Ich melde mich hier doch nochmal, nachdem ich in meinem ersten Beitrag zu meiner Erfahrung zum Thema "Covern" Stellung genommen hatte. Die Beiträge hier werfen zwei unterschiedliche Zeiträume ins Schlaglicht:
a) der Bereich des Kennenlernens und
b) der Bereich des Bekanntseins.
Zu a)
Das Covern beim Kennenlernen wurde schon sehr ausführlich besprochen. Daher möchte ich nicht näher auf den Bereich des Kennenlernens als solches eingehen.
Ich möchte aber auf eine Untersuchung aus 2004 verweisen, Quelle unten, in der es unter anderem zu Tatorten wie folgt heißt:
"
Folgen wir allerdings den Aussagen der Frauen, die in unserer Untersuchung Angaben zu den Orten gemacht haben, an denen die sexuelle Gewalt stattgefunden hat, so lässt sich feststellen, dass der weit überwiegende Teil sexueller Gewalt in der eigenen Wohnung und dann – mit einigem Abstand – in der Wohnung von anderen Personen stattgefunden hat und vergleichsweise selten an öffentlichen Orten. Fast 70% der Frauen, die Aussagen zum Tatort bzw. zu den Tatorten bei sexueller Gewalt gemacht haben (Mehrfachnennungen waren möglich), nannten die eigene Wohnung, knapp 30% die Wohnung von anderen als Tatort. Ein Fünftel der Frauen (20%) nannte einen öffentlichen Ort (z.B. Straße, Park u.ä.) und knapp 17% das Auto; die Arbeitsstelle wurde von 10% der Frauen als Tatort genannt (vgl. Diagramm 7). Damit ist das Risiko sexueller Gewalt an öffentlichen Orten nicht gering zu schätzen, wird aber von „privaten“ Orten durchaus in den Schatten gestellt."
Beim Covern sollte daher nicht nur der erste Kontakt im öffentlichen Raum ins Blickfeld rücken. Vielmehr sollte sich jede(r) auch damit auseinandersetzen, wie die Situation an anderen Orten sicherer gestaltbar ist.
Zu b)
Ich möchte auch hier auf die Studie aus 2004 verweisen:
https://www.bmfsfj.de/resour … ie-frauen-teil-eins-data.pdf
Dort sind Frauen auch nach den Tätern (99% der Täter waren männlichen Geschlechts) ihrer Gewalterfahrung befragt worden. Ich möchte daraus folgendes zitieren:
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Von den Frauen, die im mündlichen Fragebogen Auskunft über die TäterInnen bei sexueller Gewalt seit dem 16. Lebensjahr gaben (Mehrfachnennungen waren möglich), berichteten fast die Hälfte (49%), ein (Ex-)Partner oder Geliebter sei Täter gewesen.Von knapp 20% der Frauen wurden Freunde, Bekannte und Nachbarn als Täter genannt, von 10% jemand aus der Familie und 12% nannten Personen aus Arbeit, Ausbildung oder Schule. Nur knapp 15% der Frauen nannten eine unbekannte Person als TäterIn, 22% eine flüchtig bekannte Person (vgl. Diagramm 6). ... Im Vergleich zur Täterstruktur bei körperlicher Gewalt ist bei sexueller Gewalt der Anteil der dem Opfer unbekannten Täter geringer (14,5% vs. 19,5%), der Anteil der flüchtigbekannten Täter dafür deutlich höher (22,3% vs. 10,8%), wobei hier Zufallsbekanntschaften am häufigsten genannt wurden."
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Auffällig ist in allen drei Erfassungszeiträumen ein relativ hoher – und mit der Länge des Erfassungszeitraumes steigender – Anteil an mehrfach vikitimisierten Frauen. Für Frauen, die sexuelle Gewalt erlebt haben, stellt diese oftmals kein einmaliges Ereignis dar. Auf der Suche nach möglichen Ursachen für diesen Befund stellte sich heraus, dass es sich nicht – wie wir zunächst vermuteten – um einen Alterseffekt handelt in dem Sinne, dass die Anzahl erlebter Situationen mit dem Alter der Befragten ansteigt, sondern dass die Frage von Einfach- und Mehrfachviktimisierung durch sexuelle Gewalt mit den Täter-Opfer-Kontexten in Zusammenhang steht. Die Anzahl erlebter Situationen steigt mit dem Grad der Bekanntheit von Täter und Opfer und mit der Enge der Beziehung und eventuellen Abhängigkeitsverhältnissen gegenüber dem Täter an."
Die Auswertung der Gewalterfahrung zeigt, wie wichtig es sein kann, völlig losgelöst von der aktuellen Situation grundsätzlich sich Gedanken zu der Thematik zu machen und zumindest zu versuchen, in der eigenen Wohnung Voraussetzungen zu schaffen, die eine Alarmierungs- wie auch Fluchtmöglichkeit schaffen. Viele haben mittlerweile mit Alexa betriebene Geräte im häuslichen Umfeld, die beispielsweise auch einstellbar sind, auf Aktivierung durch Zuruf der Polizei automatisch einen Notruf zukommen zu lassen; Smartwatches sind mit dem Handy verbunden, die ebenfalls so agieren können....
Einige mögen mich für paranoid halten oder sonstige Bedenken mit sich tragen. Da kann ich aber nur auf die Prävention durch Anbringung von Feuermeldern in Wohnungen verweisen. Seit dem gesetzlichen In-Kraft-Treten dieser Pflicht sind die Todesfälle wie auch Personenschäden durch Brände erheblich gesunken.
zu a) und zu b)
Des Weiteren möchte ich noch auf folgenden Aspekt aufmerksam machen, der bei derartigen Taten sexueller Gewalt ebenfalls immer wieder feststellbar ist: der Einsatz von Rauschmitteln.
Rauschmittel können eingesetzt werden, um die Hemmschwelle des Täters zu senken, um bei diesem Schmerzunempfindlichkeit zu erzeugen, um eine gesteigerte Gefühlsempfindung als Täter wahrzunehmen. Das Opfer kann durch Einnahme ebenfalls seiner Hemmschwellen beraubt werden, gefügig gemacht wie auch betäubt werden.
Gerade die Verharmlosung von Rauschmitteln stellt eine Gefahr dar, die einige unbewusst in Kauf nehmen. Das betrifft besonders Alkohol, aber auch Canabisprodukte und erst recht sonstige Substanzen, deren Herstellung, Zusammensetzung und Konzentration in der Regel vollkommen unbekannt sind. Sexuelle Übergriffe unter Einfluss von Rauschmitteln („drug faciliated sexual assault“: DFSA) wurden z.B. an Hand einer in Großbritannien durchgeführten Analyse über 1014 Fälle von DFSA deutlich, die die Jahre 2000 bis 2002 umfasst. Innerhalb dieser Analyse lag in 470 Fällen (46%) ein positiver Alkoholnachweis vor, in 344 Fällen (34%) handelte es sich um illegale Drogen. In 21 von 1014 Fällen (2%) wurden unfreiwillig eingenommene Medikamente festgestellt. K.O. Tropfen unterschiedlicher Substanz sind seitdem weiter auf dem Vormasch.
Mußhoff und Madea, 2008:
https://cdn.aerzteblatt.de/pdf/106/20/m341.pdf
Scott-Ham und Burton, 2006: A study of blood and urine alcohol conentrations ins cases of alleged drug-faciliated sexual assault in the United Kingdom over a 3-year period, Journal of Clinical Forensic Medicine 13:107-111,
https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/16356751/
Um an meinen ersten Beitrag anzuknüpfen: es gibt keine absolute Sicherheit, es besteht aber die Möglichkeit einer Risikominimierung. Dazu muss aber bekannt sein, was überhaupt Erfahrungen in diesem Bereich als Risikofaktoren aufzeigen, um sich dann zu überlegen, was ich in Kauf nehme und wo bzw. wie ich grundsätzlich vorbauen kann.