War früher alles besser - oder einfach nur anders?
Hallo Schwarm!Nachdem ich mir die letzten Tage die Muse genommen habe, ausführlicher im Forum die Beiträge zu lesen (es wurden ja durch das Ausscheiden von Deutschland bei der EURO unerwartet Zeitfenster frei), die die unterschiedlichsten Themen betrafen, kam mir ein Gedanke, der mich auch schon vorher immer wiederer beschäftigt hat und in meinem Kopf ständig die Richtung wechselt, aber nicht weichen will:
• War es "früher", mangels Internet & Co,. zwar schwerer, jemanden kennenzulernen, aber nachhaltiger, ich würde sogar sagen: war es fairer?
Wie war das denn, damals, in meiner Generation (ich bin 53), in meiner Jugend (die definiere ich mal bis Ende 20...)...wenn die Hormone mit einem Achterbahn fuhren und jedes Mädchen eine Anziehungskraft auf einen ausübte, wie als wäre sie ein Magne und ich aus Eisen. Wenn man ein Mädchen kennenlernen wollte. Noch zu den Zeiten, als es noch kein Handy, kein Internet, keine SMS, kein Facebook oder WhatsApp gab und das modernste Kommunikationsmittel ein Faxgerät darstellte.
Richtig, man ist mit den besten Freunden am Wochenende in den Club, zum Feiern, Party machen und abschleppen jeder weiblichen Wesen, die man begehrte. Man sah eine beim Tanzen, an der Bar, traf sie zufällig auf dem Weg zur Toilette, oder die Freundin eines Freundes hatte wiederum eine Freundin dabei.
Man sah das Mädchen, dachte sich "..och, die ist ja süss!..", stellte sich manchmal an, wie ein Pfau bei der Balz, um ihre Gunst zu gewinnen, flirtete, trank etwas zusammen und wenns richtig gut lief wurde am Abend auch noch geknutscht.
Traf sich im besten Falle auch gleich am nächsten Tag, ging zusammen im Sommer ein Eis essen, im Winter ins Kino.
Kurzum: man verbrachte Zeit miteinander, lernte sich kennen. Um DANN erst für sich festzustellen "..hey, eigentlich hat sie ein paar Pfund zuviel/zuwenig auf den Rippen...ist grösser/kleiner als ich wollte...die Haare sind mir auch zu lang/kurz...sie wohnt jetzt aber doch ein ganz schönes Stück entfernt etc."
Vom Sex ganz zu schweigen (wenn es denn überhaupt dazu kam), alles wurde zusammen erkundet und "erarbeitet", was negative/positve Überraschungen nicht ausschloss. Aber das spielte im Grunde alles keine Rolle mehr, weil: Man war bereits in diesen Menschen, in diese Frau, die am Morgen neben einem lag, bereits verliebt! Selbst wenn eben die Attribute, die man von seiner Traumfrau im Kopf hatte, nicht alle 10 Punkte, die einem vorab wichtig waren, erfüllt wurden.
Es waren dann halt nur 6/7/8 - whatever.
Und Heute?
Sämtliche Daten liegen offen, Bilder von sich in allen möglichen und unmöglichen Situationen und Positionen sind frei einsehbar. Die Checklisten werden abgeglichen, ob der-/diejenige, die sich gerade gemeldet hat, in Frage kommt.
Du bist 2 Jahre älter, als ich in meinem Profil als Wunsch angegeben habe? Danke, aber nein Danke.
Du wohnst weiter, als gewünsht? Weg.
Du hast blonde Haare, obwohl ich auf dunkelhaarig stehe? Gelöscht.
Du entsprichst nur 12 meiner 24 sexuellen Vorlieben? Tschüss.
Wo vorher 6 von 10 Punkten im Grunde genügt haben, die übereingestimmt haben, müssen es heute 11 von 10 sein.
Und wenn die Checkliste auch nicht vor einem liegt, so trägt man sie doch im Kopf mit sich herum.
Verstärkt wird diese Theorie für mich, weil ich die Frauen meiner vier wichtigsten Beziehungen alle "draussen", ohne vorherigen Kontakt, sozusagen auf der freien Wildbahn kennengelernt habe.
Mir ist klar, dass das alles sehr runtergebrochen, sehr vereinfachend ist. Ein "besser" oder "schlechter" kann es eigentlich nicht geben, es ist so, wie es ist.
Aber ich hänge doch manchmal diesen Zeiten nach, als einen mehr ein Gefühl leitetet, ja leiten musste. Als diese Gefühl die einzige Möglichkeit war, wogegen man heute durch Fakten, Fotos, Zahlen, Daten, Vorlieben schon einen "fertigen" Menschen im Kopf hat, bevor man ihn real überhaupt getroffen hat.
Lasst uns Buchstaben zu Wortschlangen aneinanderfügen, so dass sie unsere Synapsen zum Klingen bringen und austauschen darüber, was euch dazu bewegt.
Und denkt dran: Man muss nicht immer verstehen, was ein anderer schreibt, oder seine Meinung gut finden. Aber man kann es akzeptieren.
Herzliche Grüsse!