Ja, leider. Umsatz bzw. Profit über alles.
Egal, ob der Kunde den Artikel braucht.
In der Finanzwelt wurden nach der Lehman-Pleite, die jeden überrascht hat und viele Anleger viel Geld gekostet hat, dermaßen hohe Anforderungen an die Beratung vor einem Kauf eines Finanzproduktes eingeführt, dass man nur einen Bruchteil davon gerne bei dem Kauf sonstiger Dinge hätte. Dazu gehört die Verpflichtung, dass ein "anlegergerechter Rat" erteilt, dokumentiert und jahrelang vorzeigbar gehalten werden muss. D.h. der Kunde darf nichts mehr aufgeschwätzt bekommen, was nicht zu seiner Anforderung bzw. seiner Situation passt. So etwas wünschte ich mir z.B. beim PC-Kauf, wo einem der Hard-Core-Gaming-PC für 1500 Euro aufgeschwätzt wird, obwohl man mit einem einfachen Gerät für 500 Euro seine Office-Anwendungen genausogut erledigen könnte.
Darüberhinaus muss der Bankkunde offengelegt bekommen, wieviel die Bank an dem Geschäft verdient, da man meint, der Kunde würde danach entscheiden, ob der Artikel gekauft wird oder nicht. Wo ist das noch so? Wieviel verdient denn der Herrenausstatter an der Hose für 100 Euro oder der Autoverkäufer am Neuwagen? Wie will aber ein Kunde ein Gefühl bekommen, was angemessen ist, um richtig zu entscheiden? Er kennt doch die Kosten gar nicht, die damit zusammenhängen. Warum zahle ich für den Friseur ca. 60 Euro die Stunde (wie z.B. auch für einen Handwerker), obwohl das Personal deutlich weniger verdient als in anderen Branchen? Die Kostenoffenlegung würde mich wirklich an mancher Stelle interessieren.
Im Einzelhandel haben wir heute oft nur Kassierer, selten Verkäufer und so gut wie gar nicht mehr Berater. Service ist auf Sparflamme. Techniken, die das verbessern würden, werden nur eingeführt, wenn es dem Geschäft, nicht jedoch dem Kunden zu Gute kommen.
Ein Beispiel: Bereits vor 15 Jahren gab es bei einer Einzelhandelskette im sogenannten "Future-Store" die Technologie, dass ein RFID-Chip auf jedem Artikel dem Regal sagt, wenn ein Artikel rausgenommen wird, damit ggfls. Meldung zum Auffüllen gemacht werden kann. Im nächsten Moment weiß der Einkaufswagen, dass der Artikel dort rein gelegt wurde und zeigt es dem Kunden auf einem Display zusammen mit den andern Waren an. An der Kasse wird dann nur diese Information an die Kasse übertragen, das Ausladen auf das Kassenband und spätere Wiedereinräumen des Wagens zum Transport zum Auto entfallen genauso wie der Scanvorgang an der Kasse, was einen Self-Check-Out ebenfalls wesentlich erleichtern würde. Es würden also zwei lästige Vorgänge des Kunden entfallen (beim Self-Check-Out sogar drei), dennoch wird damit gehadert, dass dann jeder Artikel einen RFID-Chip benötigt, der mit dem Kauf verloren geht und ca. 1 Cent kostet.
Also müssen wir weiterhin 4-5 Mal den Artikel in die Hand nehmen, bis er im Auto ist, weil der Händler 1 Cent sparen will. Für mich unverständlich.
An der Tankstelle konnte man früher die Glühbirnen, Scheibenwischer und ähnliche Dinge kaufen und ersetzen lassen. Schließlich sollte dort jederzeit die sichere Fahrt gewährleistet werden. Heute: Pustekuchen. Da wird eher Bier als ein Autoteil verkauft, der Kassierer ist ganz alleine und hat unter Umständen von Autos gar keinen Plan. Dafür hat die Tankstellenlobby es geschafft, die Ladenschlussgesetze auszuhebeln und die Funktion der früheren Tante-Emma-Läden zu übernehmen.
Natürlich zu deutlich erhöhten Preisen. Aber es funktioniert. Die Preise werden akzeptiert, nicht nur nach Schließung der "normalen" Läden. Der Shop ist die wichtigste Einnahmequelle, weshalb er irgendwann größer sein wird als die Fahrbahnfläche an den Zapfsäulen. Blöd nur, dass mit der Forderung nach Ladesäule an jedem Kanaldeckel und jeder Laterne die (Benzin-)Tankstelle irgendwann zur Ruine aus früheren Zeiten mutieren wird, da wir nicht auf dem Wasserstoff-Zug aufgesprungen sind.