„Nachdem ich schon einige Frauen getroffen habe, die angaben, in ihrer letzten Beziehung an einen Narzissten geraten zu sein, bin ich da mittlerweile vorsichtig geworden, weil da vielleicht unbewusst Erwartungen im Raum stehen, die ich gar nicht erfüllen kann (will).
(...)
Erfahrungen und Gedanken dazu? Oder ist es doch eher eine einmalige Erfahrung für euch gewesen und nie wieder...?
Ehrlich gesagt: Ich weiß nicht, ob ich was mit Narzissten hatte.
In den letzten 20 Jahren hatte ich 3 dieser typischen zweieinhalb-Monats-Beziehungsversuche, in denen mein Partner extrem narzisstische Züge an den Tag legte. Aber waren das Narzissten? Oder bloß Männer, die - wie alle Menschen - ein paar narzisstische Bedürfnisse haben und ein paar ungesunde, beziehungsschädliche Verhaltensweisen ("Macken") mehr an den Tag legten als Otto-Normal? Womöglich waren sie auch nur in einer Experimentierphase und hatten einen dieser unterirdischen Flirt- und Pick-Up-Artist-Ratgeber konsumiert und versuchten sich in der Verkörperung des Super-Männchens?
Als ich die psychologische und psychotherapeutische Fachliteratur zu Grunde legte, kam ich zu dem Schluss, dass es für eine Diagnostik zu viele offene und ungeklärte Fragen gibt. Und dass ich zum Klären dieser Fragen sowohl als aktuelle als auch als Ex-Partnerin in der falschen Position bin.
Am Ende entwerteten diese Ex alles. Alles sei nur Illusion gewesen. Sie hinterließen einen Scherbenhaufen und einen riesen Berg an Zweifeln. Alles schien vergiftet. Ich glaube aber nicht, dass meine Menschenkenntnis so völlig neben der Spur war/ ist. Vermutlich sitzt die Wahrheit zwischen zwei Stühlen.
Der Beginn war immer super!
Diese Männer liebten die Persönlichkeitsfacetten an mir, die in meinem Elternhaus ein wenig zu kurz gekommen waren. Sie liebten diese nicht nur an mir. Sie verkörperten diese. Lebten diese Facetten zum Teil sogar im beruflichen Kontext - also auf professionellem Niveau - aus.
Also nicht, dass meine Eltern mich nicht lieben würden. Aber eben nicht alles an mir. Die beiden sind ja auch nur Menschen mit ihren eigenen Vorlieben und Abneigungen. So manche meiner Facetten haben sie beim Gesamtpaket "Kind" nur in Kauf genommen und in Stress-Konstellationen... äh... dumm gelaufen.
Die positive Bestätigung von Freunden, dass auch das liebenswerte Anteile meiner Selbst sind, die hatte ich bereits. Auch in meiner Selbstliebe für diese Facetten war ich auf einem guten Weg.
Aber nun stand sie da: Die positive Bestätigung im Rahmen einer romantischen Liebe.
- Sowas kann echt heilsam sein. Bestätigung durch platonische Freunde schön und gut. Doch die kommen eben nicht so nah dran an die herbei gesehnte Mutter- und/ oder Vaterliebe.
Doch mit der Zeit stiegen meine Selbstzweifel, Schuld- und Schamgefühle, während mein Selbstwert einen Sturzflug nach dem anderen hinlegte.
Das wäre so das erste Indiz gewesen, dass diese Beziehungsversuche Scheiße sind. Aber irgendwie konnte ich das noch alles mittels rosa-roter Brille und viel Leidenschaft relativieren.
Was ich aber nicht mehr relativieren konnte, war, dass meine platonischen Freundschaften nicht mehr gut liefen. Meine Freunde und ich haben ja hier und dort dieselben Persönlichkeitsanteile. Und als ich diese in ihrer Gegenwart gar nicht mehr ausleben konnte... Was stimmte mit mir nicht? Also dass man sich mit neuen Partnern weiterentwickelt ist ja schön. Dass man Rücksicht auf den Partner nimmt - also so manches in seiner Gegenwart nicht auslebt, da es ihm nicht gut tut - auch. Aber wenn ich bei meinen Freunden nicht mehr die Alte sein kann, dann ist das kein Persönlichkeitswachstum. Dann bin ich irgendwie dabei zu verkrüppeln.
Hinzu kamen die Intrigen und der Versuch, dieses "Wir zwei gegen den Rest der Welt"-Gefühl aufzubauen. -
ABER ich bin ein Rudeltierchen!!
"Wir zwei gegen den Rest der Welt" mag ich gar nicht haben.
Und ich reagiere äußerst allergisch darauf, wenn einer versucht, einen Keil zwischen mich und meine Freunde oder Familienmitglieder zu treiben.
Da gab es dann so merkwürdige Gespräche. Z.B. Freund(in) XY solle angeblich... "Na, wenn ich Freund(in) XY so oberflächlich kennen würde wie Du, dann würde ich dir das glatt abkaufen.", dachte ich mir da. Aber ich kenne doch meine Leute. Und wem vertraue ich wohl mehr? Menschen, die ich seit 5, 10 oder 20 Jahren kenne und die mit mir durch dick und dünn gegangen sind? Oder einem Kerl, der gerade Mal seit fünf Monaten in meinem Leben herum spukt?
Diese Diskrepanz an Vertrautheit lässt sich doch nicht wegficken!
So groß kann der Rauschzustand doch gar nicht sein, dass man das übersieht!
Kurzum: Diese Beziehungsversuche explodierten innerhalb von zwei bis drei Monaten.
Normaler Weise strebe ich ja danach, mit meinen Ex im Guten auseinander zu gehen.
Doch in diesen Fällen hinterließ ich verbrannte Erde.
Mein Schaden hielt sich noch in Grenzen, war aber angesichts der kurzen Beziehungsdauer enorm.
Innerhalb eines Jahres konnte ich alle blockierten Facetten meiner Persönlichkeit freischaufeln, Zerschmettertes wieder zusammenpuzzeln und wieder mit meinen Freunden ausleben.
Und was meine Persönlichkeitsfacetten anbelangte, welche diese Kerle lebten und ursprünglich angeblich auch an mir liebten: Ich habe mich entschieden, anzunehmen, dass das tatsächlich liebenswerte Anteile meiner Selbst sind. Auch wenn die positive Bestätigung im Worst-Case nur die Illusion eines Narzissten gewesen sein sollte: Wenn Einer eine Performance auf dem Level erbringen kann, kann er was und muss gute Vorbilder gehabt haben. Die Vorbilder, nach denen ich gesucht hatte. Diesen Teil seiner Performance hatte ich geliebt. Also konnte ich diesen Teil auch an mir selbst lieben.
Der nächste Kerl mit narzisstischen Zügen musste sich also eine andere Schwachstelle zum Andocken suchen. Bzw. gab es Kerle, die wieder an derselben Stelle andocken wollten. Aber die konnten mich nicht derart in Bann ziehen.
Ich denke, die Menschen, die es dauerhaft mit einem Partner mit narzisstischen Zügen aushalten, die wollen auch "Wir zwei gegen den Rest der Welt" leben. Da verflachen dann alle anderen Beziehungen (Freundschaften etc.pp).