstens mit reichlich handwerklichen Kenntnissen bestückt, sie ohne etwas zu wissen, ausser, dass man einen Tampon benutzen sollte, wenn's rot wird. Brav und unbedarft hoch 3.
Ein Eldorado für den Jungen, der schon lange mal geben wollte und endlich konnte.
Ein sehr asymmetrisches Sexleben nimmt seinen Anfang. Ich gebe, sie empfängt.
3 wunderbare Töchter sind entstanden, tolles Familienleben, Haus, Berufserfolg, Tiere, etc.
Aber über die Jahre hinweg immer mehr Flaute im Bett. Ich meine, es gab Jahre, in denen wir nie gemeinsamen Sex hatten. Ich immer intensiver 'handwerklich' unterwegs.
Neben der Quantität hinterfragte ich immer mehr die Qualität unseres Sexlebens.
Ich liebe die Nähe zu der Frau, ich liebe es, bei und in ihr zu kommen, da fühle ich die innige Verbindung, die mich damals auch mit ihr zusammen gebracht hatte. Das war der Grund für die Heirat 1993.
Aber mir wurde immer bewusster, dass mich die Art der Zusammenspiels je länger je mehr langweilte. Sie liebt von Anfang an und noch immer die Stellung Seestern. Alles andere ist mühsam und anstrengend. (Ich gehe davon aus, dass sie noch immer dermassen gehemmt ist, dass sie sich einfach nicht gehen lassen kann.)
So kam es irgendwann, dass ich mich vor der Wahl sah: Soll ich es mir nun selber besorgen, durchaus über längere Zeit und zum Abschluss einen Top-Orgasmus erleben oder soll ich jetzt meine Frau zum Höhepunkt bringen, selber aber eher einen mittelmässigen oder weniger haben. (Ihr Höhepunkt verstand ich zu lange als meine Verantwortung...)
Ich war mein ganzes Arbeitsleben lang wochen- bis monatelang auf Geschäftsreisen und bin seit 34 Jahren nie fremdgegangen. Aus Loyalität und monogam verstandener Treue. (Ok, es gibt Menschen, die Pornokonsum bereits als Treuebruch betrachten.)
Seit ca. zwei Jahren ist mir klar, dass ich diese wunderbare Energie nicht nur mit mir selber und so ein bisschen mit meiner Frau ausleben möchte.
Mir ist inzwischen bewusst geworden, dass nicht nur meine Frau aus Hemmung über die Jahre hinweg nicht geredet hat, sondern auch ich. Siehe da, und ich hatte gedacht, dass ich so fortschrittlich erzogen wurde. Nix da!
Mein Vater war Arzt und hatte uns Söhnen zwar ausgiebig erklärt, wie das läuft mit den Eierstöcken und den Samen und so...
Wie aber eben diese Samen zu den Eierstöcken gelangen und dass dieser Vorgang so richtig, richtig geil und schööön sein kann und auch darf, davon war nie die Rede. Und so wuchs ein weiterer lustgeladener Teeny heran, der nicht wusste, wohin er mit der Energie soll. Und jedesmal, wenn er wieder Erleichterung fand - und das war sehr, sehr oft, versank er in schlechtem Gewissen. Zum Mädchen Anreden zu scheu dauerte dieses Spiel bis 23...
So, was ich damit sagen wollte: Jeder und jede trägt seinen Rucksack voller Erfahrungen und Glaubenssätzen mit sich rum. Jeder hat ein mehr oder meist weniger lustvolles Zuhause erlebt. Und jetzt soll es einfach so flutschen im Bett oder am liebsten überall.
Mit meiner Frau bin ich seit einigen Monaten im Dialog, seit dem wir uns wegen allgemeiner Kommunikations-Problemen an einen Paarberater gewendet haben.
In diesem Zusammenhang kam dann auch der unterschiedliche Appetit offen zur Sprache.
Unser Sexleben war über Monate auf Null und vorher vielleicht alle zwei Monate vorhanden.
Wir haben in den letzten Monaten gemeinsam versucht, das wieder ans Laufen zu kommen.
Vom Berater nach ihrem Appetit gefragt, sagte meine Frau, dass sie sich 2 x wöchentlich vorstelle, worauf nicht nur der Fragende die Brauen hochzog. Ok, bei meiner Antwort zog er sie abermals hoch: täglich. So meine Antwort.
Nun, nachdem wir inzwischen nach längerem wieder ein paarmal Sex hatten, teilte meine Frau mit, dass einmal doch auch ok sei. Und da sind wir nun wieder:
Entweder bedränge ich sie andauern oder sie kastriert mich andauernd. So die Formulierung unseres Beraters. Beides ist suboptimal und schädigt jede Beziehung.
Gerade gestern darauf angesprochen meinte nun meine Frau, dass wir uns da halt beide entgegenkommen sollten, sie mir und ich ihr. Da wären wir dann wieder bei. 2-3x wöchentlich. (Es ist ja nicht nur die Quantität zu verbessern, sondern eben auch die Qualität.)
Das kann nur klappen, wenn auch sie wie ich bereit ist, in ihren Rucksack zu schauen und ihn auszumisten. Entsprechende spannende Schritte sind zwar angedacht, aber noch nicht gegangen.
Mein Treue-Verständnis geht wie anderswo schon geschrieben dahin, dass ich transparent sein möchte. Ich ticke so, dass ich mich bei einer Aussenbeziehung erst dann fallen lassen kann, wenn ich ihr OK habe. Wieviel sie dann letztlich im Detail wissen will, wird sich noch zeigen.
Und auch hier stelle ich mir noch die Frage, ob sie dieses wirklich von Herzen geben kann, oder ob es nicht einfach Zweckoptimismus / Deal ist. Damit muss dann aber sie umgehen.
Was ich aber in den letzten Monaten gelernt habe ist, wie wichtig das Reden ist.
Nur so besteht die Chance, das Potential auszuschöpfen und sogar allfällige alte Missverständnisse auszuräumen. (Wir haben auch gestaunt, welchen alten Zöpfen wir auf den Leim gegangen waren...)
Danke allen, die Ihre Erfahrungen und Meinungen geteilt haben.
Wir sind noch auf der Reise...