@*******elle: hier mal meine Erfahrung zu deinen gestellten Fragen, als Mann:
1. Habt ihr Erfahrungen mit Covern beim Dating?
2. Nun frage ich mich, kann es mögliche Täter abschrecken oder echt gegen Übergriffe schützen?
Hintergrund:
Früher habe ich beruflich Risiko- und Gefährdungsanalysen machen müssen. Trotzdem bin ich - nach späterer Analyse aufgrund eigener Überheblichkeit und dabei auftretendem Falschverhalten - in eine Situation 1 gegen 3 geraten. Ich habe damals die Situation anders eingeschätzt, trotz geschult- und trainiert-sein. Die Analyse ergab:
• Die Situation wäre evtl. anders verlaufen, wenn ich zu dem Zeitpunkt durch jmd in Ruf-/Eingreifreichweite gecovert gewesen wäre, weil ich einfach nicht damit gerechnet hatte. Ich fühlte mich vom Umfeld, vom Bereich, vom Gegenüber her absolut sicher.
• Das Wissen Dritter, es gibt ein Cover, führt zu einer Änderung des Verhaltens Dritter. Wäre damals mit Sicherheit so gewesen.
Die ersten Untersuchungen des Einsatzes von Bodycams bei Einsatzkräften hat aufgezeigt, dass dieses zu einer Deeskalation führen kann. Allerdings: der von dir angesprochene Bereich ist anders, daher die auf anderem Felde gewonnene Erfahrung nur bedingt übertragbar. Damals habe ich meinem Date nichts von dem Umschlag erzählt. Heute würde ich es machen, würde auch von vornherein vertrauensbildende Massnahmen für sie ins Gespräch bringen und abklären.
Das hatte alles somit eine Änderung bei mir zu Folge: die damalige Bitten meiner Eltern, eine Nachricht zu hinterlassen, Zettel zu hinterlegen, wo ich wäre, wo ich erreichbar sei, bekam nachträglich eine andere Bedeutung. Heute hinterlasse ich bei z.B. Tagestouren im Auto eine Nachricht, welche Tour ich mache, wenn ich Schwimmen gehe, weiß jemand Bescheid etc.
Das hatte auch Auswirkung auf die Erziehung der Kinder, alles Mädels: beibegracht, nicht alleine unterwegs zu sein, immer in Gruppen; wenn in der Bahn, das Handy griffbereit, in der Nähe des Alarmknopfs sitzen; nicht nachts alleine rumlaufen sondern sich abholen lassen, egal wo, egal welche Uhrzeit, aber nicht in Köln alleine Nachts; Getränke nicht unbeaufsichtigt lassen, wenn jemandem anlasslos schwummerig im Club wird, sofort Polizei, Security und eigene Gruppe verständigen...
Klar muss allerdings sein: es geht nicht um die Erhöhung der Sicherheit, sondern es geht hier um eine Risikominimierung. Und die läuft einfach im Hintergrund, unbewusst ab.
Und wie aus den verschiedenen Beiträgen vorab zu entnehmen ist, sind da verschiedene Bereiche mit ihren jeweiligen Faktoren zu betrachten:
• Öffentlichkeit, z.B. erstes oder mehrmaliges Date: ist es ein öffentlicher Ort, bin ich dort alleine, gibt es andere Unbeteiligte; besteht die Möglichkeit des Eingreifens durch Dritte oder gibt es nur vorbei eilende Passanten und Autos; Uhrzeit: dunkel oder hell; Handyempfang; abgelegen, frequentiert; Ortskenntnisse vorhanden oder nicht; mögl. Fluchtwege bekannt, eigene Anreise, Anreise mit ÖNV, freie Wahl der Rückreise möglich...
• Wohnung: eigene bekannte Örtlichkeit oder nicht; Schlüsselgewalt, Fluchtweg in ein anderes abschließbares Zimmer; Möglichkeit des Hilferufens über offenes Fenster, Balkon; Nachbarn vorhanden ggfls dünne Wände; Handy z.B. über Alexa für Notruf durch Rufen einsetzbar?
Wie
@*****ven u.a. schon angemerkt haben, zumeist kommt es zur Übergriffigkeit, wenn schon ein gewisses Vertrauensverhältnis existiert.
Meine Erfahrung:
zu 1.: Ja, ich habe vor 25 Jahren bei einem mir unbekannten Date in einem Umschlag die Informationen hinterlegt, die mir zum Date bekannt waren und habe die später auch weiter ergänzt. Sollte mir etwas passieren, war klar, dass dann ein gezielter Ansatzpunkt bestand, von dem aus eine Suche hätte starten können. Ich fühlte mich darüber beruhigt.
zu 2.:
Vermutung ja, aber nicht belegbar, siehe oben.
Für mich war wichtig, das Gefühl zu haben, das getan zu haben, was mir möglich war. Sollte es zur Übergriffigkeit kommen, bin ich das Opfer, der andere der Täter, den ich bzw. andere dann aber auch später haftbar machen können.
Des Weiteren muss ganz klar zwischen Frau und Mann in der Risikoanalyse unterschieden werden. Hierzu ein paar Zahlen:
2015: Jeder zweite Befragte hat gesetzlich verbotene Belästigungen am Arbeitsplatz schon einmal erlebt. Jede sechste Frau und jeder 14. Mann stuft das Erlebte explizit als „sexuelle Belästigung“ ein. Als Täter benennen sowohl Männer als auch Frauen am häufigsten Männer; Quelle: Studie "Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz", Antidiskriminierungsstelle des Bundes
2019: Vergewaltigung, sexuelle Nötigung und sexueller Übergriff im besonders schweren Fall einschl. mit Todesfolge §§ 177, 178 StGB
9.426 Fälle 7.969 aufgeklärt 84,5 Aufklärungsquote
Fallstatus Opfer: insgesamt 9.523, davon 556 männl. und 8.967 weibl. Opfer
im Vergleich die Bevölkerungszahlen Stand: 31.12.2018 insgesamt: 83.019.213; männlich: 40.966.691; weiblich: 42.052.522
Tatverdächtige:
Kinder unter 14: 86 männl., 2 weibl.
Jugendliche 14<18: 845 männl., 13 weibl.
Heranwachsende 18<21: 1.077 männl., 6 weibl.
Erwachsene ab 21: 6.087 männl., 73 weibl.
Quelle BKA PKS 2019 - Vergewaltigung, sexuelle Nötigung und sexuelle Übergriffe
2020 wurden im breiteren Spektrum der sexuellen Belästigung über 80.000 Fälle zur Anzeige gebracht, Quelle Statistica
zu berücksichtigen: die Dunkelziffer der Opfer wird um ein Mehrfaches höher geschätzt.
Und dann noch ein Hinweis, da in mehreren Beiträgen auf die BDSM-Szene eingegangen wurde. Vor einiger Zeit bin ich hier auf das Feld von Verträgen für "Meister" gestoßen, Sklaven/Sklavinnenverträgen in Entwürfen. Bei diesen geht explizit die Erlaubnis des Überschreitens von strafbewehrten Grenzen als gestattet durch den/die Unterschreiber(in) hervor, ebenso wie die Freigabe zur Prostitution etc. Wie perfide ist so ein System, in dem sich ein "Meister" die schriftliche Absolution vorab einholt, um seine(n) Sklaven/Sklavin ins vermeintliche Unrecht zusetzen, wenn es um die Ausnutzung eines Machtgefälles und Abhängigkeitsverhältnisses geht. Glaubt denn wirklich auch nur ein Einziger, dass er damit sich tatsächlich strafrechtlich von allen Folgen befreit? Bei Durchlesen dieser Vertragsentwürfe ist mir nur schlecht geworden. Ich kann nur jeder raten, die mit so etwas beim Date oder später konfrontiert wird bzw. sich derartiges andeutet, sofort Reißaus zu nehmen. Da müssen sämtliche Sirenen angehen. Da nützt kein Covern und nichts. Da wird Vertrauen mißbraucht.
Sorry
@*******elle zu meinem letzten Einwand, der eher off-Topic ist